Basketball: Der Sieg der Knights gegen Crailsheim macht Mut – in vielerlei Hinsicht
Der Vize kann auch Abstiegskampf

Manche Erfolge bringen nur zwei Punkte, andere setzen Hirnprozesse in Gang. Der hart erkämpfte Sieg der Knights am Samstag gegen Crailsheim verdient das Prädikat „besonders wertvoll.“ Die Kirchheimer haben damit nicht nur die Chance, sich schon am Wochenende aller Abstiegssorgen zu entledigen. Viel wichtiger noch: Sie haben am Samstag gezeigt, wie Abstiegskampf geht.

Kirchheim. Es wäre vermessen, zu behaupten, die klar bessere Mannschaft sei am Samstag als Sieger vom Spielfeld gegangen. Dafür waren auch an diesem famosen Basketballabend altbekannte Sünden zu gegenwärtig: Ballverluste, eine miserable Trefferquote aus der Distanz und eine vor allem im Mittelteil des Spiels durchwachsene Abwehrleistung. Dass aus einem Abend, der allein von der Spannung lebte, am Ende ein rauschendes Fest wurde, hatte vor allem einen Grund: Von zwei Teams, die dort um Kopf und Kragen spielten, hatte nur eines kapiert, worum es geht, und das waren die Gastgeber.

Frenkie Ignjatovic hatte bereits mit der Startaufstellung ein Signal ausgesandt, dass sicherlich mit aber nicht alleine der Personalnot geschuldet war. Ioannis Prodromou stand erst zum zweiten Mal überhaupt in dieser Saison in der Start-Fünf. „Fighter wie ihn brauchst du, wenn du im Abstiegskampf überleben willst“, sagt sein Trainer. Das gilt in gleichem Maße für die beiden Matchwinner am Samstag: Jonathan Maier und Sebastian Adeberg. Beide rackerten unterm Korb mit nur wenigen Atempausen. Maier, der durch die Verletzung von Marcus Smallwood mehr als 30 Minuten auf dem Feld stand, dabei 17 Punkte und neun Rebounds beisteuerte, belohnte sich selbst mit dem spielentscheidenden Korb zum 82:77 eine halbe Minute vor Schluss.

Bis dahin beste Spiele hatte der 20-Jährige zuletzt viele gezeigt. Am Samstag war es das vorerst letzte. Seine Leistungskurve zeigt seit der Rückrunde konstant nach oben. Er scheint der Einzige zu sein, der vom aktuellen Verletzungspech profitiert. Standing ovations und Sprechchöre in der Halle, beides genoss der Jüngste im Team in vollen Zügen. „Was soll ich sagen, das ist es wohl, wofür man diesen Sport macht“, meinte Maier nach dem Spiel und verriet auch gleich, was in diesem Jahr den Unterschied macht: „Ich war früher wahnsinnig nervös, hatte immer Angst davor, Fehler zu machen“, gesteht er. „Mit der Spielzeit wächst halt‘ auch das Selbstvertrauen.“ Verbessert er Fußarbeit und Stellungsspiel, wie es sein Trainer fordert, ist der 2,10 Meter große Center wohl ein dauerhafter Kandidat für die Start-Formation.

Die Hausherren dominierten das Spiel unter den Körben gegen die Merlins klar. Auch, wenn dies neben Maier und Adeberg auch an der Tatsache lag, dass Crailsheim mit Stevie Johnson auf einen seiner Besten an diesem Tag verzichten musste. Ignjatovics Rechnung jedenfalls ging auf. Dass die Knights, wie schon so häufig in dieser Saison, die schlechteren Distanzschützen in ihren Reihen haben würden, war schon nach wenigen Minuten schwer zu übersehen. Während Moore, Crow und in der zweiten Hälfte vor allem Friedel nach Belieben trafen, blieb die Dreier-Disziplin auf Kirchheimer Seite alleine Justin Stommes überlassen. Die Verlagerung des Spielgeschehens unter den Korb zeigte Wirkung. Was eigentlich als größtes Risiko der Kircheimer galt, kostete den Gegner in der Schlussphase den möglichen Sieg: Jonathan Maier im Duell mit Crailsheims Joe Buck und Justin Stommes, der Josten Crow mehr beschäftigte, als diesem lieb war, schraubten das Foulkonto der beiden Merlins-Schlüsselspieler in die Höhe. Die Folge: Buck pausierte länger als gewollt, Crow und der Ex-Kirchheimer Benjamin Lischka, der durch eine überharte Gangart auffiel, mussten das Spielende von der Bank aus verfolgen.

„Wir hatten heute die bessere Reboundarbeit und das größere Herz“, meinte Kirchheims Coach Frenkie Ignjatovic, bei dem sich nach der Schlusssirene die ganze Anspannung der vergangenen Woche in einem Freudentanz entlud. Er wusste: Das war vielleicht der wichtigste Sieg der gesamten Saison. In einer Phase, die schwieriger kaum hätte sein können. Das Spiel Fünf gegen Fünf findet bei den Rittern seit Wochen ausschließlich im Liga-Betrieb statt. Paralleles Training in Ludwigsburg, Verletzte und Berufspflichten wie im Falle Sebastian Adebergs, lassen mehr nicht zu. Er fühle sich derzeit nicht als Trainer, sagt Ignjatovic, „denn mit Training hat das nichts zu tun.“

Rechtzeitig vor dem vielleicht alles entscheidenden Wochenende gibt es auch wieder gute Nachrichten: Dominik Schneider ist nach einem hartnäckigen Bluterguss im Oberschenkel auf dem Weg der Besserung und wird diese Woche wohl mittrainieren. Auch Marcus Smallwood und Radi Tomasevic, der am Samstag eine Viertelstunde durchhielt, sind Teil der Planungen für das Spiel am Freitag in Leipzig. Erteilt Ludwigsburgs Coach John Patrick seinen abschließenden Segen, wird auch Besnik Bekteshi die Knights beim Tabellenletzten und womöglich auch zwei Tage später im Derby gegen Ehingen verstärken. Die Neckar-Riesen, bei denen sich die Lage nach zwei Siegen in Folge etwas entspannt, spielen heute Abend in Berlin und sind am Wochenende spielfrei. Wenn es keine Terminüberschneidungen gibt, hat der Kooperationspartner grundsätzlich Bereitschaft signalisiert, den mit Doppellizenz ausgestatteten 20-Jährigen an seinen Heimatverein abzustellen. „Wir sind nicht in der Position, irgendwelche Forderungen zu stellen“, betont Knights-Sportchef Karl Lenger, der mit seinem Ludwigsburger Kollegen Mario Probst gestern in Kontakt stand. „Besnik hat einen Vertrag in Ludwigsburg. Wir müssen dankbar sein, wenn man uns hier entgegen kommt.“

Das nötige Glück und zwei Siege vorausgesetzt, könnten die Knights bereits am Sonntag den Klassenerhalt feiern. Zumindest auf dem Papier haben die Kirchheimer gegenüber den Konkurrenten im Abstiegskampf das leichtere Programm zu absolvieren. Dass man den Tabellenletzten aus Sachsen am Freitag auf die leichte Schulter nimmt, zumindest dies scheint nach dem zweiten Sieg der Uni-Riesen am Samstag in Cuxhaven ausgeschlossen. Zumal dies bedeutet hätte, zweimal den gleichen Fehler zu begehen. Die Niederlage im November liegt vor allem dem Trainer noch immer schwer im Magen. Im Gefühl des glücklichen Sieges in Crailsheim gestattete man dem Aufsteiger aus Leipzig eine Woche später mit 96:94 einen von nur drei Siegen vor Weihnachten. „Wenn man den Anspruch hat, die Klasse zu halten, dann muss man diese Spiele gewinnen“, sagt Frenkie Ignjatovic mit Blick auf das kommende Wochenende. „Sollte es so kommen, dann wage ich die Behauptung: es reicht.“