Lokalsport
Im Gleitflug bis zum Atlantik

Rückblende Am Freitag jährt sich zum 60. Mal der Weltrekord dreier Teckpiloten im Segelflugsport. Rudolf Lindner, Otto Schäuble und Karl Bezler trägt der Wind bis an die Loire-Mündung im Westen Frankreichs. Von Volker Weber

An der Teck stand einst die Wiege des Segelflugsports. Hier trifft sich bis heute die Weltelite zum Kräftemessen, hier sind Flugzeugkonstrukteure von internationalem Rang am Werk und hier jährt sich ein denkwürdiger Weltrekord in diesem Frühsommer zum 60. Mal: Am Pfingstsonntag, dem 2. Juni 1963, fliegen der Dettinger Karl Bezler, der aus Köngen stammende Otto Schäuble und der Kirchheimer Rudolf Lindner im Segelflugzeug von der Teck über 875 Kilometer weit bis nach Saint-Nazaire an der französischen Atlantikküste – für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Leistung. Mit diesem Flug stellen die drei den bis dahin seit zwölf Jahren bestehenden Weltrekord des Amerikaners Richard H. Johnson ein.

Bezler startet an diesem Tag vom Dettinger Segelfluggelände, während Schäuble und Lindner von der Hahnweide aus auf Rekordjagd gehen. Bezler und Schäuble fliegen jeweils eine „Ka 6“, das damals vorherrschende Leistungsflugzeug in Holzbauweise mit Stoff bespannten Tragflächen. Lindner dagegen sitzt bereits am Steuerknüppel eines in den Werkstätten von Ludwig Bölkow in Nabern entwickelten und erbauten Phoenix, dem Urahn aller heutigen Segelflugzeugkonstruktionen aus faserverstärkten Kunststoffen. Begünstigt durch die herrschende Ostwetterlage haben alle drei Zielflüge von mehr als 500 Kilometer in Richtung Frankreich im Visier. Aufgrund der mit heutigen Segelflugzeugen nicht zu vergleichenden Flugleistungen wird zu der Zeit für Langstreckenflüge noch meist mit Rückenwindunterstützung geradeaus geflogen. Für die dabei erreichten Strecken wird jedoch ein hoher Preis bezahlt: Die aufwändige Rückholaktion kostet meist mehrere Tage Urlaub und Geld.

Mit viel Mühe und mehrmals einer Außenlandung nahe geht es für alle drei auf unterschiedlichen Flugrouten über den Schwarzwald und das Rheintal zu den Vogesen. An deren Ostseite kommen Bezler und Schäuble sehr tief an und müssen sich zunächst im Hangwind wieder nach oben kämpfen. Auch der weitere Flugweg über Epinal, Chaument, Saint Florentin, Joigny und Montargis gestaltet sich bei Blauthermik relativ schwierig – lediglich der weiterhin konstant kräftige Ostwind garantiert ein zügiges Vorwärtskommen. Als das Wetter günstiger wird, finden die drei Piloten westlich von Orleans mehr oder weniger zufällig per Funkverbindung zueinander. Sie beschließen, anstatt an den ursprünglich geplanten Zielorten zu landen, gemeinsam entlang einer sich aufbauenden Gewitterfront weiter nach Westen zu fliegen. Dieser letzte Streckenabschnitt verlangt den Piloten bei teilweise heftigen Regen- und Schneeschauern und Turbulenzen nochmals alles ab. Allerdings ermöglichen die dort ebenfalls herrschenden starken Aufwinde ein sehr schnelles Vorankommen weitgehend im Geradeausflug.

Bei Annäherung an die Atlantikküste wird die Sicht merklich schlechter und die Wolkenbasis sinkt deutlich ab. So entschließen sich die drei Piloten nach rund zehnstündigem Flug trotz einer noch komfortablen Flughöhe von über tausend Metern auf einem Militärflugplatz bei Saint-Nazaire zu landen.

Abkommen nach der Landung

Den offiziellen Berichten zufolge vereinbaren die drei, dass Bezler am östlichen Platzende und die beiden von der Hahnweide gestarteten Piloten am westlichen Ende landen sollten, um den Entfernungsunterschied zwischen der Teck und der Hahnweide auszugleichen. Unter der Hand wird erzählt, daß diese Version erst nach der Landung verabredet wird, als die drei erkennen, welche außergewöhnliche Leistung sie erbracht hatten und sie sich damit den Weltrekordtitel kameradschaftlich teilen können. Alle drei Rekordpiloten sind in der Zwischenzeit verstorben. Ihr denkwürdiger Rekordflug von vor 60 Jahren lebt weiter.