Kamloops. Da der ehemalige VfL-Handballer auch in der Fremde nicht auf seinen Sport verzichten mochte, wollte er sich nach seiner Ankunft in Kanada fix eine Trainingsgruppe suchen. Doch Kanadier haben für Handball nicht gerade viel übrig, im Vordergrund stehen Eishockey, Curling und die amerikanischen Sportarten Basketball und Baseball. Das merkte der Kirchheimer auch recht schnell. Die wenigsten haben schon einmal Handball gespielt, oder überhaupt ein Spiel gesehen. Wie sich herausstellte, ist Simon‘s neue Heimat im Bundesstaat British Columbia ein handballerisches Niemandsland: Keine Teams, keine Liga, nichts. Hierzulande unvorstellbar, doch für Florian Simon bittere Realität. Glücklicherweise stieß er durch einen kanadischen Kollegen auf eine Trainingsgruppe,
in der auch dessen Tochter mitspielte.
Beim ersten Training dann Ernüchterung: Trainiert wird auf Tartan und nicht auf Laminat oder Hallenboden aus Gummi
, wie beim Handball üblich. Das Spielfeld wird nicht umsonst zur Verfügung gestellt, sondern muss aus eigener Tasche bezahlt werden. So langsam merkte der 26-Jährige, dass Handball für die Einheimischen Neuland ist. Doch Simon gab nicht auf: Per Mundpropaganda machte die Trainingsgruppe die Runde und schon bald tummelten sich um die 20 Spielerinnen und Spieler auf einem Feld, das lediglich die Größe eines Basketballcourts hat – als Trainer wurde der Deutsche auserkoren. Als wären die Bedingungen nicht schon schlecht genug, muss der Kirchheimer auch jedes Mal vor dem Training mit Klebeband den Sechsmeterkreis aufkleben, an Ballharz gar nicht zu denken – Handball als Exotensportart auf dem amerikanischen Kontinent. Immerhin sechs Hütchen hat er zur Verfügung, die hat er den Leichtathleten stibitzt.
Zwar entwickelte sich nun ein festes Team, doch es gab keine Gegner. Improvisieren war angesagt: So organisierte die Mannschaft Spiele gegen ein Team aus Vancouver, die Hauptstadt von British Columbia. Der Aufwand: Vier Stunden Autofahrt nach Vancouver, zwei Stunden Spiel und wieder zurück nach Kamloops.
Mittlerweile hat sich die Gruppe auch für das Kamloop‘sche Sportförderprogramm beworben und 250 Dollar erhalten – die wurden zum Kauf von Leibchen, Bällen und für Fahrten nach Vancouver verwendet.
Beim ersten Aufeinandertreffen unterlag der Kirchheimer mit seinen Kameraden zwar, doch er wurde gefragt, ob er mit dem Team aus Vancouver als Vertretung für den Bundesstaat British Columbia bei den Nationalmeisterschaften antreten möchte. Der ehemalige Maschinenbaustudent sagte sofort zu und flog schließlich nach Edmonton ins Landesinnere, wo die Meisterschaft auf zwei mit Kunststoffplatten ausgelegten Hockeyfeldern stattfand. Von neun gestarteten Mannschaften beendete Simon‘s Auswahl das Turnier auf dem neunten Platz. Die ersten Früchte seiner Arbeit erntete Coach Simon auch schon: Ein 15-jähriges Mädchen aus seiner Gruppe steht im Kader der kanadischen Frauennationalmannschaft.