Auf seine Besuche in dem Sportvereinszentrum lässt Wolfgang Orth nichts kommen. Die zieht er eisern durch, und ganz offensichtlich hat der 77-Jährige auch noch Spaß dabei. „Mir tut das einfach gut“, sagt der Kirchheimer und strahlt. Seit fünf Jahren ist er zweimal wöchentlich im SVZ an den Geräten und auf dem Laufband zu finden. Sein ständiger Begleiter ist ein Büchlein, in dem er alles notiert – das Gewicht pro Übung und die Anzahl der Wiederholungen. „Bei manchen Geräten bin ich schon am Limit, da kann ich gar keine Gewichte mehr drauflegen“, erklärt Wolfgang Orth nicht ohne Stolz. Alle vier Wochen wechselt er den Trainingsplan. „In Kurse gehe ich nicht, dafür regelmäßig aufs Laufband, und ich dehne mich. Das ist wichtig gegen das Verkürzen“, sagt der zweifache Vater, der schon immer gerne Sport getrieben hat.
Erst war’s das Turnen, ehe er als Zehnjähriger zum Judo kam, die Jugendgruppe mitgegründet und dort etliche Gürtelprüfungen absolviert hat. „Dann hat es mich zur DLRG gezogen“, erinnert sich der 77-Jährige an rund zehn Jahre, in denen er als Rettungstaucher in Fils, Neckar, im Bürgersee oder Aileswasensee aktiv war. „Oft kam man, wenn es schon zu spät war“, erzählt der Kirchheimer. 1997 meldete er sich zum ersten Mal in einem Fitnessstudio an, und seither trainiert er regelmäßig. „Ich achte aber auch auf gesunde Ernährung, esse sehr viel Rohes, und ich mache zum Beispiel meinen Essig selbst.“
Dass man was tun muss, um auch im Alter fit zu bleiben, ist nichts Neues. Deshalb wird auch der Markt, der diesen Umstand bedient, stetig größer. Auf der Fibo, der Fitnessmesse in Köln, werden inzwischen jedes Jahr neue erfolgversprechende Konzepte und Geräte vorgestellt.
Der DSSV – der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen, hat bei seiner jüngsten Umfrage unter den Studiobetreibern in Deutschland zu den kommenden Trends, die die Fitnessgewohnheiten und das Gesundheitsverhalten maßgeblich prägen werden, die zehn wichtigsten Trends erfasst. Auf Platz eins hat es das Thema „Fitnessprogramm für Ältere“ geschafft. Laut DSSV ist das Potential bei der Altersgruppe ab 60 Jahren riesengroß. „Wir gehen in den kommenden Jahren von einer hohen Nachfrage in dieser Altersgruppe aus. Gemessen an der Anzahl dieser Altersgruppe in Deutschland und verstärkt noch durch den demografischen Wandel ist das Potenzial enorm“, heißt es von Seiten des Verbandes. Die ältere Zielgruppe sei für Studios aus mehreren Gründen attraktiv. Zum einen würden ältere Menschen oft über eine stabile finanzielle Situation verfügen und seien eher bereit, in ihre Gesundheit und Fitness zu investieren. Zum anderen seien sie motiviert, fit zu bleiben, um ihre Lebensqualität zu verbessern und das Risiko von altersbedingten Krankheiten zu reduzieren. Außerdem können Rentner ihren Tag frei gestalten und zu Uhrzeiten ins Studio kommen, die nicht überlaufen sind.
Das Gesellige ist wichtig
So finden sich beispielsweise im Sportvereinszentrum des VfL Kirchheim vor allem an den Vormittagen etliche Rückenfit- und Reha-Kurse im Programm. Das Studio ist daher auch in der ersten Tageshälfte bestens besucht, während die berufstätigen Mitglieder eher die Abendstunden belegen. „Wir beobachten, dass sich immer mehr Senioren aktiv fit halten wollen, und dass es auch Rentner gibt, die ganz frisch anfangen. Bei uns liegt das Durchschnittsalter bei über 50 Jahren, das älteste Mitglied ist 91. Es ist nie zu spät, aber auch nie zu früh, um mit Sport anzufangen. Neben dem Sportlichen ist aber auch das Gesellige wichtig. Viele haben feste Trainingspartner und verbringen viel Freizeit im SVZ. Deshalb ist es bei uns auch so familiär“, erklärt Moritz Hönig, Geschäftsführer des VfL Kirchheim.
Im Clever fit, eines von mehr als 500 Studios in Deutschland und Osteuropa, gibt es für Mitglieder ab 60 Jahren einen eigenen Tarif. „Das ist unser Gold-Abo für Best-Agers. Da kann man pausieren, auch wenn man mal im Urlaub oder krank ist“, erklärt Fitnesscoach Nicole Frei. „Vor allem vormittags sind viele Gold-Abonnenten da, die treffen sich dann beim Einsteiger-Zirkel und unterhalten sich beim Training.“
Im 2020 fährt Inhaberin Melanie Schäfer ein anderes Konzept. „Wir differenzieren überhaupt nicht, weder beim Alter noch beim Geschlecht. Bei uns bekommt jeder eine individuelle Betreuung und jeder kann auf seinem Niveau an allen Kursen teilnehmen. Auch gerade wenn sich jemand verletzt hat, können wir helfen. Spezielle Kurse für Ältere haben wir nicht, weil ich glaube auch nicht, dass unsere Mitglieder in einen Rentnerkurs wollen“, erklärt Melanie Schäfer. Ihre Zielgruppe sei zwar klar jünger, „aber die Älteren, die bei uns sind, werden komplett integriert und fühlen sich hier auch wohl.“
Umfrage
Jetzt kommt sie wieder, die stärkste Zeit in den Fitnesstudios, wenn viele am Jahresende Bilanz ziehen und feststellen, dass sie vielleicht doch etwas mehr Sport treiben könnten. Andere wiederum blicken auf ein äußerst bewegtes Jahr zurück. Wir haben uns unter den älteren und vor allem fleißigen Sportstudio-Besucherinnen und -Besuchern umgehört. Was treibt sie an?
Einer von diesen ist Frieder Schilling. Der Mitbegründer des Silvesterlaufes auf die Teck kann gar nicht ohne Sport sein. Am liebsten geht er sogar zweimal am Tag in sein 2020. „Ich habe als Rentner ja auch tagsüber Zeit, also kann ich meine Kurse auch morgens machen, wenn nicht so viel los ist. Meistens bin ich da der Hahn im Korb“, verrät der Kirchheimer, der gerade seinen 66. Geburtstag gefeiert hat. In seinem Studio besucht er alle Kurse, „außer was tanzmäßiges“, verrät er lachend. Gerne ist er schon eine halbe Stunde vor Kursbeginn vor Ort, um dann noch den „Five“-Rückenzirkel zu absolvieren. Selbst als er sich die Schulter gebrochen hatte, ging er weiterhin ins Studio. „Cycling konnte ich ja trotzdem machen.“ An Silvester trifft man den passionierten Taucher übrigens wieder beim Tecklauf. Den lässt er sich trotz Morbus Ledderhose, einer Bindegewebsveränderung an der Fußsohle, nicht nehmen.
Auch Marion Hagner ist regelmäßig im 2020-Studio anzutreffen. Die 70-Jährige bringt so Struktur in ihren Renten-Alltag. Zwei- bis dreimal pro Woche trifft sie sich dort mit anderen Gleichgesinnten. „Ich liebe es, in Kurse zu gehen. Danach bin ich immer fix und alle. Anschließend geht es dann noch in die Sauna. Das erhält meine Gesundheit“, ist sich die aktive Seniorin sicher. Im Sommer ist sie auch gerne auf ihrem E-Bike unterwegs. „Damit mache ich dann 800-Kilometer-Touren. Das ist für mich Urlaub“, berichtet die 70-Jährige lachend.
Marion Belvis und Gabi Moll aus Kirchheim sind seit vielen Jahren Freundinnen. Fit halten sie sich in unterschiedlichen Studios. Für Gabi geht es zwei- bis dreimal die Woche ins SVZ. „Ich gehe gerne an die Geräte und ins Cycling. Seit ich in Rente bin, mache ich das am liebsten vormittags, dann habe ich es weg“, sagt die 68-Jährige. Das Training ist gleichzeitig eine gute Gelegenheit, eine Freundin zu treffen.
Für Werner Stark gehört das „Socializing“ zu den Hauptgründen, warum er zweimal die Woche das Sportvereinszentrum des VfL besucht. Der sportliche Kirchheimer, der in Altersteilzeit seine Zeit frei gestalten kann, geht am liebsten ins Yoga, auch hin und wieder ins Langhanteltraining und besucht Cycling-Kurse. Ein Saunabesuch gehört immer dazu. Und draußen? „Ich liebe es, Holz zu hacken. Da ist man nach 20 Minuten komplett durchgeschwitzt“, sagt der 63-Jährige.