Wenn die nationale Rad-Elite ab Freitag auf die Deutschen Meisterschaften in Donaueschingen und Bad Dürrheim blickt, steht einer weniger stark im Fokus, als erhofft: Jannik Steimle ist nach seiner Corona-Zwangspause wider Willen vom Mitfavoriten zum Außenseiter geworden. Fünf Tage ohne Training, dazu die abgesagten Einsätze bei der Tour de Suisse und der ersatzweise angedachten Slowenien-Rundfahrt lassen den Weilheimer realistisch auf die Titelkämpfe im Schwarzwald blicken. „Die Titelambitionen waren da, aber mir fehlen die Rennkilometer“, sagt der 28-Jährige vor allem Hinblick auf das Einzelzeitfahren, das am Freitag über knapp 31 Kilometer von Donaueschingen nach Bad Dürrheim führt.
Favorit ist nicht nur nach Steimles Einschätzung Titelverteidiger Nils Politt, der sich vergangenes Jahr an gleicher Stelle Gold vor Miguel Heidemann und Maximilian Schachmann sicherte. „Zu sagen, dass ich antrete, um Nils zu schlagen, wäre vermessen“, sagt der Vorjahresfünfte Steimle, der sich auf der abwechslungsreichen Strecke dennoch etwas ausrechnet. „Das Unrhythmische kommt mir entgegen, vor allem bei den Anstiegen muss ich weniger Watt treten als die anderen, weil ich leichter bin. Mit einer Medaille wäre ich zufrieden.“
Ob und was er im Straßenrennen über 200 Kilometer und 2670 Höhenmeter am Sonntag reißen kann, ist angesichts der suboptimalen Vorbereitung noch schwieriger einzuschätzen. Als nicht hundertprozentig fitter Einzelkämpfer wird sich Steimle nicht nur der Übermacht des achtköpfigen Teams Bora Hansgrohe um den Vorjahreszweiten und -dritten Nico Denz und Maximilian Schachmann stellen müssen. Nils Politt, Simon Geschke, Simon Steinhauser, Georg Zimmermann, John Degenkolb, Pascal Ackermann, Phil Bauhaus, Simon Rutsch: die Liste der Podiumsanwärter ist lang – zu lang für Steimle, um mitzumischen? „Ich hab nix zu verlieren und traue mir ein ähnliches Ergebnis wie letztes Jahr zu.“ Da wurde der Wahl-Schorndorfer als „Meister des Rests“ tituliert, nachdem er hinter dem Bora-Trio Buchmann, Denz und Schachmann Vierter geworden war. „Wenn du die ganze Zeit alleine Löcher zufahren musst und keinen Helfer hast, ist es halt schwierig“, blickt gleichzeitig zurück und voraus auf Sonntag.
Zusätzliche Brisanz erhält die DM im Hinblick auf die Olympianominierung. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) darf zwei Fahrer nach Paris schicken, die sowohl das Einzelzeitfahren als auch das Straßenrennen absolvieren sollen. Nachdem Nils Politt unabhängig vom DM-Verlauf einen Platz sicher haben dürfte, kämpfen rund zehn Kandidaten um das zweite Ticket – auch Jannik Steimle, der in beiden Disziplinen stark ist. „Vom Gefühl her“, sagt er, „bin ich schon wieder richtig gut in Fahrt, aber ich muss die Kirche im Dorf lassen.“ Im übertragenen Sinne gilt das ohnehin: Kommende Woche steht die Hochzeit mit seiner Partnerin Lara an – standesamtlich. Die kirchliche Trauung soll dann im August steigen.
Das Einzelzeitfahren beginnt am Freitag um 12.30 Uhr, wann Jannik Steimle startet, steht noch nicht fest. Das Straßenrennen am Sonntag beginnt um 12 Uhr und wird ab 15 Uhr live übertragen unter www.swr/sport.de