Viele Sportvereine sind als Partner der Ganztagsschule überfordert
Ganz am Anfang

Der Ganztagsbetrieb an Grundschulen soll in Zukunft zur Regel werden. Ein Teil der Hoffnungen, dass dies in der Praxis funktioniert, ruht auf den Sportvereinen. Mehr Betreuungsangebote durch Vereinstrainer an den Schulen, eine bessere Entlohnung – Vereine reagieren bisher noch mit Zurückhaltung und Skepsis.

Kirchheim. Wer den Durchblick hat, ist klar im Vorteil. Die Informationslücken sind groß, das System kompliziert, die Fördertöpfe zahlreich. Vergangene Woche gab es einen ersten Austausch zwischen Vertretern der Stadt und dem Stadtverband für Leibesübungen. Das Ergebnis: kein generelles Desinteresse, aber auch keine Euphorie. „Für uns ist es in erster Linie Arbeit“, sagt Doris Imrich, als VfL-Geschäftsführerin Herrin über 21 Abteilungen in Kirchheims größtem Sportverein. Sie begrüßt das neue Finanzierungskonzept für die Ganztagsbetreuung an Schulen und kritisiert, dass zu wenig über Inhalte geredet wird. „Damit sind wir erstmals weg von der Devise, dass alles umsonst zu sein hat.“ Die Rahmenvereinbarung, bemängelt Imrich, gebe aber nur das Budget vor, ohne zu klären, was man dafür bekommen soll. „Wir werden auf jeden Fall offen sein für Gespräche“, verspricht sie. „Die Schulen müssen jedoch auf uns zukommen und sagen, was sie konkret wollen.“

Der Ganztagsbetrieb an deutschen Schulen steckt noch in den Kinderschuhen. Die grün-rote Landesregierung hat jetzt einen wichtigen Schritt unternommen und das angepeilte Ziel einer flächendeckenden Versorgung zumindest für Grundschulen gesetzlich verankert. Für solche, die es wagen, mitzugehen, gibt es vom neuen Schuljahr an zusätzliche Lehrerstunden. Die gab es schon in früheren Modellen, doch jetzt haben Schulen erstmals die Möglichkeit, sich einen Teil der Zusatzstunden in Geld ausbezahlen zu lassen. Dadurch soll es künftig einfacher werden, ehrenamtliche Betreuungskräfte ins Boot zu holen und diese angemessen zu bezahlen. Statt sieben Euro pro Stunde aus dem Jugendbegleiterprogramm könnten fortan bis zu 25 Euro an qualifizierte Vereinstrainer fließen.

Was das Ganze bringt, wird man vermutlich erst im übernächsten Schuljahr wissen, denn für die meisten Schulen war die Politik – anders als gewohnt – diesmal zu schnell. In Kirchheim und Umgebung hat sich keine Grundschule für eine Aufnahme ins neue Programm zum Schuljahresbeginn beworben. Das hat auch andere Gründe: In Kirchheim, Lenningen und Weilheim gibt es bereits einen funktionierenden Ganztagsbetrieb, der an ältere Modelle gekoppelt ist. Kirchheim schneidet im städtischen Vergleich ohnehin gut ab, behauptet Christoph Tangl. Als Leiter der Kirchheimer Familien-Bildungsstätte organisiert er im Auftrag der Stadt die Betreuungsangebote an acht verschiedenen Schulen. Sechs davon im Stadtgebiet, zwei im Umland in Lenningen und Weilheim. 33 hauptamtliche Teilzeitkräfte stehen ihm dafür zur Verfügung. Etwa hundert Mitarbeiter sind es insgesamt. Bezahlt werden sie aus dem Jugendbegleiterprogramm und aus kommunalen Geldern.

Der Sport ist dabei deutlich unterrepräsentiert, sieht man einmal von den Basketballern ab, die an allen sechs Kirchheimer Grundschulen AG‘s anbieten. An der Alleenschule, die mit ihrer 20-jährigen Erfahrung als Pionier in Sachen Ganztagsbetrieb gilt, sind zusätzlich die Sparten Handball, Tischtennis und Judo vertreten. Viele Vereine sind schlecht informiert oder wissen nicht, wo sie ansetzen sollen. Der Bedarf ist da, die Bedeutung von Bewegung im rhythmisierten Schulalltag unstrittig. „Übungsleiter im Sportbereich würden regelrecht aufgesaugt werden“, ist Christoph Tangl überzeugt. Er sagt auch: „Wenn Sportvereine nicht an die Schulen gehen, wird es dort über den Unterricht hinaus überhaupt keine qualifizierten Bewegungsangebote geben.“ Tangl wirbt in eigener Sache, könnte sich vorstellen, künftig auch verstärkt als Mittler für Sportvereine zu agieren. Voraussetzung dafür: Es muss verlässlich sein.

Uwe Häfele, Rektor an der Alleenschule, hat bei der Umwandlung von Deputatsstunden in bares Geld auch die Kehrseite im Blick. Freie Mittel zu haben, schön und gut. „Wer auf hoch qualifiziertes Personal verzichtet, braucht dafür jedoch eine adäquate Gegenleistung.“ Wenn es um ehrenamtliche Betreuung geht, steht für ihn die Qualität im Vordergrund. Alles andere, sagt er, werde von Eltern auch nicht angenommen. Das Hauptproblem: Qualifizierte Kräfte sind zu Schulzeiten kaum greifbar. Deshalb setzt man im Ministerium verstärkt auf Schülermentoren. Vereinsfrau Doris Imrich treibt dagegen eine ganz andere Sorge um: „Wer bis am späten Nachmittag in der Schule ist“, fürchtet die VfL-Chefin, „hat abends weder Zeit noch Lust, zum Training in den Verein zu gehen.“