Kirchheim. Wer, wenn nicht er, wäre für einen Sport geeignet, der Mumm voraussetzt. Schließlich steckt bei Leon Schall der Mut schon im Namen. Wenn man nur 1,43 Meter misst und die Draufsicht im Trainingsalltag als Normalperspektive gilt, ist ein Löwenherz allemal von Vorteil. Dreimal die Woche besucht Leon Schall das Sprungtraining des VfL Waiblingen, um eines Tages nicht nur nach Zentimetern ein Großer zu werden. Der Knirps träumt von Olympia, und weil er weiß, dass der Weg dorthin ein weiter ist, versucht er, sich schon heute an Distanzen zu gewöhnen. Bis zu 50 Kilometer liegen an einem Trainingstag zwischen zu Hause und den Schwimmhallen in Waiblingen, Stuttgart oder Kornwestheim, wo der VfL abwechselnd trainiert. Das einzige Leistungszentrum im Land ist in Karlsruhe. Die Wettkampforte heißen Leipzig, Riesa oder Dresden.
Weite Wege sind der Preis, wenn man, wie die Turmspringer, im Sport zu den Exoten zählt. Das weiß auch Leons Trainer Rainer Markwirth, der seine Schützlinge aus mehreren Landkreisen rekrutiert. 35 Mädchen und Jungen betreut er zurzeit. Ganz nach oben werden es die wenigsten schaffen. Je früher der Einstieg, desto besser. Ist die Angst erst mal im Spiel, wird man sie beim Springen kaum mehr los. Fünf Jahre gilt als Mindestalter, Leon Schall hat als Siebenjähriger mit dem Training begonnen. Erst vom Ein-Meter-Brett, dann vom „Dreier“, inzwischen hat er schon die ersten Sprünge vom Fünf-Meter-Turm hinter sich. Je größer die Höhe, desto schwieriger, „weil man die Körperspannung länger halten muss“, erklärt er.
Die Ausstiegsquote ist hoch, die Anforderungen ebenso. „Wer bis zu den Aktiven dabei bleibt, braucht Durchhaltevermögen, ähnlich wie beim Turnen“, sagt Rainer Markwirth. Neue, anspruchsvollere Sprünge einzuüben, ist harte Arbeit, die Ausdauer verlangt. Schmerzhafte Landungen auf Bauch oder Po gehören dazu. Bei größeren Höhen oder besonders schwierigen Elementen dient im Training der Neopren-Anzug als Schutz. „Ich mag ihn eigentlich nicht“, sagt Leon Schall. „Weil es sich irgendwie komisch anfühlt.“ Ohne Risiko kein Fortschritt, und den hat er immer im Blick: Der eineinhalbfache Delfin-Salto vom Drei-Meter-Brett, damit will er im Sommer bei den Süddeutschen endlich den ersehnten Titel holen.
Für Manuel Halbisch ist dieser Titel fast schon reserviert. Der 14-Jährige aus Baltmannsweiler ist der Vorzeige-Athlet des VfL Waiblingen. Im Mai vergangenen Jahres wurde er in Dresden Deutscher Vizemeister seiner Altersklasse. Nicht nur für Leon, für alle in der Trainingsgruppe ist er das große Vorbild. Als Turner bringt Halbisch ideale Voraussetzungen fürs Springen mit. „Das ist ein Vorteil“, sagt sein Trainer, „aber kein Muss.“
Turnen ist auch bei den Schalls ein wichtiges Thema. Leons älterer Bruder Luca turnt beim VfL Kirchheim. Dort hat auch der Jüngere schon früh seinem Bewegungsdrang ein Ventil verschafft. Erst als sich abzeichnete, dass fürs Wettkampfturnen das Talent nicht ganz ausreicht, hat er sich entschlossen, das Fach zu wechseln. Bereut hat er es nicht. Fragt man ihn, was an seinem Sport ihm am besten gefällt, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: das Wasser. „Leon ist schon immer eine Wasserratte“, sagt seine Mutter. Ein Urlaub ohne Hotelpool, bei den Schalls klingt das wie Skiferien ohne Schnee. Fast so schlimm, wie ein Garten ohne Trampolin, für das der Elfjährige im Familienrat derzeit noch kämpft.