Manuel Fumic fühlt sich zwei Wochen vor Olympia in der Außenseiterrolle wohl
Die X-Prozent Medaille

Die Arbeit ist getan, jetzt heißt es abwarten: Letzte Chance, die Form zu testen, bietet sich der Mountainbike-Elite beim morgigen Weltcupfinale in Val d‘Isére. Zwei Wochen später, am 12. August, geht es vor den Toren Londons um olympisches Edelmetall. Manuel Fumic strotzt vor seinem dritten Olympia-Start vor Selbstvertrauen.

Kirchheim. Söhnchen Hugo zahnt – der Papa zeigt Biss. Dass der Kleine prächtig gedeiht, ist mit ein Grund, weshalb Manuel Fumic mit sich und der Welt zurzeit im Reinen ist. Drei Wochen vor Olympia wirkt er aufgeräumt, locker und dennoch scharf fokussiert. Das schlägt sich auch in der Leistungskurve nieder. Das gewohnte Tief im Frühsommer blieb diesmal aus. Er ist konstant wie nie zuvor durch die Weltcupsaison gekommen. Zweiter war er schon in diesem Jahr, den ersten Sieg hatte er vor vier Wochen dicht vor Augen. Doch selbst bittere Rückschläge wie zuletzt in den USA lassen ihn heute nicht mehr an seinem Weg zweifeln. Bis ihm in den Hügeln von Windham ein platter Reifen den Traum vom ersten Weltcup-Triumph zerstörte, hatte er sich federleicht durch den technisch schwierigen Parcours geschwungen – elegant, spielerisch und vor allem: verdammt schnell. „Das war kein Rückfall in alte Zeiten“, sagt Fumic. „Das war einfach Pech.“ Tatsächlich hatte an diesem Tag auf der unübersichtlichen Strecke die halbe Welt-Elite mit Reifendefekten zu kämpfen.

Der Kurs in Hadleigh Farm, 50 Kilometer östlich von London, gilt zwar ebenfalls als technisch schwierig, doch mit einer klaren Fahrlinie und daher eher materialschonend. Drei Tage vor Rennbeginn dürfen die Fahrer erstmals zum Training auf die Strecke. Für Manuel Fumic beginnt das Abenteuer Olympia am Montag in einer Woche. Mit seinen dritten Spielen ist er eigentlich schon ein alter Hase. Doch Olympia lässt keinen kalt. „Das Kribbeln“, sagt er, „wird da sein, wenn ich am 6. August ins Flugzeug steige.“

Heute geht die Reise allerdings zunächst in die Savoyer Alpen. Im französischen Val d‘Isére findet morgen die Weltcupsaison mit dem siebten Rennen ihren Abschluss. Für alle geht es dabei nochmals um Weltranglistenpunkte. Für die meisten jedoch darum, sich vor London Respekt zu verschaffen und das nötige Selbstvertrauen zu tanken. Verstecken wird sich hier keiner. Auch Manuel Fumic nicht, der als Elfter der Gesamtwertung sein Saisonziel nach den beiden Übersee-Rennen aus den Augen verloren hat.

Der Druck ist weg. Den haben dafür andere: Der Schweizer Nino Schurter etwa, der sich hinter dem Tschechen Jaroslav Kulhavy noch Chancen auf den Weltcup-Gesamtsieg ausrechnet, oder Olympiasieger Julien Absalon aus Frankreich. Beide gelten auch in London als die heißesten Anwärter auf olympisches Gold. Dahinter ist alles offen. „Ich zähle nicht zu den Topfavoriten“, sagt Manuel Fumic, „aber ich bräuchte nicht nach London zu fahren, wenn ich nicht an meine Medaillenchance glauben würde.“

Eigentlich wäre er am liebsten erst zur Wochenmitte angereist, doch der DOSB hat den Akkreditierungstermin am Montag zur Pflicht erklärt. Damit bleibt Zeit für eine Nacht im olympischen Dorf, bevor es hinausgeht ins beschauliche Hadleigh Farm, einem 220 Hektar großen Naherholungsgebiet im Hinterland der Küste. Die Woche nach dem Weltcupfinale in Val d‘Isére bis zur Abreise dient der Kompensation. Keine intensiven Trainingseinheiten mehr, die Beine baumeln lassen.

Für Manuel Fumic vielleicht die Gelegenheit, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Er fühlt sich noch nicht am Ende seines Reifeprozesses. „Ich bin kein Oldie, ich fühle mich stärker als jemals zuvor“, sagt er. Vier Jahre, so lange möchte er auf jeden Fall weitermachen. Das Ziel heißt Rio 2016, danach soll Schluss sein. Es wären seine vierten Olympischen Spiele am Ende einer 15-jährigen Profikarriere. Das hat in der aktuellen Weltspitze bisher nur der Spanier Hermida geschafft. Das Beste kommt noch, zumindest wenn es nach Manuel Fumic geht. „Ich will nicht als der in Erinnerung bleiben, der immer nah dran war.“

Die neue Rolle, in der er seit Jahresbeginn steckt, weitet den Blick. Wenn er heute von den Rennen nach Hause kommt, freut er sich auf die Familie und über die rapide Entwicklung seines sechs Monate alten Sohnes. „Das alles gibt mir viel Energie“, meint der 30-Jährige, der sich mit Ehefrau Anna bereits Gedanken über weiteren Nachwuchs macht. Seit Monaten läuft die Suche nach einem Haus mit Garten. Die Rückkehr aus dem vierten Stock der Stadtwohnung im Stuttgarter Westen nach Kirchheim ist beschlossene Sache. Dem Leistungssport will er 2016 Lebewohl sagen, nicht aber seiner Freude am Radsport. Er könnte sich vorstellen, seine Erfahrung in die Entwicklung neuer Produkte einzubringen oder als Berater in der Industrie tätig zu sein. „Das alles ist Zukunftsmusik“, sagt Manuel Fumic. Die Gegenwart ist Olympia 2012 in London. Von dort kehrt er am 13. August heim. Am liebsten mit einer Medaille.