Lokalsport
Die Franks – Topfußball aus Schlierbach

Erinnerung Wolfgang Frank galt lange vor Ralf Rangnick als Intellektueller in Sachen Fußball. Als Bundesligaspieler und visionärer Trainer hinterlässt er vor allem bei Mainz 05 Spuren – bis heute. Von Klaus Schlütter

In der englischen Premier League tobt ein Dreikampf um die Meisterschaft zwischen Manchester City, FC Liverpool und FC Chelsea. Mittendrin Trainer Jürgen Klopp, der mit seinen „Reds“ beste Chancen hat, den im Vorjahr errungenen Titel zu verteidigen. Wozu ihm in Schlierbach viele Fußballfans kräftig die Daumen drücken. Wieso gerade Schlierbach? Weil dort die Heimat für einen Fußball-Intellektuellen war, den „Kloppo“ bis heute als seinen engen Freund und Lehrmeister bezeichnet: Wolfgang Frank. „Seine Trainingsarbeit war eine Offenbarung. Von ihm habe ich beruflich am meisten gelernt“, bekennt Klopp offen in Interviews.

Wolfgang Frank, in Reichenbach geboren und 2013 im Alter von 62 Jahren verstorben, war zentrale Figur einer echten Fußballfamilie. Mit nur 1,72 Meter klein von Statur, aber ein Gro­ßer am Ball. Wendig, sprungkräftig und kopfballstark mit Torriecher. „Floh“ genannt, weil er mit 66 Kilogramm ein Leichtgewicht war. Ein absolutes Schwergewicht allerdings auf und später als Trainer neben dem Platz.

Seine ersten Ballkontakte hatte er in Schlierbach unter Anleitung von Vater Gerhard, der beim TSV Jugendtrainer war. Mit 17 wechselte er über die Zwischenstation VfL Kirchheim zum VfB Stuttgart. Drei Jahre später schoss er die VfB-Amateure mit 25 Toren zur württembergischen Meisterschaft. 1973 ging er auf große Fußball-Tour. Erst nach Alkmaar in die holländische


 

„Wolfgang Frank hat großen Anteil daran, dass wir heute in der Bundesliga spielen.
Harald Strutz
Ehrenpräsident des FSV Mainz 05


Eredivisie. Dann zu Eintracht Braunschweig, wo er mit seinem ehemaligen Mitspieler Karl-Heinz Handschuh ein torgefährliches Tandem bildete. Seine weiteren Bundesliga-Stationen waren Borussia Dortmund und 1. FC Nürnberg. 1982 ließ er seine Profikarriere beim FC Glarus in der Schweiz ausklingen und wechselte ins Amateurlager.

Bei den Eidgenossen begann auch der zweite Teil seines Fußballer-Lebens: der des Trainers. Über mehrere Stationen führte 1995 sein Weg zu Mainz 05, wo er ein eigenes Spielsystem entwickelte. Mit Viererkette, Raumdeckung und ballorientiertem Spiel war er Vorreiter modernen Fußballs. Aus einem Abstiegskandidaten wurde plötzlich die beste Rückrunden-Mannschaft. Dennoch gab es Ärger. Wegen einer Niederlage in Leipzig verließ der impulsive Taktik-Experte Mainz Hals über Kopf, kehrte aber zwei Jahre später zu den Nullfünfern zurück.

Wolfgang Frank war ein Familienmensch. Mit den beiden Söhnen Sebastian (43) und Benjamin (40) verbrachten die Franks die Sommerferien in der Regel bei Opa und Oma in Schlierbach. Sebastian erinnert sich: „Wir haben uns immer darauf gefreut. Papa hat mit uns trainiert. Am Wochenende sind wir zu den Spielen in Kirchheim, Notzingen, Ohmden oder auch mal zum VfB gefahren, beispielsweise zu Jogi Löws Abschiedsspiel gegen Inter Mailand.“

Papa war ihr Vorbild. Die Jungs eiferten ihm nach, der Jüngere als rechter Verteidiger beim SV Wehen Wiesbaden, der Ältere als linker Verteidiger in Bingen und Ingelheim. Doch die fußballerische Klasse des Vaters erreichten sie nicht. Nach einem BWL-Studium versuchten sich beide erst als Spielerberater, gingen dann als Scouts auf die Suche nach Talenten für englische Klubs, „Benni“ für Brighton und Crystal Palace, „Basti“ für Leicester City und den FC Liverpool.

Brüder als Scouts beim BVB

Ab 2018 machten die beiden Brüder gemeinsame Sache, gingen als Nachfolger von Sven Mislintat, dem aktuellen Sportdirektor des VfB Stuttgart, auf die Suche nach Verstärkungen für Borussia Dortmund, bevor sich in dieser Saison ihre Wege wieder trennten. Sebastian folgte dem Ruf von Eintracht Frankfurt als „Koordinator Scouting“, Benjamin blieb bei Schwarz-Gelb. Gleich am ers­ten Bundesliga-Spieltag trafen die Mannschaften der beiden Brüder aufeinander. Bennis Borussen behielten mit 5:2 die Oberhand und liefern sich seither ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Es erscheint fast schon tragisch, dass es der Vater als visionärer Trainer nie in die Bundes­liga geschafft hat. Wolfgang Frank wurde nur 62 Jahre alt. Er starb am 7. September 2013 an den Folgen eines Gehirntumors. Auf den Tag genau acht Jahre später wurde in Mainz im Beisein seiner beiden Söhne das neue 05er-Trainingszentrum eingeweiht und auf den Namen „Wolfgang Frank Campus“ getauft. Eine große Geste für einen Vordenker der Bundesliga.

Taktiker mit Torriecher

Wolfgang Frank war ein ausgewiesener Taktik-Experte, aber auch ein unsteter Geist mit oft übereilten Abschieden von seinen Vereinen. Als Stürmer ging er bis 1988 für neun Klubs auf Torjagd, vom TSV Schlierbach bis Borussia Dortmund. Trainer war er bei 18 Vereinen, vom FC Glarus bis Austria Wien, zweimal bei Mainz 05.
Die ganz großen Erfolge blieben ihm verwehrt. Mit Eintracht Braunschweig gewann er 1975 den Intertoto-Cup. 1982 erreichte er mit dem 1. FC Nürnberg und 1985 mit Rot-Weiß Essen das Pokalfinale. 2003 wurde er als Trainer mit der SpVgg Unterhaching Meister der Regionalliga Süd und stieg in die 2. Bundesliga auf.
Frank war für seinen ausgeprägten Torriecher bekannt. In seinen insgesamt 215 Spielen in der Fußball-Bundesliga schoss er 89 Tore, darunter 23 Treffer bei 55 Einsätzen allein für den VfB Stuttgart. Drei Tore erzielte er in der deutschen B-Elf und Ungezählte mehr auf seinen übrigen Vereins-Stationen. ks