Lokalsport
Der Kanzelwand-Geist schwächelt

Klausurtagung Das Treffen von Stadt, Politik und Sport muss erstmals abgesagt werden – aus Mangel an Interesse.

Kirchheim. Im Nachhinein ließe sich viel hineininterpretieren. Die Zukunft des Kirchheimer Stadtverbands für Leibesübungen (SfL) und dessen eigenes Rollenverständnis wäre am Wochenende ein zentraler Punkt bei der sogenannten Kanzelwandtagung gewesen - eigentlich. Das traditionsreiche Klausurtreffen von Mitgliedern aus Verwaltung, Gemeinderat und Sportvereinen ist diese Woche kurzfristig abgeblasen worden. Wegen mangelndem Interesse - zum ersten Mal in seiner langen Geschichte. Neben Bürgervertretern und Abgesandten der Stadt waren bis Wochenbeginn nur sieben Vereinsfunktionäre der Einladung gefolgt. Am Dienstag entschlossen sich der SfL-Vorsitzende Hermann Schnizler und Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker zur Absage. Ein Novum und eine Ohrfeige für die Organisatoren.

Der viel beschworene Geist der Kanzelwand scheint flüchtig. Jahrzehntelang war das dreitägige Treffen, das alle zwei Jahre im idyllisch gelegenen VfL-Haus in Riezlern stattfand, ein Fixpunkt im städtischen Kalender. Eine gesellige Runde, in der Sportthemen erörtert, Allianzen geschmiedet, und Projekte vorangetrieben wurden. Jüngstes Beispiel: 2014 machte sich die Spitze der Fußballabteilung im SV Nabern Richtung Kleinwalsertal auf, um mit einem frechen, aber wirksamen Überraschungsauftritt für eines ihrer drängendsten Anliegen zu werben. Drei Jahre später nahmen die Kicker am Oberen Wasen ihr neues Rasenspielfeld in Betrieb, für das sie lange gekämpft hatten. Dank zahlreicher Spenden und dank kommunalpolitischen Rückenwinds, der im Kleinwalsertal auflebte.

Inzwischen muss Hermann Schnizler feststellen: „Der Aufwand, für das Ehrenamt ein langes Wochenende zu opfern, ist den meisten zu groß.“ Für den 67-jährigen Vorsitzenden des SfL ein Probleme, mit dem alle Vereine zu kämpfen hätten. „Das ist der Zeitgeist“, meint er. „Wir haben jetzt die Notbremse gezogen - ohne Zorn.“

Tatsache ist: Die Älteren, die mit der Teilnahme an der Kanzelwandtagung ein Privileg verbinden, werden weniger. Zu ihnen gehört auch die Oberbürgermeisterin, die sich an ihre eigene Vereinsvergangenheit erinnert. Früher, sagt sie, habe man es als Auszeichnung empfunden, dorthin geschickt zu werden. „Heute fehlen wohl auch die ganz großen Themen“, vermutet Matt-Heidecker.

Dass der Stadtverband für Leibesübungen, der im kommenden Jahr sein 60-jähriges Bestehen feiert, nicht nur namentlich ein angestaubtes Image mit sich schleppt und manche Aufgaben überkommen scheinen, dem widerspricht die Rathauschefin. Bei Themen wie Sportentwicklung, Hallenbelegung oder Vereinszuschüssen übe der SfL eine wichtige Brückenfunktion für die Verwaltung aus. Der kurze Draht zu den Vereinen hilft uns“, sagt sie. „Manche Stadt wäre froh, sie hätte einen solchen Stadtverband.“

Der muss sich nun neu aufstellen - so oder so. Im Frühjahr sind Neuwahlen. Dass Hermann Schnizler nicht mehr für den Vorsitz kandidiert, gilt als sicher. Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin ist bisher jedoch nicht in Sicht. Dass eine künftige Legislaturperiode mit Veränderungen einhergehen muss, steht für Matt-Heidecker außer Frage. Man müsse sich schon im Vorfeld der Wahlen darüber im Klaren sein, wie es weitergehen soll, sagt sie. „Der Stadtverband muss sich breiter aufstellen, muss professioneller werden und sich überlegen, wie er die Vereine besser erreicht.“ Genau das hätte am Wochenende gemeinsam diskutiert werden sollen. Die abgesagte Klausurtagung soll noch in diesem Jahr nachgeholt werden. Irgendwann im November, nicht im Kanzelwandhaus, dafür wohl im Vereinszentrum des VfL.

Hermann Schnizler kann sich derweil unverhofft über ein freies Wochenende freuen. Das, so sagt er, will er gemeinsam mit seinen Enkeln verbringen. Ihnen könnte er dann erzählen, wie es früher einmal war, als sich Kirchheims Sportler regelmäßig in den Bergen trafen.Bernd Köble