Pasko Tomic und eine Saison, die nachdenklich macht
Der „Wunder“-Mann

Auf den letzten Drücker, mit einem Vorsprung von gerade mal drei Punkten, haben sich Kirchheims Oberliga-Basketballer vor dem Abstieg gerettet. Nach einer Saison voller Pleiten, Pech und Pannen war das nichts weniger als ein Wunder. Coach Pasko Tomic überlegt, wie viel Wunder er noch aushält.

Kirchheim. Der Jubel war groß, die Feier ging bis weit in den Sonntagmorgen hinein. Nach einer kurzen Nacht machte sich VfL-Coach Pasko Tomic mit der U 10 nach Böblingen auf, um sich das letzte Turnier der Basketball-Saison anzuschauen – seine siebenjährige Tochter Pia steht seit Neuestem im Kader. „Das ist Basketball pur, das ist das, warum wir das alles machen“, meinte Tomic anschließend.

Und was war dann das, was sich zwischen dem Aufstieg im März 2012 und dem 69:73 gegen Ludwigsburg am Samstagabend in der Sporthalle Stadtmitte abspielte? Irgendwie ja auch Basketball, doch das bescheidene Gehalt, das Tomic für Training und Spiele bekommt, lief diesmal wohl zu hundert Prozent als Schmerzensgeld. „Wir hatten brutales Pech“, fällt dem Kroaten, der seit 1997 in Kirchheim ist, zunächst nur dazu ein. Die Fakten geben ihm recht. Stichwort Verletzungen: Marsel Sibinovic (Kreuzbandriss, 15 Spiele gefehlt), Simon Zimmermann (Leistenprobleme, zwölf Spiele Pause), Chris Schraml (Knieverletzung, neun Spiele), am Ende Shkelzen Bekteshi (wegen Sprunggelenk viermal gefehlt) und Derrick Stevens (ebenfalls Sprunggelenk, beide Relegationsspiele pausiert). Die ersten zwölf des VfL verpassten somit ein Viertel aller Pflichtspiele. Nur ein Einziger fehlte nie: Paul Howard absolvierte alle zehn Spiele nach seiner Verpflichtung im Februar.

Stichwort Trainingsbeteiligung: Speziell Howard war dort aus beruflichen Gründen selten zu sehen. Und Howard war längst nicht der Einzige. Krankheiten, Verletzungen, Studiums-Absenzen, Unlust, Unpässlichkeit – „Tausend Gründe“ (Tomic) führten zu viel Platz in der Halle. „Mit drei, vier Leuten macht es keinen Sinn,“ klagt der Coach. „Es gab kein einziges Training in normaler Konstellation.“ Normal hieße in diesem Fall auch, dass sein Team die komplette Sporthalle Stadtmitte zur Verfügung hätte. Doch das war nie der Fall: dienstags ein Hallen-Drittel, mittwochs in der Freihof-Realschule, freitags im Ludwig-Uhland-Gymnasium. Das ist alles andere als oberligatauglich.

Stichwort knappe Niederlagen: Bei elf der vierzehn Niederlagen betrug der Rückstand weniger als neun Punkte, oder anders ausgedrückt: In dreizehn engen Begegnungen zog Kirchheim elfmal den Kürzeren. Ein klarer Fall von mangelnder Erfahrung. Alles zusammen lässt Tomic zu dem Schluss kommen: „Es ist ein Wunder, dass wir überlebt haben.“

Wie geht es nun weiter? Schon in der Nacht nach dem letzten Spiel fragten sich viele: „Mach’ ich weiter?“ Auch Pasko Tomic war einer davon. Der 44-Jährige muss für seinen Hauptjob jeden Tag zwischen drei und vier Uhr in der Früh raus. Wenn er gegen zehn Uhr abends vom Training kommt, findet er selten ruhigen Schlaf. Die ständigen Pannen zehren am Nervenkostüm, seine Spieler sind nicht gerade pflegeleicht. Er sagt: „Ich weiß nicht, wie viele Kilos ich abgenommen habe.“ Tomic hat sich Bedenkzeit erbeten, allen seinen Spielern verboten, ihn anzurufen. In der kommenden Woche will man sich zusammensetzen. Dann kann passieren, dass der knapp Überlebende am Ende doch noch stirbt.ut