Bei der Frankreich-Rundfahrt, dem größten Radsportereignis der Welt, gibt es Radio Tour. Der Buschfunk im Schwabenland ließe sich vielleicht am ehesten mit „Radio Eberle“ übersetzen. Kult-Streckensprecher Freddy Eberle jedenfalls stand am Freitag mit dem Mikro in der Hand unter stechender Sonne am Streckenwagen bei den Race Days auf der Stuttgarter Solitude und konnte dem fachkundigen Publikum ofenheiße News aus Kirchheim servieren. Dort steigt in zwei Wochen, am 5. Juli, die vierte Radsportnacht in der Innenstadt, und was gestern als Nachricht durchsickerte, ist eine faustdicke Überraschung.
Der Alleenring wird für einen Tag zur Bühne im Weltradsport: Neben den deutschen Stars Jonas Koch (Red Bull-Bora-hansgrohe), Alexander Krieger (Tudor Pro Cycling Team) und Kim Heiduk (Ineos Grenadiers) wird an diesem Samstag auch der italienische Meister und Europameister von 2020, Giacomo Nizzolo, am Startstrich neben dem Kirchheimer Marktbrunnen stehen. Der das ganze eingefädelt hat, ist somit ebenfalls dabei: „Für Kirchheim ist das ganz großes Kino“, freut sich Jannik Steimle über den Freundschafts-Deal seiner Profi-Kollegen, die ihm seinen dritten Erfolg auf dem Alleenring in zwei Wochen schwer machen dürften. Dass mit dem Vorjahres-Zweiten Dario Rapps (RSC Kempten) auch der deutsche Amateurmeister erneut zugesagt hat, wird da fast schon zur Randnotiz.
Sollten wir gemeinsam auf die letzte Runde gehen, fahr’ ich ihm gerne den Sprint an.
Jannik Steimle freut sich über die Zusage seines Teamkollegen Giacomo Nizzolo für das Kirchheimer Rennen.
Viel wurde spekuliert in den vergangenen Wochen. Während die beiden Radsportnacht-Macher Jürgen und Verena Wastl das weite Feld der deutschen Amateur-Szene beackert und dafür gesorgt haben, dass der Rahmen der Großveranstaltung steht, warb Mitveranstalter Jannik Steimle bei den Profis fürs kleine aber feine Rennen mit dem besonderen Flair. Massen von Fans und ein Spalier aus Fachwerkfassaden sind als Rennkulisse hierzulande schließlich selten geworden. Steimles Werben hatte offenbar Erfolg. Der Rennkalender der Profis kennt kaum Lücken. „Sich an einem der wenigen freien Wochenenden hier freiwillig an den Start zu stellen, das verdient schon Respekt“, sagt Steimle. Die Zusage seines Teamkollegen Giacomo Nizzolo hat ihn besonders gefreut. Mit dem Italiener verbindet ihn mehr als der gemeinsame Arbeitgeber Q36.5. Beide sind eng befreundet, haben sich bei Rennen schön häufiger das Zimmer geteilt. „Wir haben hier zwar keinen Lago Maggiore oder Comer See zu bieten, aber ein herrliches Trainigsrevier auf der Alb. Das hat ihn neugierig gemacht“, meint Steimle.
Dass Nizzolo Kirchheim erst einmal googeln musste – egal. Der 36-jährige Sprintspezialist bringt Glanz in die Hütte: italienischer Meister, Etappensieger beim Giro und bei Paris-Nizza, Gesamtsieger der Tour de Wallonie, Europameister. „Für uns ist das besonderer Lohn für die Arbeit und die vielen Stunden in der Vergangenheit“, freut sich Verena Wastl. Sie wird am Rennwochenende die persönliche Betreuung des Stargasts übernehmen. Ihr Plus dabei: Sie spricht fließend Italienisch.
Spannend wie nie
Das Rennen in Kirchheim dürfte folglich eines werden: spannend wie nie. Mit Jonas Koch, Alexander Krieger und Kim Heiduk stehen drei der klangvollsten Namen im deutschen Radsport auf der Startliste. Alle drei sind endschnelle Typen und alle drei stammen aus dem Ländle. Für Heiduk ist Kirchheim überdies kein unbekanntes Pflaster. Der 25-Jährige aus Herrenberg war bei der Premiere vor drei Jahren schon einmal dabei. Bei Steimles Auftaktsieg wurde er hinter dem Tübinger Marius Mayrhofer Dritter.
Für Jannik Steimle ist sein Verhandlungserfolg gleichzeitig Verpflichtung. Sofern sich der eine oder andere Mitstreiter aus dem Profilager finden lasse, werde er starten – ansonsten nicht, hatte Steimle angekündigt. Ein einziger Unsicherheitsfaktor bleibt: Ehefrau Lara ist hochschwanger und der Geburtstermin rückt näher. Deshalb wird Nizzolo auch im Hotel in Kirchheim und nicht bei Steimles zu Hause in Schorndorf absteigen. „Dass er mitten in der Nacht womöglich mit ins Krankenhaus muss, will ich ihm ersparen“, meint Steimle. Als Konkurrenten sieht der Weilheimer seinen Teamkollegen übrigens nicht: „Sollten wir beide gemeinsam auf die letzte Runde gehen“, sagt er, „dann fahr’ ich ihm gerne den Sprint an.“