Lokalsport
Gnad findet in Kirchheim keine Gnade

Basketball Die Knights nutzen die Gunst der Stunde, um gegen erschreckend schwache Leverkusener angekratztes Selbstvertrauen aufzupolieren. Von Bernd Köble

Ein Spiel wie eine Beruhigungspille. Nicht dass sich in der Sporthalle Stadtmitte am Samstag Langeweile breit gemacht hätte. Ganz im Gegenteil. Dennoch wirkten beide Trainer im Schlussviertel, als hätten sie es sich im Sessel bei einem guten Glas Wein am knisternden Kaminfeuer bequem gemacht. Auch wenn wenige Minuten im Basketball reichen, um ein Spiel komplett auf links zu drehen. Weder Kirchheims Coach Igor Perovic noch sein Gegenüber Hansi Gnad rechnete in dieser Phase damit, dass hier noch jemand für Schnappatmung sorgen könnte. Die Hoffnung auf glanzvollere Zeiten ist nach dem 79:52 gegen überforderte Leverkusener zurück beim Tabellenzwölften aus der Teckstadt. Oder anders ausgedrückt: Der Vorletzte aus dem Rheinland war der richtige Gegner zur rechten Zeit.

Dabei glich die erste Viertelhälfte aus Kirchheimer Sicht einem Best-of aus Pleiten, Pech und Pannen zurückliegender Spiele: Ball am Ring, Ball am Brett, Ball im Aus. Bei bescheidenen vier von 17 Würfen aus dem Feld landete das Spielgerät dort, wo es der Schütze haben wollte. Alles wie immer bei der Mannschaft, die – rechnet man Freiwürfe hinzu – noch immer ligaweit die meisten Versuche benötigt, um zum Erfolg zu kommen?
 

„Man sollte aus diesem Spiel nicht allzu viele Schlüsse ziehen.
Chris Schmidt
Sportlicher Leiter der Knights

Diesmal nicht. Plötzlich ging die Post ab. Ballgewinne, Fastbreaks, konsequente Abschlüsse – 29:10 lautete die Bilanz im zweiten Viertel. Da spielte es auch keine Rolle mehr, dass Kirchheims Cheerleader unfreiwillig ins Pantomime-Fach wechseln mussten, weil wegen streikender Lautsprecher kurzzeitig die Musik ausfiel. Trommeln und Händeklatschen genügten. Das Publikum war da.

War das nun die Wende?  Schwer zu sagen angesichts eines Gegners, bei dem nur der kanadische Neuzugang Kadre Gray Zweitliga-Niveau erreichte. „Man sollte aus diesem Spiel nicht allzu viele Schlüsse ziehen,“ meint deshalb Kirchheims Sportdirektor Chris Schmidt. „Keiner weiß besser als wir, welche Auswirkungen es haben kann, wenn entscheidende Spieler fehlen.“ Bis auf Fischer und Koch waren die Knights diesmal annähernd komplett. Untersuchungen bei Koch verliefen zuletzt positiv. Er soll spätestens kommende Woche nach mehrwöchiger Coronapause ins Training einsteigen. Vor Weihnachten könnte also erstmals der komplette Kader zur Verfügung stehen. Schmidt glaubt dennoch nicht, dass es von da an steil bergauf gehen wird. „Im Vergleich zu den beiden Vorjahren haben wir eine deutlich unerfahrene Mannschaft,“ sagt er. „Das wird ein Prozess in Wellenbewegungen sein.“

Die erste Welle am Samstag schwappte schon mal vielversprechend durch die Halle. Dass er unterm Korb zu den Besten zählt, hat Mitch Lightfoot in der kurzen Zeit, die er hier ist, gezeigt. Am Samstag führte er erstmals den Nachweis, dass er auch aggressiv verteidigen und dennoch mit lediglich zwei Fouls auf dem Konto vom Feld gehen kann. Zudem: Die beiden Routiniers Tyrone Nash und Richie Williams sind inzwischen die verlässlichen Stabilitätsanker, die jede Mannschaft braucht. Williams setzte in wackligen Phasen vor der Halbzeitpause  die Akzente in der Defensive und fand diesmal auch Passwege in die Zone.

Einziges Manko bleibt die mangelnde Offensivgefahr, die der Grund war, dass die Knights trotz drückender Überlegenheit die 80 Punkte-Marke wieder nicht knackten. Auf Dauer lassen sich so nur schwer Spiele gewinnen. Am neunten Spieltag in der Pro A lag der Punkteschnitt aller anderen Siegerteams bei 91,5. Igor Perovic sagt klipp und klar: „Von unseren Deutschen muss offensiv mehr kommen.“ Grund zur Sorge besteht im Kirchheimer Lager nicht: Vier von fünf Niederlagen gab es gegen Mannschaften, die unter den ersten Fünf in der Tabelle zu finden sind. In eigener Halle sind die Knights weiterhin ungeschlagen. Am Sonntag in Quakenbrück bietet sich nun die Chance zum nächsten Schritt. Ein Sieg gegen die Artland Dragons, deren Serie von zuvor fünf siegreichen Spielen erst am Samstag in einem engen Kampf in Tübingen riss, und die Welt in Kirchheim wäre schwer in Ordnung.

In Leverkusen wächst der Unmut der Fans

Vom Topteam zum Abstiegskandidaten: Leverkusens tiefer Fall sorgt beim Vizemeister von 2021 und letztjährigen Halbfinalisten für wachsenden Unmut bei den Fans. Zwar plagen die Rheinländer nach wie vor Verletzungssorgen. Die Ausfälle von Top-Center Dennis Heinzmann und Spielmacher Haris Hujic wiegen schwer. Dennoch wird immer deutlicher, dass der radikale Umbruch mit zehn Wechseln im Kader in dieser Saison mächtig schief gegangen ist. Mit der Leistung am Samstag in Kirchheim dürfte es den Giants schwerfallen, die Klasse zu halten.
Einen wehmütigen Blick werden Leverkusener Fans am Wochenende in andere Hallen geworfen haben. Die beiden letztjährigen Leistungsträger JJ Mann (in Hagen) und Luis Figge (in Gießen) waren bei den jeweiligen Siegen ihrer neuen Teams die Matchwinner. Ähnliches gilt für Center Marco Bacak, der bei den Artland Dragons als zweitbester Rebounder und einer der effektivsten Spieler erfolgreich ist. bk