Lokalsport
Es geht ums nackte Überleben

Fitnessbranche Gerade zum Jahresanfang boomen die Sport-Studios normalerweise. Doch der Lockdown hat nicht nur Neuanmeldungen verhindert, sondern auch Bestandsmitglieder gekostet. Von Sandra Langguth

Ein sonniger Tag im Lockdown, es ist ruhig in der Bohnau. Melanie Schäfer lässt einen Cappuccino aus dem Vollautomaten. „So wird die Maschine wenigstens mal benutzt“, sagt die 41-Jährige schulterzuckend. Gemeinsam mit ihrem Partner Tobias Unger hat die Fitnesstrainerin im September das Studio „2020“ eröffnet. Dass nur wenige Wochen später wieder Schluss war, hatte das Paar so nicht kommen sehen. „Wir dachten, dass wir wenigstens unter den geltenden Auflagen weitermachen können“, erzählt der ehemalige Sprinter, der nach seiner Profikarriere unter anderem beim VfB als Athletiktrainer gearbeitet und sich mit dem eigenen Studio einen Traum erfüllt hat.

Dass sich dieser nun zum Albtraum entwickeln könnte, glauben die beiden gebürtigen Wendlinger trotz aller Widrigkeiten nicht. Schließlich sind sie auch jetzt jeden Tag vor Ort, erledigen Bürokram, begleiten die Arbeiten am Anbau, geben täglich für ein bunt gemischtes Klientel Online-Kurse und betreuen zudem einige Profisportler. „Die dürfen ja trainieren“, erklärt Tobias Unger und grüßt zwei Spieler von den Kirchheim Knights, die gerade zum Krafttraining an den großen Crossfit-Tower gehen. Die gesamte Mannschaft der Zweitliga-Basketballer kommt regelmäßig, ebenso wie DFB-Schiedsrichter-Assistent Markus Sinn. Auch Olympia-Ruderer Hans Grohe hat sich schon im „2020“ fit gehalten, dazu noch einige Spieler des VfB.

Gut angenommen werden auch die Team-Meetings via Zoom. „So trainieren wir mit den Lenninger Handball-Frauen, den Fußballern des TSV Wernau und den C-Mädchen von Frisch Auf Göppingen“, zählt Tobias Unger auf. „Für die ist das eine tolle Sache. Sie können sich als Mannschaft ja gerade nicht treffen und machen auf diesem Weg trotzdem was gemeinsam“, ergänzt Melanie Schäfer.

Trotz Corona-Lockdown herrscht also doch einiges an Betrieb in der Hans-Böckler-Straße. Natürlich lange nicht so viel, wie sich das sportliche Paar das ausgemalt hatte. Die Mitglieder, die sie in der kurzen Zeit der Öffnung gewonnen haben, halten ihnen aber bisher die Treue. „Unser größter Fan ist eine 70-Jährige. Die macht bei fast jedem Online-Kurs mit“, erzählt Melanie Schäfer begeistert. Alle Hoffnung liegt nun auf dem Monat Mai. Dann ist der komplette An- und Umbau mit Wellnessbereich, Kursräumen und Parkplätzen fertiggestellt. „Und dann ist auch Corona vorbei“, haben die beiden beschlossen.

Körperwerk weiter geöffnet

Dass der Spuk bald zu Ende geht, hofft auch Marcus Kinkelin, Geschäftsführer des Körperwerks in Kirchheim. Wobei seine Einrichtungen - neben dem Hauptsitz in der Teckstadt gibt es noch Standorte in Weilheim, Friedrichshafen und Ravensburg - trotz Corona weiterlaufen dürfen. „Der Regelbetrieb ist untersagt, aber wenn ein Kunde eine ärztliche Verordnung hat, darf er unter strengen Hygienevorschriften kommen“, erklärt der 48-Jährige den medizinischen Hintergrund des Körperwerks. Rund 50 Prozent seines Klientel gehören zu dieser Gruppe. Wirtschaftliches Arbeiten sieht allerdings anders aus. „Wir haben monatliche Kosten von insgesamt 350 000 Euro“, rechnet Kinkelin zusammen. Als Mischbetrieb mit Physiotherapie und normalem Studioangebot entfällt das Recht auf staatliche Hilfen. Hinzu kommt, dass der Januar normalerweise der stärkste Monat ist, was den Abschluss neuer Verträge angeht. Und: „Wir haben wirklich loyale Mitglieder, aber natürlich trotzdem einen erhöhten Abgang“, sagt Kinkelin. „Wir haben im Frühjahr viel Geld für eine App ausgegeben, mit der sich jeder einen Trainingszeitraum buchen konnte. Das hat super funktioniert. Manche haben sich da allerdings in ihrer Freiheit eingeschränkt gefühlt.“ Er überlegt sogar, das System auch in Zukunft weiter zu nutzen. „Ich habe vollstes Verständnis für die Maßnahmen. Ich sehe es als unsere gesellschaftliche Verantwortung an, alles dafür zu tun, die Pandemie in den Griff zu kriegen. Ich hätte die Studios als Politiker auch geschlossen“, betont der Kirchheimer, der mitten im Lockdown sogar noch einen weiteren Standort in Denkendorf eröffnet. „Das ist ganz schön spannend“, blickt der Chef von insgesamt 80 Mitarbeitern trotz allem weiter positiv in die Zukunft: „Jammern hat doch noch nie was geholfen.“

Kurzarbeit im Studio „in motion“

Nicht ganz so viel Verständnis für die Entscheidungen der Politik hat Uwe Wedekind, Inhaber und Geschäftsführer des Fitnessklubs „in motion“ in der Schöllkopfstraße. „Es wird keine Rücksicht darauf genommen, dass sich bisher eigentlich niemand in einem Studio angesteckt hat. Wir sind keine bloße Freizeit-, sondern eine Gesundheitseinrichtung. Statt dessen heißt es ‚bleib bloß daheim, sonst stirbst du‘.“ Dabei hätte das Hygienekonzept seiner Meinung nach überzeugt. „Vom ersten Tag an hatten wir unser Studio in verschiedene Bereiche eingeteilt, über eine Software konnten sich die Mitglieder für den Gerätebereich, Kurse und die Sauna einbuchen“, erläutert Wedekind, der sich und die vier Azubis im Moment mit Büroarbeiten beschäftigt. Die restlichen acht Mitarbeiter sind in Kurzarbeit.

„Die Unterstützung der Politik kommt so gut wie gar nicht an, höchstens mal eine Abschlagszahlung. Deshalb sind die Mitgliedsbeiträge derzeit auch so wichtig“, sagt Uwe Wedekind. Bei rund 900 Mitgliedern lag das Studio vor Corona. „Das baut sich aber gerade laufend ab. Wir reden hier von 15 bis 20 Prozent seit Beginn der Pandemie.“ Deshalb ist er laufend mit den Mitgliedern in Kontakt und bietet an, Beiträge später in Form von beitragsfreier Trainingszeit zurückzubekommen. „Wir hoffen, dass wir überleben.“