Wenige Tage vor Silvester beschlichen Kirchheims Lauftreffleiter nostalgische Gefühle. Auf seiner Facebookseite postete Alexander Rehm Fotos aus dem Premierejahr des Kirchheimer Silvesterlaufs. Die Wegbereiter Fritz Koch, Otto Schnitzler, Walter Feichtinger, Frieder Schilling, Franz Schopf, Werner Kuchs, Siegfried Gerneth und Franz Gold lächeln 1981 vor dem Kirchheimer Rathaus frohgelaunt in die Kamera. „Diesen acht Läufern verdanken wir eine 39-jährige Tradition“, sagt Rehm, wohlwissend, dass heuer zum zweiten Mal seit 1999, als Sturm Lothar nach Weihnachten die Wälder verwüstete, der offizielle Rahmen für den Klassiker fehlen wird. Die Gänsehautatmosphäre, wenn die Läufer von Fackelträgern, Posaunenklängen und hunderten Zuschauern bei ihrer Rückkehr durch die Fußgängerzone begleitet werden.
Wie zu erwarten war, haben sich für morgen trotzdem einige Unentwegte angekündigt. Sie wollen die Strecke im Alleingang meistern. Alexander Rehm erinnert vorsorglich an die geltenden Coronaregeln: keine Gruppen, Mund-Nasen-Schutz ist in der Kirchheimer City Pflicht. Der Tecklauf ist damit in diesem Jahr nur etwas für Individualisten.
„Baumstammläufer“ Anton Klein (siehe Extra-Geschichte) wird vermutlich einer der ersten sein, der morgen Nachmittag zur Prüfung antritt. Mit Spaßvogel Christopher Greenaway hat sich zudem einer angekündigt, auf den das Wort extrovertiert nicht minder zutrifft. Der Rüstmeister des Stuttgarter Staatstheaters gehört zu den Dauergästen beim Tecklauf. „An der Tradition möchte ich festhalten“, betont der 46-Jährige, der seit über 20 Jahren in Stuttgart lebt. Wo der leidenschaftliche Marathonläufer (Bestzeit: 2:57 Stunden) auftaucht, läuft der Schalk im Nacken mit - dank ständig wechselnder Kostüme. Auf die Burg stürmte Greenaway schon in Rittermontur, im Nonnengewand oder als Höhlenmensch verkleidet. Trotz ungewohntem Rahmen will er sich auch im Coronajahr ins Zeug legen. Diesmal als Spiderman. Das Kostüm hat einen unschlagbaren Vorteil: „Es ist ein Ganzkörperanzug, der auch das Gesicht bedeckt“, meint der Brite. Damit sei auch das Masken-Thema erledigt.
Punkt 15 Uhr soll es wie immer losgehen. Bis 24 Uhr haben die Läuferinnen und Läufer Zeit, vom individuellen Abenteuer in Wort und Bild zu berichten. Schon lange vor Silvester war der virtuelle Raum zur Alternative für passionierte Teckläufer erkoren worden. Neues Bildmaterial fürs sporthistorische Archiv ist also garantiert. Fotos aus jenem Jahr, in dem das Virus auch vor einem Klassiker nicht halt machte und aus einem Gemeinschaftserlebnis eines für Solisten wurde.