Man wird wohl noch viel reden müssen nach dem Mountainbike-Weltcup in Crans Montana. Denn auch wenn die deutschen Ergebnisse durchaus zufriedenstellend waren – Kira Böhm (Cube) hat ihre beiden Führungstrikots im U23-Weltcup verteidigt, Luca Schwarzbauer (Canyon CLLCTV) kam wie Böhm über die olympische Distanz auf den siebten Platz und verbesserte sich so auf den sechsten Gesamtplatz – der Weltcup im Wallis an der Grenze zu Frankreich, der zugleich Generalprobe für die Weltmeisterschaft 2025 war, zeigte, dass auch mit viel Geld nicht unbedingt eine gute Veranstaltung organisiert werden kann.
Fahrer und Teams beklagten vor allem die mangelnde Sicherheit für die Sportlerinnen und Sportler. Alle drei künstlichen Hindernisse auf der 3,4 Kilometer langen Strecke sorgten für erhebliche Kritik. Der erstmal in einem Weltcup eingesetzte „Timbergarden“, bei dem die Piste mit eng beieinanderliegenden Holzstämmen aufgefüllt wurde, zeigte sich durch den Regen als viel zu rutschig, nachdem die mit Matsch zugesetzten Reifen vor allem die Anfahrt über einen Holzbalken wie auf Schmierseife unterwegs waren.
Wenig besser war es im „Rockgarden“, wo üblicherweise kleine und große Felsblöcke eine ruppige, aber fahrbare Passage bilden. Doch in Crans Montana wurden die Fahrlinien durch absichtlich aufgerichtete Steine vorgegeben, die die Unfallgefahr deutlich erhöhten. Stürze gehören bei einer Sportart wie Mountainbike sicherlich dazu. Schließlich es durchaus Ziel, Ausdauer mit Athletik zu verbinden – und diese Grenzen auch immer wieder auszuprobieren. Doch in Crans Montana wurde leichtfertig mit der Gesundheit der Athleten gespielt: Stürze auf die Steine forderten unweigerlich böse Verletzungen.
Leidtragender war neben einigen anderen der Deutsche Meister Max Brandl (Lexware) aus Freiburg, der hart mit dem Gesicht auf den Steinen aufschlug, sich dabei am Kinn verletzte und Zähne verlor: schließlich sind Cross-Country-Biker nicht mit Vollschutz und Integralhelm unterwegs, nur dünnes Lyra schützt Haut und Knochen vor Verletzungen.
Rebecca Henderson, mehrfache australische Meisterin und seit vielen Jahren im Weltcup-Zirkus unterwegs, schrieb auf Instagram: „In meiner ganzen Zeit in diesem Sport habe ich dieses Szenario noch nie erlebt.“ Dabei spielt die 32-Jährige auch darauf an, dass gerade an den gefährlichen Streckenabschnitten bis zum Freitagabend gearbeitet wurde und so ein reguläres Training gar nicht möglich war.
Die Schweizer Mountainbike-Legende Thomas Frischknecht, Teamchef des mehrfachen Weltmeisters und derzeit Weltcup-Gesamtführenden Nino Schurter, sagte mit Blick auf die Olympischen Spiele in Paris in fünf Wochen: „Die Strecke ist gefährlich. Deswegen ist es wichtig, heute gut durchzukommen und nicht zu viel Risiko einzugehen.“ Und ergänzt mit harten Worten: „Die Strecke ist einfach miserabel gebaut. Es wird mit der Gesundheit der Athleten gespielt. Das kurz vor Olympia finde ich ziemlich uncool.“
Dabei hatte es sich der Veranstalter dem Vernehmen nach rund 100.000 Euro kosten lassen, den Rockgarden anzulegen. Auch sonst präsentierte sich Crans Montana, auf einer kleinen Hochebene oberhalb des Rhonetals gelegen, wenig als geeigneter Weltcup-Standort: die Plätze, wo die Teams ihre Zelte aufschlagen, waren bis zu 20 Minuten zu Fuß vom Renngelände entfernt. Die Zuschauer mussten sich mühsam ihre Wege suchen und immer wieder die Strecke queren.
Dabei bekamen sie durchaus spektakuläre Rennen zu sehen. Zu Beginn waren es dann sogar die deutschen Mountainbiker, die mit den rutschigen Bedingungen am besten zurechtkamen: Julian Schelb (Stop&Go Marderabwehr) aus dem Münstertal im Schwarzwald nutzte die Chance, die er sich im Shorttrack als Zweiter erarbeitet hatte und raste als Erster durch die Startrunde, eher Olympiasieger Tom Pidcock (Ineos Grenadiers, Großbritannien) dem ein Ende und sich selbst an die Spitze des Rennens setzte: in seinem erst zweiten Weltcup in dieser Saison unterstrich das Radsportmultitalent, dass er auch 2024 wieder eine olympische Goldmedaille erreichen will. Der 31-jährige Schelb, der sich in der Spitzengruppe festbiss, wurde letztlich Fünfter, holte damit sein bestes Weltcup-Resultat über die olympische Distanz und empfahl sich damit eindrücklich für den zweiten deutschen Startplatz in Paris. Zu seinen ersten Gratulanten zählte dann auch Luca Schwarzbauer, der nur wenige Sekunden hinter Schelb die Ziellinie passierte.
Mit Plattfuß ins Ziel
Am Sonntagmorgen hatte Kira Böhm (Weilheim) ebenfalls den siebten Platz erreicht und zeigte sich damit durchaus „den Umständen entsprechend zufrieden“ und erleichtert, ohne Blessuren über den anspruchsvollen Kurs gekommen zu sein: „Ich habe wirklich gekämpft.“ Sie war zwar in der ersten Runde gestürzt und hatte damit Zeit und den Anschluss zur Spitze verloren, fand danach aber ihren Rhythmus und schloss wieder zu den Verfolgerinnen auf. Kettenprobleme bremsten sie dann aber erneut aus. In der letzten Runde ruinierte Böhm sich n besagtem Steinfeld das Vorderrad, der Reifen war platt und auch die Felge kaputt: „Zum Glück ging es von da an fast nur noch bergab ins Ziel.“
Am kommenden Wochenende werden die beiden Mountainbiker aus der Teckregion Pause machen, ehe vom 5. bis 7. Juli der letzte europäische Weltcup der Saison und das letzte große Kräftemessen vor den Olympischen Spielen ansteht.