Integration
"Ich wollte etwas zurückgeben": Wie ein Geflüchteter beim AKB-Lauftreff Brücken baut

Wajid Ullah Mosafer aus Afghanistan begleitet jede Woche die AKB-Laufgruppe mit Bewohnern der Kirchheimer Lebenshilfe. Der 20-Jährige war acht Monate lang auf der Flucht.

Wajid Ullah Mosafer (Mitte) engagiert sich für den AKB jede Woche beim Lauftreff. Foto: Carsten Riedl

„Gib mir Deine Hände, wir machen das zusammen“, sagt Wajid Ullah Mosafer. Der 20-Jährige hält sein Gegenüber fest, und beide beugen sich nach vorne, um auf einem Bein zu balancieren. Der junge Mann, der bis vor vier Jahren noch in Afghanistan gelebt hat, ist wie immer beim wöchentlichen Lauftreff des Arbeitskreises für Menschen mit und ohne Behinderung (AKB) dabei, um die Bewohnerinnen und Bewohner der Lebenshilfe in der Saarstraße zu begleiten. „Ich möchte damit auch etwas von dem zurückgeben, was mit hier entgegengebracht wird“, sagt der Geflüchtete, der annähernd fließend und fehlerfrei Deutsch spricht.

Still wird er dagegen, wenn es um seine Flucht vor rund vier Jahren geht. „Das war schrecklich, man kann nicht alles erzählen“, sagt er nur. Acht Monate war der damals 16-Jährige unterwegs. Unter Umständen, die mit Menschenwürde nicht viel zu tun hatten. „Für Frauen geht es eigentlich gar nicht. Die können praktisch nicht flüchten“, sagt der 20-Jährige.

Als die Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernahmen, und die Situation vor allem für junge Menschen schwierig wurde, ist Wajid Ullah Mosafer zunächst nach Kabul gefahren. Sein Fernziel war ein Onkel in Filderstadt, der dort schon seit zehn Jahren lebt. „Aber man konnte eigentlich nicht sagen, dass man irgendwo hin will, weil an so vielen Tagen nicht klar war, wie es weitergeht.“

Obwohl er am liebsten in der Heimat bei seiner Familie geblieben wäre, hat er die Flucht über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich bis nach Deutschland auf sich genommen. Acht Monate lang. Als er schließlich in Deutschland ankam, hat ihn sein Onkel vom Bahnhof abgeholt. „Zuerst habe ich bei ihm gewohnt. Er hat mir vieles beigebracht, zum Beispiel wie man in Deutschland Müll trennt.“ Die Sprache wollte Wajid Ullah Mosafer so schnell wie möglich lernen, hat deshalb zum Beispiel viel auf Youtube angeschaut. 41 Tage lang lebte der junge Mann dann in Plattenhardt, wo er mit seiner Betreuerin ebenfalls Deutsch lernte.

Um den Hauptschulabschluss machen zu können, kam er auf die Max-Eyth-Schule, weshalb er nach Kirchheim zog. Innerhalb von drei Monaten erreichte er das Sprachniveau B1, und bekam über ein Praktikum an der Mediusklinik ab Oktober 2024 einen Ausbildungsplatz zum Gesundheits- und Krankenpflege-Helfer. „Und ich habe schon die Zusage für die dreijährige Ausbildung zum Pflegefachmann“, berichtet der 20-Jährige stolz.

Sei knapp zwei Jahren kommt er nun schon regelmäßig zur Laufgruppe des AKB. „Ich habe auf der Flucht so viel Schlimmes erlebt, und bin hier so freundlich aufgenommen worden. Deshalb wollte ich etwas zurückgeben.“ Bei seiner Recherche stieß er auf den AKB, und rannte dort bei Jürgen Lutz und den Bewohnerinnen und Bewohnern sprichwörtlich offene Türen ein.

Spaß an Bewegung im Fokus

„Los, wir joggen ein Stück“, versucht Wajid Ullah Mosafer den einen oder die andere zu einem flotteren Tempo zu animieren. Dass alle ihren Spaß an der Bewegung haben, ist das Wichtigste bei den regelmäßigen Treffen. Nach rund 30 Minuten Laufen wird ein Stopp eingelegt, bei dem gemeinsam verschiedene Gymnastikübungen absolviert werden. Für rund eine Stunde scheinen alle Beteiligten kurz zu vergessen, was sie im Alltag möglicherweise belastet. Auch für Wajid Ullah Mosafer ist es eine Auszeit. Doch auch insgesamt versucht der 20-Jährige, sich auf die positiven Dinge zu konzentrieren. „Am Anfang war es echt hart, hier mit dem Erlebten klarzukommen. Aber jetzt versuche ich, mich auf meine Ziele zu fokussieren und nicht über die Flucht oder so ein Thema wie Aufenthaltsdauer nachzudenken.“

Ein Strahlen breitet sich auf seinem Gesicht aus, wenn er an den AKB-Lauf Anfang Juli nachdenkt. „Letztes Jahr war ich so krank, dass ich nicht mitlaufen konnte. Aber dieses Mal bin ich ganz sicher dabei.“