Auf die fiese Erkältung, die sich seit Tagen auf die Stimme legt, hätte er ganz gerne verzichtet. Igor Perovic hatte an diesem Wochenende auch so ausreichend Gründe, sprachlos zu sein. Nach einem Spiel, das man selbst in einem so wendungsreichen Sport wie dem Basketball nie und nimmer hätte verlieren dürfen, wurde es in der Kabine am Ende laut. Was sich Kayne Henry nach der Schlusssirene beim 70:74 in der Schwenninger Deutenberghalle an Trainerschelte anhören musste, war im Ton schärfer als das bis dahin Übliche. Das unsportliche Foul des jungen Briten bei drei Punkten Rückstand 18 Sekunden vor Spielende hatte den Knights den letzten Funken Hoffnung geraubt. Auf den ersten Pflichtspielerfolg überhaupt gegen eine Schwenninger Mannschaft seit deren Aufstieg in die zweite Liga vor vier Jahren.
Richtig deutlich waren Niederlagen gegen die Schwarzwälder selten. Ärgerlich, weil eigentlich unnötig, dagegen sehr oft. Am Sonntag war das nicht anders. Auch ohne über sich hinauszuwachsen, hätte das Spiel bereits im dritten Viertel zugunsten der Gäste gelaufen sein können. Doch die Ritter machten einen Gegner, der im Abstiegskampf notgedrungen mit kleiner Rotation auskommen
musste, wieder einmal stark. Hätte man das Fazit des Spiels mit einer einzigen Szene unterlegen müssen, Henrys Blackout in den Schlusssekunden hätte es ganz gut getroffen. Dumm gelaufen eben. Ein Fehlgriff, der einem Routinier mit besserer Impulskontrolle so wohl nicht passiert wäre. Doch Henry ist ein sogenannter Rookie. Einer, bei dem das Pendel weit ausschlägt – in beide Richtungen. Seine Aktion gegen Ende ist gleichzeitig eine, die deutlich macht, woran es bei Kirchheims Korbjägern noch immer krankt.
„Wir hängen zu sehr von unseren erfahrenen Kräften, von unseren wenigen Führungsspielern ab,“ muss Headcoach Igor Perovic nicht zum ersten Mal feststellen. Im Umkehrschluss heißt das: Von anderen im Team kommt deutlich zu wenig. Die drei spektakulären Erfolge gegen Karlsruhe, Nürnberg und Vechta haben vieles von dem überlagert, was zum Vorschein kommt, wenn Dauerbrennern wie Nash oder Williams die Frische fehlt. Die deutschen Kräfte im Team bleiben seit Wochen zumindest offensiv vieles schuldig. Spieler wie Giese, Bekteshi oder Koch stehen nicht nur wegen ihrer aggressiven Verteidigung im Kader, sondern auch aufgrund bekannter Wurfqualitäten. Allen dreien fehlt nach wiederkehrenden Zwangspausen erkennbar der Rhythmus. In Zahlen heißt das: Eine Erfolgsquote pro Spiel, die nicht einmal an der Fünf-Punkte-Marke kratzt.
Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird mit Abstrichen auch beim vierten Deutschen im Team sichtbar: Für Jonas Niedermanner war das Spiel am Sonntag an seiner alten Wirkungsstätte symptomatisch für den seitherigen Saisonverlauf. Der 26-Jährige lässt sein Können immer wieder aufblitzen, doch genauso regelmäßig taucht er anschließend auch wieder ab. Ein mannschaftliches Problem, dass sich wie am Sonntag in entscheidenden Spielphasen bemerkbar macht. Als ab dem Ende des dritten Viertels plötzlich gar nichts mehr fallen wollte, wurden anschließend selbst beste Wurfchancen verweigert.
Die „Millionen-Euro-Frage“
Was also tun, wenn auch Erfolge keine Sicherheit und kein Selbstvertrauen schenken? „Das ist die Millionen-Euro-Frage,“ wirkt auch der Trainer im Moment ratlos. Klar: Hätten die Ritter, die mehr als eine Halbzeit lang die bessere Mannschaft waren, ihre Führung am Sonntag ins Ziel gezittert, sähe die Basketball-Welt in Kirchheim rosig aus. Vier Siege in Folge, die Knights auf Play-off-Kurs, und niemand stellt Fragen. So steuern die Kirchheimer im breiten Mittelfeld und mit einem schweren Auswärtsspiel am Freitag beim Tabellendritten in Dresden auf das Ende der Hinserie zu. Das Gute daran: Zehn der verbleibenden 17 Spiele in der Rückrunde finden in der Sporthalle Stadtmitte statt. Dort gingen die Knights in dieser Saison erst ein einziges Mal als Verlierer vom Feld. Was, wenn nicht das, soll endlich zur breiteren Brust verhelfen?