Michael Mai ist ein gläubiger Mensch, das weiß man. Einer, der nach eigenen Worten nie daran gezweifelt hat, dass es eine höhere Macht gibt. Sein Job als Basketball-Trainer ist es freilich, der Analyse irdische Grenzen zu setzen. „Ich weiß, was es nicht ist“, sagt der Coach. „Es ist kein Glück.“ Gemeint ist der vierte Sieg seiner Mannschaft in den letzten Sekunden eines Spiels, in dem es zuvor rauf und runter ging mit der Erfolgskurve. Das war in Dresden so, in Essen, daheim gegen Crailsheim und jetzt am Samstag in Nürnberg ebenfalls. Verrückte Spiele mit dem immer gleichen Ende: Kirchheimer Jubel nach dem finalen Gong.
Jeder Fußball-Fan kennt Gary Lineker und seine Interpretation der Psychologie des Unabwendbaren: Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler dem Ball hinterherjagen, und am Ende gewinnt immer Deutschland. Michael Mai hat sich mit Lineker noch nie beschäftigt, aber er weiß, der Satz lässt sich auf vieles übertragen. Zu sehen, dass seine Mannschaft auf der Sonnenseite steht, ist gut. Zu wissen, warum das so ist, ist besser. Weil es zeigt, wie eng Fluch und Segen beieinanderliegen. Lockerer und entspannter als diese war bisher kaum eine Kirchheimer Mannschaft. „Das ist unser größtes Plus“, sagt Michael Mai, „und gleichzeitig unser größtes Problem.“
An sich selbst zu glauben, die Nerven zu bewahren, wenn einem das Spiel zu entgleiten droht, ist die eine Sache. „Dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt, wäre der nächste Schritt“, sagt Mai. Die Tendenz zur Sorglosigkeit ist ein Wesenszug, der jeden Trainer in Alarmbereitschaft versetzt. Das schwache dritte Viertel, ein besonderes Merkmal der bisherigen Saison, lässt ein Muster erkennen. „Wir müssen lernen, im entscheidenden Moment giftiger zu sein, um uns nicht selbst um das zu bringen, was wir uns zuvor hart erarbeitet haben.“
Das Spiel am Samstag gegen Aufsteiger Ehingen ist Gelegenheit, den Lernfortschritt zu dokumentieren. Gegen die Steeples mussten die Kirchheimer in der Vorbereitung gleich zwei frustrierende Niederlagen einstecken. Zu einer Zeit, als die Mannschaft noch im Entstehen war. Eine Warnung ist dies allemal, auch wenn beide Teams in der Tabelle derzeit Welten trennen. Die Knights sind eines von drei punktgleichen Teams an der Spitze, die Ehinger liegen nach erst einem Sieg in sechs Spielen auf Platz 13.
Eine ideale Aufgabe, wenn man so will, um das Charakterbild zu schärfen. Von Selbstzufriedenheit ist Kirchheims Trainer jedenfalls weit entfernt. „Wir sind bisher keine Mannschaft, die einen Gegner dominiert“, sagt er. „Wir machen nach wie vor zu viele leichte Fehler.“ Der nächste Schritt, den Michael Mai fordert, könnte am Samstag für die Nerven der Fans eine Erholungspause bedeuten. Vorausgesetzt, der Gegner spielt mit und reist nicht – wie manche schon unken – erst zur Schlussminute an.