Ausgerechnet mit der Weltmeisterschaft im schottischen Glentress Forest, rund eine Autostunde südlich von Edinburgh, beginnt für die beiden Teck-Mountainbiker Luca Schwarzbauer (Reudern) und Kira Böhm (Weilheim) die zweite Saisonhälfte. Schwarzbauer hat für die optimale Vorbereitung auf das wichtigste Einzelrennen der Saison sogar die Deutschen Meisterschaften in Albstadt ausgelassen.
Ob die Rechnung für den 26-Jährigen aufgeht, nach seinen Weltcup-Erfolgen auch eine WM-Medaille oder sogar das begehrte Regenbogen-Trikot des Weltmeisters zu erobern, weiß er allerdings nicht. Zwar sei er ein gutes Kilogramm leichter als noch vor wenigen Wochen, was ihm im ersten langen und dem folgenden steilen Anstieg auf der 3,5 Kilometer langen Cross-Country-Strecke in dem Bikepark im Tweed Valley entgegenkommen wird. Doch auch die anderen Sportler haben die Weltcup-Pause genutzt, um sich auf die Weltmeisterschaft und die folgenden vier Weltcups vorzubereiten. „Aber viele Top-Sportler, die sich über die olympische Distanz am Samstag Chancen ausrechnen, verzichten auf den Shorttrack am Donnerstag“, weiß Schwarzbauer.
Während nämlich beim Weltcup im Shorttrack die Startplätze für das Cross-Country-Rennen ausgefahren werden, wird bei der Weltmeisterschaft bei beiden Rennformaten nach der aktuellen Weltrangliste aufgestellt, in der Schwarzbauer derzeit als Elfter geführt wird. Deswegen werden große Namen wie die Schweizer Nino Schurter, Mathias Flückiger und Lars Forster am Donnerstag um 17.45 Uhr Ortszeit (18.45 Uhr MESZ) nicht am Start stehen – was nach Ansicht von Schwarzbauer durchaus Auswirkungen auf den Rennverlauf haben könnte: Denn während in der Vergangenheit das in den Anstiegen und technischen Abschnitten lang gezogene Feld meist auf der Zielgeraden immer wieder zu einer großen Spitzengruppe zusammenlief, könnte diesmal die Spitzengruppe deutlich kleiner ausfallen, weil schwächere Fahrer die vorderen nicht mehr einholen könnten.
Doch während Schwarzbauer das Gefühl vermittelt, die Mountainbike-Spezialisten im Griff zu haben, droht ihm Konkurrenz von drei Straßenfahrern: Die geringste Gefahr geht wohl vom Slowaken Peter Sagan aus, der vor seiner beeindruckenden Straßenkarriere 2008 Junioren-Weltmeister auf dem Mountainbike war. Ein großes Fragezeichen steht hinter dem Niederländer Mathieu van der Poel, der am Sonntag in Glasgow Weltmeister auf der Straße geworden war und nun auch für beide Mountainbike-Disziplinen gemeldet ist. Da der 28-Jährige aber in den vergangenen zwölf Monaten bei keinem Mountainbike-Rennen Weltranglisten-Punkte sammeln konnte, muss er ebenso wie Sagan aus der letzten Reihe starten.
Die größte Bedrohung für Schwarzbauers Traum vom Weltmeistertitel könnte aber vom Briten Tom Pidcock ausgehen. Sein Startplatz in der dritten Reihe wird für den Mountainbike-Olympiasieger kein Hindernis darstellen. „Tom hat ausgerechnet bei seiner Heim-WM das Straßenrennen nicht bestritten, um sich auf die Mountainbike-Rennen zu konzentrieren“, mutmaßt Schwarzbauer. Die Antrittsstärke des jungen Allrounders ist bekannt, der nur 58 Kilogramm schwere Sportler kann Berge förmlich hoch fliegen und auf der Ebene selbst sprintstarke Gegner langsam aussehen lassen. „Aber es ist sicher nicht unmöglich, auch einen Pidcock zu schlagen“, meint Schwarzbauer und hofft, dass der Engländer von der Tour de France noch ein bisschen müde sein könnte.
Favoriten Fehlanzeige
Für das Rennen über die olympische Distanz am Samstag (Start Männer 15.30 Uhr Ortszeit) gibt es keine klaren Favoriten: Neben Titelverteidiger Nino Schurter und Olympiasieger Tom Pidcock gibt es rund zehn Sportler, die als Medaillen-Kandidaten gehandelt werden: „Es ist eine coole Strecke, aber an zwei, drei Stellen ganz schön gefährlich“, berichtet Schwarzbauer. Bereits im Training gab es viele Stürze, einige davon auch mit Knochenbrüchen oder Gehirnerschütterungen: „Aber wenn man keinen Mist baut, ist es eigentlich kein Problem“, sieht Schwarzbauer die technischen Herausforderungen im Bikepark von Glentress eher entspannt: „Mir persönlich kommt der lange Anstieg natürlich nicht so entgegen, aber das tun ja die wenigsten Kurse“, schmunzelt Schwarzbauer, der gerade im eher ungeliebten Leogang mit seinen langen, steilen Anstiegen seine beste Platzierung über die olympische Distanz in dieser Saison einfahren konnte.
Böhm liebt die Strecke
Auch Kira Böhm (Start Freitag 15.30 Uhr Ortstzeit) hat ordentlich Respekt vor der Strecke oberhalb des Flusses Tweed: „Man muss sich auf jeden Fall immer konzentrieren.“ Auch sie hat sich nicht speziell auf die WM vorbereitet, sondern auch auf die komplette zweite Saisonhälfte – allerdings aus anderen Gründen wie Schwarzbauer. Während der vor allem den Gesamt-Weltcup-Sieg im Shortrace im Blick hat, hatte Böhm neben der Vorbereitung auf die Deutschen Meisterschaften und den Semesterprüfungen an der Uni kaum Zeit. „Ein Trainingslager hätte da zeitlich gar nicht reingepasst. Ich habe einfach versucht, meine gute Form zu halten“, so die 20-Jährige, die in Freiburg auf Lehramt studiert.
Nachdem sie am Montag die Strecke nur zu Fuß angeschaut hatte, war sie am Dienstag mit dem Bike unterwegs: „Ich liebe einfach alles an dieser Strecke.“ Am heutigen Mittwoch will sie allerdings nur „ein wenig auf der Straße rollen“, am Donnerstag steht dann die harte Vorbelastung auf der Strecke auf dem Programm. „Mir wäre ein Start am Vormittag lieber gewesen als am Nachmittag“, sagt Böhm: „Aber beim Weltcup-Auftakt in Nove Mesto war der Start für uns auch erst so spät.“ Beim Weltcup starten die U 23-Frauen üblicherweise am Sonntagmorgen um 8.30 Uhr. „Ich werde dann am Samstagvormittag noch ein bisschen rollen gehen, damit ich nicht den ganzen Tag rumsitze.“