Kirchheim. Neid empfinden sie nicht gegenüber dem Nachbarn, vielmehr ist es aufrichtige Bewunderung, die das Freundbild prägt. Dass der TTC Frickenhausen, einziger Profi-Club unter den 68 Vereinen im Tischtennisbezirk Esslingen, Strahlkraft bis unter die Teck hat und außerdem allen regelmäßig die Schau stiehlt, ist für die Verantwortlichen des Verbandsklassisten VfL Kirchheim zu verkraften. „Der TTC mit Präsident Rolf Wohlhaupter-Herrmann hat sich den Aufstieg in die Bundesliga ja auch redlich verdient“, zollt VfL-Abteilungsleiter Axel Schorradt (49) Beifall für über Jahrzehnte gewachsene Profi-Strukturen im Täle, „ich ziehe vor denen meinen Hut.“ Wohlhaupter-Herrmann und Schorradt schätzen sich – beides sind Nürtinger. Und man profitiert voneinander. Im Sommer ließ der TTC das Nachwuchstalent Michael Klyeisen (17) zum VfL ziehen, umgekehrt feuern VfL-Spieler bei Heimspielen schon mal die TTC-Stars an.
Die Chemie stimmt zwischen den zwei ungleichen Tischtennis-Brüdern in der Region: Hier der David von der Teck, der mit 8 000 Euro Saisonetat und einem Trainingslager im Kleinen Walsertal auskommt, dort der Goliath aus dem Täle, der etat-technisch 44-fach überlegen ist und sich mit Ex-Nationalspieler Torben Wosik und dem polnischen Internationalen Jakub Kosowski zwei Weltranglisten-Top-100-Leute für den Zweitliga-Durchmarsch leistet. Die Unterschiede sind riesig, das Verständnis ist da.
Während sie beim TTC Frickenhausen fast alles auf die Karte Profi-Mannschaft setzen, kommen sie in Kirchheim bei der Finanzdiskussion mit der klassischen Denkweise daher: Es ist das Gießkannenprinzip, das Schorradt, Herr über knapp 90 Mitglieder, propagiert. „In einer kleinen Abteilung muss auch eine sechste Mannschaft zum Zuge kommen“, sagt er. Würde er das finanzielle Gleichheitsgebot außer Acht lassen und die ranghöchste VfL-Mannschaft signifikant bevorzugen, drohte intern womöglich die Palastrevolution – das Aufmucken der Spieler (und Beitragszahler) aus den hinteren Reihen. Man kennt‘s von anderen Clubs.
Und doch: Ganz glücklich sind sie in der VfL-Tischtennisabteilung nicht über die aktuelle Situation, auch wenn sowohl monetär („wir haben zwei Sponsoren und schreiben immer schwarze Zahlen“) und sportlich („die Chance auf den Wiederaufstieg in die Verbandsliga ist weiter vorhanden“) alles im grünen Bereich ist. Trotzdem hätten sie‘s mittelfristig gerne eine Nummer größer: Sie wollen expandieren. „Pläne, die Abteilung weiter wachsen zu lassen“, sagt Schorradt, „haben wir in der Schublade. Der Aufbau einer Hobbygruppe und ein Zuwachs an Jugendlichen wären erstrebenswert.“ Es ist ein frommer Wunsch, denn an Nachfragen fehlt‘s zwar nicht, aber an geeigneten Räumlichkeiten.
Das alte Problem in Kirchheim: Die derzeitig vorhandenen elf Hallen reichen für die Trainingserfordernisse der Sportvereine und Abteilungen in dreistelliger Zahl nicht aus. Zwei Mal die Woche, Dienstagabend und Donnerstagabend bis 22 Uhr, hält die VfL-Tischtennisabteilung in der LUG-Halle ihr Training ab, „doch besonders am Dienstag ist die Trainingssituation katastrophal“, wie Schorradt berichtet. Bis zu 30 Jugendliche drängen sich ab halb sieben an zehn Platten und üben anstatt Schmetterbälle und Spin das kontrollierte Umkurven des Tisches mit Schlagbewegung – den Kindersport Rundlauf. Nebenan üben derweil zwei Volleygruppen, die auch auf ihr Recht beharren – ergo muss die LUG-Halle gedrittelt werden. „Ein gezieltes Einzeltraining für unseren Nachwuchs ist da unmöglich“, klagt Schorradt, der sechs Bezahlkräfte unter seinen Trainern hat: 3 000 Euro kostet das pro Jahr.
Der Frust über den Trainings-Notstand, der auch die erste Mannschaft fast allwöchentlich trifft, ist jedenfalls groß – so tief, dass sie beim Stadtverband für Leibesübungen vor einem Dreivierteljahr schriftlich um Nachbesserung baten. Mehr LUG-Fläche zum Üben gab es seither nicht, doch wie sollte es auch anders sein. Noch ist die neue Rauner-Sporthalle, die den überbordenden Kirchheimer Übungsbetrieb entzerren wird, nicht komplett fertiggestellt.
Schorradt, überzeugt davon, dass „Tischtennis ein schlafender Riese“ sei, sieht in seiner Abteilung nur dann Wachstumspotenzial, wenn verbesserte Trainingsmöglichkeiten vorhanden sind. „Mit zwei Dritteln LUG-Halle anstatt einem“, sagt er, „wäre für uns schon viel erreicht.“ Mehr Übungsfläche, mehr Mitglieder – die Rechnung ist einfach. Und vielleicht könnte man so die Kluft zum „großen“ TTC Frickenhausen ja ein wenig verkleinern.