Ganze vier Spieltage waren im Herbst 2020 durch, als Ende Oktober der Vorhang fiel. Gut ein Jahr später erlebt der Handballsport in Württemberg, was nach Beginn der Impfungen im Januar fast niemand für möglich gehalten hat: Im HVW fragt sich kaum noch jemand, ob die Saison wegen Corona vorzeitig endet, sondern allenfalls, wann. Durchhalten bis zur Rückrunde – so ließe sich das Ziel von Verbandsfunktionären beschreiben, auch wenn das so deutlich niemand formuliert.
erst im Januar.
Erst wenn alle Mannschaften die Hälfte ihrer Saisonspiele bestritten haben, ließe sich die Runde sportlich sauber beenden und mithilfe der Quotientenregel alle Auf- und Absteiger ermitteln. So sehen es die Statuten des Deutschen Handballbundes (DHB) vor.
Doch davon ist man zurzeit noch weit entfernt. Auch deshalb, weil der Handballsport gleich zwei Probleme an der Backe hat: Zu Saisonbeginn fielen Spiele reihenweise wegen Schiedsrichtermangel aus. Inzwischen gibt es wieder ausreichend Unparteiische. Allerdings nur deshalb, weil immer mehr Corona-Fälle die Zahl der Begegnungen Woche für Woche schrumpfen lässt. Am vergangenen Wochenende fielen auf Verbandsebene 15 Spiele ins Wasser. Im Bezirk Esslingen-Teck waren es immerhin zehn, im Nachbarbezirk Stauferland, der ans Hochinzidenzgebiet der Ostalb grenzt, sage und schreibe 22.
„Der einzige Unterschied zum Vorjahr ist, dass wir mit 2 G auch in der Alarmstufe weiterspielen können“, sagt Michael Roll, der Leiter Spieltechnik im HVW. Wie lange, weiß freilich auch er nicht. „Safe sind wir vermutlich erst im Januar“, meint Roll. „Safe“, das heißt: bereit für die Quotientenregel. Am 4. Dezember trifft sich das Verbandspräsidium zu seiner nächsten Sitzung. Danach soll feststehen, wie weiter vorgegangen wird. Die Hinrunde endet in den meisten Ligen offiziell am Wochenende vor Weihnachten. Dass bis dahin keine Nachholspiele mehr ausstehen, gilt allerdings als unwahrscheinlich.
In der Verbandsliga sind seit dem Wochenende neun von 24 Spieltagen bestritten. Doch längst nicht alle Teams haben das volle Pensum erreicht. Mit am härtesten traf es den VfL Kirchheim in der Staffel 2 mit drei Spielabsagen in kurzer Folge. Zweimal wegen positiver Corona-Fälle beim Gegner, einmal fehlten die Schiedsrichter. Alle Spiele, die abgesagt wurden, müssen unter der Woche nachgeholt werden. So schreibt es der Verband vor. Im Falle der verlegten Partie in Denkendorf ist das bereits geschehen. Die Spiele auswärts gegen die SG Hegensberg-Liebersbronn und daheim gegen das Tabellenschlusslicht SC Vöhringen sollen in den ersten beiden Dezemberwochen ausgetragen werden.
Hamann hört im April auf
Auch bei Uwe Hamann, dem Abteilungsleiter der VfL-Handballer, ist die Hoffnung auf ein reguläres Saisonende – es wäre das erste seit dem Aufstieg in die Verbandsliga – längst geschwunden. Gerade eben hat ihn die Nachricht von neuen Corona-Fällen an einer Kirchheimer Schule erreicht, mit der der Verein im Ganztagesbetrieb kooperiert. Jetzt ist er am Überlegen, das Angebot vorerst ganz auf Eis zu legen. „Es wird nicht einfacher“, sagt Hamann mit einer Spur Resignation in der Stimme. Die Verbandsligamannschaft des VfL ist bereits seit Sommer vollständig geimpft. Von anderen Vereinen weiß er, dass immer mehr Spieler wegen des Ansteckungsrisikos nicht mehr ins Training kommen.
Eine Situation, die an den Herbst vor einem Jahr erinnert. „Wenn wir das alles noch mal erleben, werden wir weitere Mitglieder verlieren“, fürchtet er. Um eine Zukunft zu haben, brauchen Vereine neue Ansätze, Modelle, Ideen. Im Gegenzug schwindet fast überall die Bereitschaft zum dafür nötigen Engagement. „Wenn wir ein Ostercamp für 80 Kinder veranstalten“, sagt Hamann, „dann organisiere ich und meine Frau kocht.“ Damit soll allerdings bald Schluss sein. Nach rund einem Jahrzehnt an der Spitze der Handballabteilung will er das Amt Ende April abgeben. Ein Nachfolger wird noch gesucht.
Instrument zur Auf- und Abstiegsregelung
Die Quotientenregel dient als Notinstrument, wenn eine Saison nicht wie geplant ausgespielt werden kann. Sie dient der Berechnung des abschließenden Tabellenstandes, der in den jeweiligen Spielklassen über Auf- und Abstieg entscheidet. Sie gilt bundesweit auch in anderen Sportarten, sofern die Hälfte aller Spiele bestritten ist. Die Regel ist simpel: Bei einem Saisonabbruch wird die Summe der erzielten Punkte einer Mannschaft durch die Anzahl der bestrittenen Spiele geteilt, mit dem Faktor 100 multipliziert und auf eine Stelle nach dem Komma gerundet.
Im HVW fand die Quotientenregel zum ersten Mal im April 2020 während der ersten Corona-Welle Anwendung. Im vergangenen Herbst musste die Saison bereits Ende Oktober nach nur vier Spieltagen wegen drastisch steigender Infektionszahlen abgebrochen werden. Die Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Februar erfüllten sich nicht. bk