Die Spielklassen- und Strukturreform im Württembergischen Fußballverband (WFV) ist beschlossene Sache: Mit einer deutlichen Mehrheit von 79,2 Prozent der abgegebenen Stimmen haben sich die Delegierten im Rahmen des außerordentlichen Verbandstags sowohl für eine Änderung der Spielklassenstruktur als auch der Verbandsstruktur ausgesprochen. In einer geheimen Abstimmung gaben 286 Stimmberechtigte ihr Votum ab und übertrafen mit 226 Ja-Stimmen bei 59 Nein-Stimmen die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Satzungsänderung deutlich.
Doch was bedeutet das? Ab 2024 gibt es demnach nur noch zwölf statt bisher 16 Bezirksligen und Bezirke im WFV. Die neue Verbandsstruktur wirkt sich dabei insbesondere in fünf Regionen Württembergs aus: Die Klubs aus dem Bereich Böblingen bilden künftig ein neues Spielgebiet zusammen mit dem bisherigen Bezirk Stuttgart. Die Vereine im westlichen Teil des bisherigen Bezirks Böblingen/Calw hingegen werden gemeinsam mit den Teilnehmern des Bezirks Nördlicher Schwarzwald spielen. Zusammengeworfen werden zudem die bisherigen Bezirke Hohenlohe (Nord-West) und Unterland, Hohenlohe (Süd-Ost) und Rems/Murr, Schwarzwald und Zollern sowie der Raum Donau/Iller und der nördliche Teil der Donau-Region. Der restliche Teil des Donau-Kreises wird gemeinsam mit dem bisherigen Bezirk Riß zu einem neuen Spielgebiet.
Alles beim Alten bleibt dagegen in den Bezirken Neckar/Fils, Alb, Bodensee, Enz/Murr und Ostwürttemberg. „Die Region Neckar/Fils ist nahezu perfekt von der Struktur her – sozusagen unser Vorzeigebezirk. Hier bedarf es keiner Anpassung“, sagt WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister.
Als Hauptgründe für die strukturellen Veränderungen führt der WFV sowohl die unterschiedliche Größe einzelner Bezirke wie auch die stark abnehmende Zahl an Mannschaften im Spielbetrieb an. Gerade in den ländlichen Gebieten ist laut WFV eine abnehmende Tendenz bei den Mannschaftszahlen und gleichzeitig eine starke Zunahme an Spielgemeinschaften festzustellen. Es zeichne sich deshalb ab, dass ein flächendeckender, pyramidal aufgebauter Spielbetrieb in den bisherigen Strukturen langfristig nicht mehr organisiert werden kann, so heißt es.
Den Gerüchten, dass auch ein möglicher Schiedsrichtermangel durch die Neustrukturierung kaschiert werden soll, schiebt WFV-Sprecher Baumeister derweil energisch einen Riegel vor: „Wir sind, was die Schiedsrichtersituation betrifft, in Württemberg vergleichsweise sehr gut aufgestellt – gerade die Gruppe Nürtingen sticht hier mit sehr positivem Beispiel heraus.“ Auch die Spekulationen, dass in der Landesliga übernächstes Jahr womöglich die Linienrichter wegfallen könnten, verneint Baumeister klar: „Das ist kein Thema.“
Gegenwind von betroffenen Vereinen hat der Verband nach eigener Auskunft bis jetzt nicht zu spüren bekommen. „Aber vielleicht passiert das ja noch, weil die Vereine bis zuletzt mit dem Saisonende beschäftigt waren“, meint Baumeister. Kritik erwartet er vor allem aus den Bezirken Zollern und Hohenlohe, die von der Reform besonders stark betroffen sind.
Bedenklicher Trend auch hier
Wenngleich die Vereine aus der Region Neckar/Fils von der Neugestaltung verschont bleiben, stellen auch hier die Verantwortlichen eine bedenkliche Entwicklung im Amateurfußball fest. „Wir merken es ja auch bei uns, dass zweite Mannschaften sich abmelden oder in eine Spielgemeinschaft gehen“, stellt Marc Butenuth, der Abteilungsleiter des VfL Kirchheim, fest. „Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass in den unteren Ligen die Fahrtwege immer länger werden, frage ich mich, wer diesen Aufwand noch betreiben will.“ Hinzu komme die ebenfalls sinkende Zahl an Nachwuchskickern. Butenuth: „Ich bin überzeugt, dass das langfristig auch Auswirkungen auf den Aktivenfußball hat.“
Ähnlich sieht es auch Cosimo Attorre, Spielertrainer des AC Catania Kirchheim: „Viele Vereine haben keinen eigenen Nachwuchs mehr und müssen gleichzeitig steigende Kosten kompensieren, weil selbst in den unteren Ligen mittlerweile einiges an Geld fließt“, meint er. „Diese zwei Aufgaben können einige Klubs nicht mehr stemmen.“
Einen Einblick in den Bezirk Stuttgart, der von der Reform betroffen ist, hat der neue Jesinger Chefcoach Matteo Casisa, der aktuell noch in Doppelfunktion als Jugendkoordinator und Trainer der zweiten Mannschaft bei der TSVgg Plattenhardt im Einsatz ist. „Ich bezweifle, dass die Qualität dadurch besser wird“, sagt er. „Ganz davon abgesehen ist es sportlich auch nicht ganz fair. Unsere A-Jugend beispielsweise rutscht nun von der Bezirks- in die Leistungsstaffel ab, während die oberen Teams in die neu gegründete Regionenstaffel kommen.“
Verschärfter Abstieg 2023
Mit der Umstellung von derzeit 16 auf zukünftig zwölf Bezirksligen soll ein pyramidaler Aufbau des Spielsystems (eine Bezirksliga, zwei bis drei Kreisligen A, darunter jeweils zwei bis drei Kreisligen B) erreicht werden. In den beiden kommenden Spielzeiten 2022/23 und 2023/24 werden mit einem verstärkten Abstieg die Staffelgrößen zudem schrittweise reduziert. Die endgültige Umstellung erfolgt dann zur Spielzeit 2024/25 mit der dann neuen Struktur 1-4-12 (eine Verbandsliga, vier Landesligen und zwölf Bezirksligen).
Der verschärfte Abstieg bezieht sich dann in erster Linie auf die Regionen, die neu strukturiert werden. Dort müssen die Bezirksligen in den beiden kommenden Spielzeiten zunächst auf 14 und dann auf zwölf Vereine reduziert werden. „Wir stellen dadurch wichtige Weichen für die Zukunft des Amateurfußballs in Württemberg“, verkündete Matthias Schöck, Präsident des WFV. max