Perspektivwechsel
Ein Ex-MTB-Profi steigt auf die Bremse

Marc Gölz testet für die Dekra hydraulische Bremssysteme des Uracher Herstellers Magura. Der ehemalige Weltcup-Mountainbiker aus Weilheim ist ein gefragter Experte.

Florian von Glasner (links) und Marc Gölz im Auslauf der Alten Oberlenninger Steige. Dreimal bretterten die beiden Radexperten von der Alb ins Tal und testeten unter Volllast die Bremsen. Fotos: Johannes Aigner

Die Alte Oberlenninger Steige kennt Marc Gölz in- und auswendig. „Ich bin sie öfter hoch- als runtergefahren“, sagt der ehemalige Radprofi, der Anfang der 2000er-Jahre im magentafarbenen Trikot des Teams T-Mobile Mountainbike unterwegs war. Heute geht’s auf der Steige leger in Jeans ohne große Anstrengung gleich mehrfach abwärts. „Long John“ statt MTB. Bremsentest statt Vollgas. In Aktion ist der 47-jährige Weilheimer als erfahrener Radfahrer für die Dekra.

Für den Praxistest hat das Prüf-Team aus Stuttgart zwei Lastenräder mitgebracht. Eins mit herkömmlichen hydraulischen Scheibenbremsen und eins mit einem neuen System hydraulischer Scheibenbremsen, das die Firma Magura aus Bad Urach entwickelt hat. Bei dem Integral Braking System (IBS) verteilt sich beim Zug am rechten Bremshebel die Bremswirkung auf Vorder- und Hinterrad. Viele Radfahrer nutzen die vordere Bremse kaum, weil sie Angst vor einem Überschlag oder dem Wegrutschen des Vorderrades hätten, erläutert Marc Gölz. Hier käme das IBS ins Spiel. Damit die Testfahrer nicht sehen, welches Lastenrad mit welchem Bremssystem ausgestattet ist, ist der Rahmen im Bereich der Pedale ähnlich wie bei einem Erlkönig abgeklebt.

„Will ich kaufen?“, fragt Florian von Glasner, neben Marc Gölz der zweite Testfahrer, bevor er sich auf der Albhochfläche in den Sattel eines der beiden Räder schwingt. Er solle darauf achten, ob er sich beim Bremsen gut fühle oder ob das Rad eher instabil sei, erklärt Ralf Blum, Fachbereichsleiter bei der Dekra. Bevor es auf der Steige das erste Mal „zum Warmwerden“ ins Tal hinuntergeht, werden in die Transportbox Sandsäcke gepackt. Die Fahrer müssen so vor den Kehren rund 185 Kilo herunterbremsen. „Wir sind ergebnisoffen und wollen wissen, was die Profis für Eindrücke haben“, so Blum. „Denkt an die Traktoren. Safety first“, gibt er ihnen mit auf den Weg.

Viele heraufschnaufende Hobbyradler und einige Schlepper später kommt der Tross wieder oben an. Das Ergebnis ist eindeutig: Florian von Glasner, der in seiner Freizeit viel mit einem Lastenrad unterwegs ist und der auf der Steige das Rad mit dem modernen Bremssystem hatte, ist angetan vom Handling: „Es fühlte sich gleich gut an, ich musste mich nicht rantasten.“

Marc Gölz hatte es mit seinem herkömmlich ausgestatteten Lastenrad ebenfalls laufen lassen und vor den Kehren 60, 65 km/h auf dem Tacho. „Das Rad schiebt ziemlich“, stellt er fest. Wie er das vom Mountainbike gewohnt sei, „beiße“ die Bremse. Das Urteil des Experten ist nicht zum ersten Mal gefragt: Bereits im vergangenen Jahr hatte er für die ZDF-Sendung WISO Lastenräder hinsichtlich ihrer Sicherheit für Fahrer und Insassen getestet.

Dreimal geht es mit den E-Lastenrädern wechselweise über die Alte Steige hinab bis zur Oberlenninger Turnhalle. Auf einem Fragebogen halten die beiden Testfahrer ihre Eindrücke fest, die sie von den Bremsen gewonnen haben. Punkte wie Sicherheit und Kontrolle, Fahrverhalten, Verbesserungswünsche und das persönliche Fazit werden darin abgehandelt. Florian von Glasner und Marc Gölz sind sich einig: Die neue Bremse sei nicht nur in der Bedienung einfacher, sondern verzögere auch besser und mache das Fahren sicherer – perfekt für die Zielgruppe der Gelegenheitsfahrer.

Die Testfahrten auf der Oberlenninger Steige waren der dritte Teil eines aufwendigen Verfahrens. In einem ersten Schritt hatte die Dekra die Fahrräder auf einem Prüfstand eingespannt. Mit reproduzierbarer Kraft wurde an den Bremshebeln gezogen. Im zweiten Schritt wurden die Lastenräder auf der Ebene von Laien gefahren. „Heute wollten wir wissen, ob sich die Laborwerte auch bei starkem Gefälle und unter hoher Belastung bestätigen“, sagt Ralf Blum. Im Anschluss gehe es ans Auswerten sämtlicher Daten und Fakten. Magura wolle eine unabhängige Prüfung. Am Ende bekommt das Bad Uracher Unternehmen von der Dekra eine gutachterliche Stellungnahme.

Marc Gölz hatte sichtlich Spaß an dem entspannten Fahren. Auch wenn er die Profi-Karriere längst an den Nagel gehängt hat: Die Kontakte zu Radcracks pflegt der 47-Jährige nach wie vor. Tags zuvor war er in Köln, um mit Joey Kelly, der mit einer achtköpfigen Gruppe samt Influencern demnächst beim Race Across America startet, ein Video zu drehen. Und Marc Gölz sucht selbst weiter die Herausforderung: Im September will er beim Bikepacking-Abenteuer „Alb-Packa“ der Alpin- und Radsportabteilung des TV Bissingen starten. In drei Tagen müssen dabei 480 Kilometer und 7500 Höhenmeter zurückgelegt werden.