Kleinere Hügel können auch wehtun. Das gilt nicht nur auf den Wegen durch die belgischen Ardennen, sondern auch für den Rennkalender bei den Frühjahrsklassikern. Vor seinem Start am Sonntag beim Amstel Gold Race, dem nächsten Highlight nach der Flandern-Rundfahrt, steht für Jannik Steimle bereits am Mittwoch mit dem Schelderprijs ein Halbklassiker auf dem Programm. Da blieb zu Wochenbeginn kaum Zeit, mit einem Gläschen auf den eigenen Geburtstag anzustoßen. Nach dem Abendessen im Hotel gab es ein Stück Torte, die seine Freundin für ihn hatte anfertigen lassen – das war’s. Seit Montag ist der Weilheimer 26 Jahre alt und endgültig im Weltradsport angekommen.
Flandern-Rundfahrt, Amstel Gold Race und danach vielleicht Paris-Roubaix? Im Teamhotel im westflandrischen Tielt bleibt genügend Zeit, das erst mal sacken zu lassen. Nachhausefahren lohnt nicht, weil ein Termin den nächsten jagt. Stattdessen am Geburtstag zwei Stunden lockere Fahrt durch den Regen mit Teamkollege Kasper Asgreen. Zeit, die Flandern-Runde am Vortag noch mal durchzuspielen. Was wäre gewesen ohne Asgreens Kettenklemmer am 22 Prozent steilen Koppenberg, wo für den Vorjahressieger das Rennen auf tragische Art gelaufen war? Da habe er auch für sich im Kopf die persönliche Ziellinie gezogen, sagt Jannik Steimle.
Vielleicht schon am Mittwoch. Der Schelderprijs verläuft flach. Trotz scharfer Windkante an der niederländischen Küste ein Fall für Sprinter wie Fabio Jakobsen, der für Quick-Step die Kohlen aus dem Feuer holen soll. Danach geht es gleich weiter Richtung Maastricht, wo am Sonntag eine ganz andere Aufgabe wartet. Auf den 253 Kilometern durchs Limburger Hügelland warten beim Amstel Gold Race 33 Anstiege, die frei von Kopfsteinpflaster sind. Ähnlich wie bei der Flandern-Rundfahrt, wo am Sonntag 1,3 Millionen Zuschauer die Strecke säumten, machen auch hier die Fans das Rennen zum Volksfest. Bei Quick-Step liegt diesmal der Fokus auf Allroundern wie Andrea Bagioli oder Florian Senechal.
Für Steimle ist es erst das zweite Rennen über diese Distanz. Sechs Stunden voll konzentriert, den Teamfunk am Ohr, immer darauf achtend, ausreichend verpflegt zu sein – dazu gehört viel Erfahrung. Am Sonntag hat er die Aufgabe gemeistert wie einer, der hier jeden Pflasterstein kennt. „Ich kann mir nicht den Druck machen, jedes Rennen als Bewerbung abliefern zu müssen“, sagt Steimle, obwohl er weiß: Genau das wird es sein. Eine Woche später steht mit Paris-Roubaix das nächste legendäre Rennen im Kalender. Die „Hölle des Nordens“ lockt. Zwar zählt der Weilheimer nicht zu den schwersten Fahrern, die auf dem ruppigen und flachen Kopfsteinpflaster im Norden Frankreichs im Vorteil sind. „Aber ich weiß, dass ich im Flachen die dicke Mühle treten kann“, sagt er selbstbewusst.
Ob es dazu kommt, ist allein die Entscheidung der Sportdirektoren im Team und wird auch vom weiteren Rennplan abhängen. Steimle soll Anfang Mai die Italien-Rundfahrt bestreiten. Ganz andere Ansprüche, ganz andere Vorbereitung. Die Frage wird deshalb sein: Roubaix oder Giro? Auf dem Weg zum erhofften Zeitfahrtitel bei der DM Ende Juni könnte deshalb die einwöchige Dauphiné-Rundfahrt, die als Einstimmung auf die Tour de France gilt, als Ersatz einrücken. Das Publikum daheim ist ihm wichtig, auch wenn er das Radsport-Fieber in Belgien genießt. Die Deutschland-Tour, die am 28. August in Stuttgart endet, und die DM im Sauerland hat er bei der Teamleitung jedenfalls dick als Wunschtermin markiert. Dann ist da auch noch der 2. Juli. Da steigt die Kirchheimer Radsport-Nacht.
Schumachers Erfolg vor 15 Jahren
Der bisher letzte deutsche Sieger beim Amstel Gold Race kommt aus Nürtingen. Stefan Schumacher gewann den Klassiker 2007 als erst dritter Deutscher nach Olaf Ludwig (1992) und Erik Zabel (2000). Im selben Jahr holte der Nürtinger WM-Bronze und zwei Etappensiege bei der Tour. Es war der Höhepunkt in Schumachers Karriere, die danach unrühmlich zu Ende ging. 2008 wurde er positiv auf Cera getestet und gab später in einem Spiegel-Interview zu, jahrelang gedopt zu haben. Heute ist der inzwischen 40-Jährige im Langdistanz-Triathlon aktiv. „Er hat mir damals zu meinem Vertrag bei Quick-Step gratuliert. Wir hatten aber nie richtig Kontakt, “ sagt Jannik Steimle. „ Ich will meine eigene Geschichte schreiben.“ bk