Kirchheim. Wo 3. Bundesliga draufsteht, ist Regionalliga drin – und künftig auch der VfL. Die Kirchheimer Männer turnen ab dieser Saison erstmals im Geltungsbereich der Deutschen Turnliga (DTL), zu der neben 1. und 2. nun auch die 3. Bundesliga Nord und Süd gehören, die ab diesem Jahr die bisherigen Regionalligen Nord und Süd ersetzen.
Bereits im Juli hatten die VfL-Verantwortlichen den vakanten Startplatz in der dritthöchsten deutschen Turnliga angenommen, nachdem mit dem TSV Heusenstamm ein etatmäßiger Drittligaclub zurückgezogen hatte. Die Kirchheimer waren als Oberligameister im vergangenen Dezember bekanntlich nur knapp im Aufstiegswettkampf an einem der drei ersten Plätze gescheitert, die zur Versetzung in die damalige Regionalliga berechtigt hätten. Als Viertplatzierter hatten sie sich immerhin den Status des ersten Nachrückers gesichert, der ihnen nun, knapp ein Dreivierteljahr später, die Tür zur DTL-Ebene öffnet.
„Das ist Höhepunkt und größte Herausforderung in einem“, beschreibt Heiko Paul, zweiter Abteilungsleiter der VfL-Turner, die Zäsur für die Kirchheimer Männer. Anders als die seit 2003 ununterbrochen in 1. oder 2. Liga turnenden Frauen, haben die männlichen Kollegen keinerlei höherklassige Erfahrung.
Dabei hatten die Teckstädter bereits seit Längerem an die Tür zur DTL geklopft, stellten sie in den vergangenen drei Jahren doch jedes Mal den Oberligameister. Das weckt(e) Begehrlichkeiten und die Lust auf mehr. Vor allem die Jüngeren in der Mannschaft zögerten keine Sekunde, als der 3. Liga-Startplatz unverhofft Thema wurde. „Der Turnausschuss war schnell der Meinung, dass wir der Mannschaft die Chance geben sollten, wenn sie sie will“, erinnert sich Heiko Paul.
Vor dem kollektiven Okay der Mannschaft musste intern jedoch erst mal nachgerechnet werden. Schließlich werden eine Liga höher nicht nur die Wege zu Auswärtswettkämpfen weiter – Kilometerspitzenreiter für die Kirchheimer sind Köln und Hannover-Vinnhorst –, sondern auch der Aufwand bei Heimwettkämpfen. Unter dem Strich kostet die Saison knapp fünfeinhalbtausend Euro, was laut Heiko Paul jedoch nicht durch Mitgliedsbeiträge gestemmt wird. „Das Männerturnen im VfL trägt sich finanziell selbst“, betont er.
Die Mannschaft kann also ganz ohne Geldsorgen in die sieben Wettkämpfe umfassende Saison starten, die für den VfL am Samstag beim Turnteam Köln beginnt. Die Rheinländer sind seit 2008 drittklassig und zählen neben der KTV Koblenz zu den großen Favoriten. Auch in Kirchheim flößen die beiden Respekt ein. „Die marschieren vornweg, da können wir nicht mithalten“, glaubt Simon Paul, einer der Leistungsträger des VfL-Teams, „aber die restlichen Mannschaften sind alle schlagbar.“
Von den insgesamt acht teilnehmenden Teams müssen zwei am Ende der Saison in der Relegation gegen die jeweiligen Oberligavertreter um den Drittligaverbleib kämpfen. Ab Platz sechs ist die Klasse gesichert – beim VfL geht man davon aus, dass dieses Ziel mit zwei gewonnenen Wettkämpfen zu erreichen ist.
Machbar scheint das beim Blick auf die Mannschaftsaufstellung der Kirchheimer allemal. Der geneigte Turnfan stolpert im positiven Sinn vor allem über die Namen Felix Pohl und Julian Hausch. Die beiden Ausnahmetalente dürfen trotz ihrer jeweils erst 15 Jahre mitturnen – normalerweise erlaubt die DTL das erst ab 16, aber mit einer Ausnahmeregelung steht einem Einsatz des im Turnforum Stuttgart trainierenden Top-Duos nichts im Wege.
Als weiterer Punktegarant gilt Marcus Bay (15), dem Beobachter eine regelrechte Leistungsexplosion in den vergangenen eineinhalb Jahren bescheinigen. Während Dominik Weber (18), Paul Kohnle (18), Marius Gebhardt (18), Simon Paul (21), Tobias Wahl (22) und Moritz Pohl (19) die Riege der jungen Wilden ergänzen, sollen Andreas Mahler (32) und Christopher Hahn (31) für die Erfahrung im Team sorgen. „Wir sind so breit aufgestellt wie noch nie“, freut sich Simon Paul über Qualität und Quantität des Kaders, der von Mathias Pohl und Simon Pauls jüngerem Bruder Daniel gecoacht wird. Diese beiden zeichnen auch für die Organisation der drei Heimwettkämpfe in der Raunersporthalle (Termine siehe Infokasten) verantwortlich.
Für einen Großteil der Kirchheimer ist dabei auch das auf DTL-Ebene gültige Wertungssystem nichts Neues, haben sie doch bereits beim Aufstiegswettkampf vergangenen Dezember und in der abgelaufenen Oberligasaison Erfahrung damit gesammelt. Das „Score System“ sieht pro Gerät zwei direkte Duelle von vier Turnern vor. Da Bewertungen erst hinterher bekannt gegeben werden, sind Trainer bei der Wahl ihrer Turner zum raschen Taktieren gezwungen. Die Punktedifferenz zwischen den Duellanten wird in „Score Points“ umgewandelt, wobei hier maximal fünf möglich sind. Wer am Ende die meisten „Score Points“ auf dem Konto hat, gewinnt den Wettkampf. „Jeder kleine Fehler wird sofort bestraft“, weiß Simon Paul um die Gefahr des Wertungssystems, „darum ist man oft besser dran, wenn man seine Übung ohne die ganz schwierigen Elemente durchturnt.“
Letzte Erkenntnisse gewann der Liganeuling dabei im Rahmen eines Testwettkampfs am vergangenen Freitag. „Wir sind richtig zufrieden mit der Vorbereitung. Stimmung und Motivation sind gut. Es kann losgehen“, sagt Simon Paul stellvertretend fürs gesamte VfL-Team.