Wenn einer schmerzlich vermisst wird, der den Job schon lange an den Nagel gehängt hat, dann funktioniert Zukunft nur bedingt. Einen wie Tim Koch hätten die Knights am Samstag in Crailsheim jedenfalls gut gebrauchen können. Koch, der seine Karriere bei den Rittern 2023 beendet hat, galt an der Freiwurflinie jahrelang als zuverlässige Konstante. Eine Erfolgsquote von annähernd 90 Prozent in seinen besten Zeiten waren als Saisonwert keine Seltenheit. In der Arena Hohenlohe versemmelten die Knights bis zur Halbzeitpause zwei Drittel ihrer Freiwürfe. In Zahlen: Zehn von 15. Am Ende war es immerhin noch fast jeder Zweite. Ergo: Bei einer zumindest durchschnittlichen Wurfquote wäre an diesem Abend vielleicht mehr drin gewesen, als ein 72:88, das am Ende auf dem Scoreboard stand.
Nun hilft der Konjunktiv im Sport selten weiter, beim Betrachten des Gesamtbilds lässt sich immerhin feststellen: Die Niederlage gegen die Offensiv-Maschine der zweiten Liga war aus Kirchheimer Perspektive ein Schritt nach vorn. Regierte in Angriffsaktionen zuletzt gegen Gießen noch Chaos, war diesmal sichtbar mehr Ordnung und Kontrolle im Spiel – bei gleichzeitig höherem Tempo. In Crailsheim stand zum ersten Mal eine Mannschaft auf dem Parkett, die dem klaren Favoriten energisch die Stirn bot. Statt des gefürchteten Orkans der Merlins, der vor einer Woche noch Bochum mit 110:84 aus der Halle gefegt hatte, blieb es diesmal bei vereinzelten Böen. Im gesamten Spiel lagen die Gäste nur einmal knapp in Führung. Immer wieder sprang der Rückstand auf zweistellig. Und trotzdem konnte bis tief im Schlussviertel niemand sicher sein: Das Ding ist durch.
Eine solche Wurfquote ist unterirdisch.
Knights-Kapitän Lucas Mayer nach dem Spiel.
Bei Knights-Spielführer Lucas Mayer, der trotz seiner sechs Ballverluste als Antreiber und Topscorer ein starkes Spiel bot, überwog danach der Frust. „Unterirdisch“, lautete Mayers Urteil zur Wurfquote der Mannschaft. „Uns fehlen im Moment Erfahrung und Abgezocktheit“. Dass Kollektivversagen an der Linie damit nur schwer zu erklären ist, weiß auch der Kapitän. Gegen Gießen hatte die Freiwurfquote noch bei 75 Prozent gelegen. „Jeder in der Mannschaft weiß, wie man einen Freiwurf verwandelt“, meint Head Coach Igor Perovic. „Im Moment hat das viel mit Verunsicherung und Nervosität zu tun“.
Immerhin: Perovic hat nach eigenen Worten ein „solides Spiel“ seiner Mannschaft erlebt. Das atmet Fortschritt. Mehr Linie, eine andere Körpersprache und Überlebenswille bis zum Schluss liegen auf der einen Seite in der Waagschale. Auch gegen Gießen hatte die Mannschaft die Kapitulation verweigert und nach einer ersten Schockhälfte den zweiten Durchgang sogar für sich entschieden. 22 Ballverluste und nur elf Assists am Samstag in Crailsheim unterstreichen andererseits das fehlende Grundmuster und gegenseitige Spielverständnis. Perovic bleibt dabei: „Die Mannschaft hat Qualität“. Philipp Russell hat bisher zumindest angedeutet, dass er in die Spielmacherrolle hineinwachsen kann. In Crailsheim war der 23-Jährige erkennbar bemüht, sein bisweilen überschäumendes Temperament unter Kontrolle zu bringen. Nico Bretzel, der Riese unterm Korb, hat mit seiner Dominanz gezeigt, dass er Wachstumshilfe leisten kann und ein „Hidden Champion“ wie Tyrel Morgan wird mit zunehmender Effizienz fast unmerklich zum entscheidenden Stabilitätsfaktor. Das obwohl – wie Perovic betont – der 24-jährige Neuzugang aufgrund seiner Rückenprobleme derzeit allenfalls bei 50 Prozent seines Leistungsvermögens stehe.
Am Freitag kommt mit Nürnberg das Überraschungsteam des ersten Spieltags in die Sporthalle Stadtmitte. Für viele Fans ist es die wahre Heimspielpremiere. Für die allermeisten in der Mannschaft eine neue Erfahrung. Nach dem klaren Auswärtserfolg in Tübingen haben sich die Franken am Samstag gegen Paderborn vor eigenem Publikum mit viel Mühe ins Ziel gerettet. In beiden Begegnungen bestimmte derselbe Mann das Geschehen: Nürnbergs Neuzugang Brandton Chatfield hat im zweiten Spiel sein zweites Double-Double aufgelegt. Bretzel oder Chatfield? Die Antwort auf die Frage, wer das Brett beherrscht, könnte am Freitag ein Faktor sein.

