Als Toni Dorn Mitte des Schlussviertels in Düsseldorf seinem Gegenspieler Craig Lecesne in den Arm fasste, da wusste er: das war’s. Fünftes Foul, Dorn raus, die Knights von da an nur noch zu siebt. Der Kirchheimer Fachkräftemangel mit plötzlich nur noch zwei Mann auf der Bank war auf dem vorläufigen Höhepunkt angelangt. Dass die Ritter das Spiel in den verbleibenden sechseinhalb Minuten noch drehten und damit ihren 22. Saisonsieg einfuhren, spricht für die Qualität dieser Mannschaft im 16. Jahr in der Pro A.
Doch was bedeutet das für die am Donnerstag beginnenden Playoffs? Zunächst: Die personelle Lage wird sich bis dahin entspannen, denn Aitor Pickett kehrt zurück. Die Adduktorenverletzung des Deutsch-Chilenen, der als Allzweckwaffe vor allem in der Defensive so dringend gebraucht wird, ist
weniger schlimm als befürchtet. Picketts Pause in Düsseldorf – „eine reine Vorsichtsmaßnahme auf Anraten der Ärzte,“ sagt Kirchheims Coach Igor Perovic. Der machte aus der Not eine Tugend und beorderte am Samstag den 18-jährigen Nil Failenschmid in die Starting Five. Der bedankte sich prompt und setzte mit zwei erfolgreichen Würfen und einer Balleroberung die Kirchheimer Akzente, da waren noch keine zwei Minuten gespielt.
Die Entwicklung des Youngster, der nach 13 Minuten mit sechs Punkten und einem Rebound eine hundertprozentige Trefferquote verbuchte, war nach seinem starken Auftritt die Woche zuvor gegen Frankfurt schon keine Überraschung mehr. Die eigentliche Überraschung an diesem Abend fand anderswo statt und ließ sich aus Kirchheimer Sicht kurz fassen: Hagen statt Gießen. Während sich die meisten schon auf ein Wiedersehen mit Ex-Coach Frenki Ignjatovic im ersten Viertelfinalspiel an diesem Donnerstag gefreut hatten, wirbelte die unerwartete Heimniederlage der Frankfurter gegen Quakenbrück die Playoff-Paarungen nochmal durcheinander.
Der Tabellendritte aus Hagen – ganz sicher nicht der Wunschgegner der Kirchheimer, auch wenn im Rückspiel Mitte Februar die Punkte beim 77:76 hauchdünn unter der Teck blieben. Die Allzeitbilanz spricht für die Feuervögel, die eine enorme Ausgeglichenheit und Heimstärke an den Tag legen. Wirkt die aufgeladene Atmosphäre in Kirchheim für fast jeden Gegner als Drohkulisse – Frankfurts Coach Dennis Wucherer sprach vergangene Woche von „Angst“, dort spielen zu müssen – gilt das für die Hagener Ischelandhalle mindestens genauso. Für Knights-Manager Chris Schmidt „eine Hölle, in der sich jeder Gegner schwertut“. Die Tatsache, dass die Ritter im ersten von maximal fünf Erstrundenspielen am Donnerstag zunächst auswärts antreten müssen, wertet er als klaren Nachteil. „Wer mit einem Sieg ins zweite Spiel geht, kann befreiter ausspielen“. Seinen Optimismus scheint der Sportchef immerhin nicht verloren zu haben. Auf die Frage, ob Gießen zum Start der angenehmere Gegner gewesen wäre, antwortet er trocken: „Das sehen wir dann im Halbfinale“.
Es wäre das Sahnehäubchen auf eine Saison, die schon jetzt als eine der erfolgreichsten verewigt ist. Für die dezimierte Kirchheimer Mannschaft, die in den vergangenen Wochen viel Kraft gelassen hat, beginnt jetzt ein völlig neues Kapitel. „Die Hauptrunde zu überstehen, war in den letzten Spielen mental am schwierigsten,“ sagt Kapitän Michael Flowers, der prophezeit: „Die Playoffs werden bei jedem von uns neue Energien freisetzen“.