Spielerisch überzeugend war diese Begegnung über weite Strecken nicht. Zu viele Turnover, zu viele individuelle Fehler. Was Kirchheims Basketballern in dieser Saison einen Sonderstatus beschert: Die Knights gewinnen auch solche Spiele wie am Samstag gegen Nürnberg. Schlicht deshalb, weil sie es am Ende mehr wollen als der Gegner und sei es nur in den letzten Minuten und Sekunden einer Partie. Nichts und niemand, so scheint es im Moment, kann die Korbjäger aus der Teckstadt von ihrem Anfang Februar eingeschlagenen Weg abbringen. Acht Siege in Folge – eine Serie, die ganz nebenbei einzigartig ist. In 16 Jahren Ligazugehörigkeit ist dieses Kunststück
noch keiner Kirchheimer Mannschaft bisher gelungen. Auch nicht in der Saison 2011/2012 – der bis dato erfolgreichsten der Vereinsgeschichte. Damals landeten die Ritter unter der Regie von Frenki Ignjatovic nach 18 Saisonsiegen und 30 Spieltagen – vier weniger als heute – auf Platz zwei in der Tabelle. Bei den damals zum ersten Mal ausgetragenen Playoffs war erst in einem engen Finale gegen den MBC Schluss.
Jetzt haben die Knights wieder 18 Siege auf dem Konto, dabei stehen noch ganze sieben Spieltage im Kalender. Da stellt sich längst die Frage: Reicht die Substanz? Bisher geht Igor Perovics Rechnung auf. Selbst nach dem Verlust von Kayne Henry – seinem taktisch vielleicht wertvollsten weil vielseitigsten Spieler – ist ausreichend Energie, um Spiele wie am Samstag in der Crunchtime zu gewinnen. Ein Spiel wohlgemerkt, das vom Start weg ein enorm hohes Tempo bot und daher viel Kraft kostete. Doch den Knights gelingt es Woche für Woche, nominelle Nachteile durch Wille und Kampfgeist mehr als wettzumachen. Die Nürnberger, die am Samstag Mitte des Schlussviertels zurückschlugen, erneut in Führung gingen und das Momentum eigentlich auf ihrer Seite hatten, zeigten sich wie viele Gegner zuvor beeindruckt.
Die Kirchheimer Mannschaft ist körperlich topfit, das ist das eine. Spielmacher Michael Flowers, der jede Woche deutlich mehr als 30 Minuten auf dem Parkett verbringt, hat ebenso regelmäßig ausreichend Reserven, um Spiele in den Schlussminuten notfalls auch im Alleingang entscheiden zu können. Doch Physis alleine macht nicht den Unterschied aus. Headcoach Igor Perovic spricht von der mental stärksten Mannschaft, die er seit langem trainiert habe. Und Perovic weiß ganz genau, wann er sich selbst aus dem Spiel nehmen muss, will er Emotionen in die richtige Richtung lenken. Ein Beispiel: Am Samstag gerieten Nick Muszynski und sein Coach kurz aneinander, nachdem Kirchheims Center erst einen Wurfversuch des Gegners spektakulär geblockt und sich gleich anschließend ein dummes Foul geleistet hatte. Muszynski, seit Wochen einer der Erfolgsgaranten im Team, verteidigte sich lautstark in Richtung seines Chefs. Perovic drehte daraufhin wortlos ab und blieb auch im Folgeangriff stoisch an der Seitenlinie, als sich Muszynski den nächsten Patzer leistete. Am Ende war der Amerikaner mit 21 Punkten und zehn Rebounds erfolgreichster Kirchheimer und wieder einmal der emotionale Leader. „Nick bringt die Energie mit, die wir brauchen“, sagt Perovic über den 25-Jährigen. „Er ist es, der auf dem Spielfeld kämpfen muss, nicht ich.“ Dafür vertrauen sie ihrem Boss und dafür wird er von allen respektiert. In anderen Worten: Autorität ist dort, wo man mitunter auch auf sie verzichten kann.
Ein Vertrauen, das gegenseitig ist. „Wenn wir keine weiteren Verletzungen erleben und keine geheimnisvollen Dinge geschehen,“ sagt Perovic angesichts zehn Punkten Vorsprung auf Platz neun bei noch sieben ausstehenden Spielen, „dann wird die Saison in die Verlängerung gehen“. Es wäre die zweite Play-off-Teilnahme im vierten Trainerjahr des 50-jährigen Serben. Am Samstag warten die Eisbären aus Bremerhaven, danach empfangen die Knights den BBL-Absteiger aus Bayreuth. Beides Teams in Lauerstellung, die ihrerseits die Hoffnungen auf die Finalrunde längst noch nicht begraben haben.