Stuttgart. Wo der Wurm drin ist, kickt‘s sich besser: Was Fußballvereinen in den vergangenen Wochen und Monaten zunehmend Kopfzerbrechen bereitet hatte, erweist sich nun als Glück im Unglück. Rasenplätze, die infolge des milden Herbstes 2012 eine überdurchschnittlich hohe Regenwurmpopulation aufweisen, verfügen nach Expertenmeinung über eine verbesserte Drainage. „Regenwürmer graben Gänge und je mehr es davon gibt, umso besser kann Wasser abfließen“, weiß Wolfgang Henle, der sich tagtäglich mit den Lumbricidae, wie die Würmer auf Latein bezeichnet werden, beschäftigt. Henle lehrt an der Staatsschule für Gartenbau und Landwirtschaft in Stuttgart und ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter der eigens an der Uni Hohenheim vorgehaltenen Rasen-Fachstelle. Die ist vor allem für Fußballvereine und Golfklubs ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um ein gepflegtes Grün geht.
Dass dort zuletzt auffallend viele Anfragen in Sachen Regenwürmer eingingen, hat Gründe. „Der vergangene Herbst war lange feucht und warm und bot den Würmern so ideale Lebensbedingungen“, erklärt Henle. Das Problem sind dabei nicht die Würmer an sich, sondern das, was sie auf dem Rasen hinterlassen. Der Fachmann spricht von Losung, die zu einer erheblichen Verschmutzung der Bodenoberfläche führen kann.
Betroffen sind auch Vereine im Bezirk Neckar/Fils. In Beuren war der Rasen beispielsweise über Monate gesperrt, weil im Bereich des Mittelkreises wurmbedingt regelrechter Morast entstanden war. „Sonst ist unser Platz eigentlich immer gut gewesen“, berichtet Ulrich Döbler, Zweiter Vorsitzender des TSV Beuren.
Dabei müssen mehr Regenwürmer nicht automatisch zu einem schlechteren Rasen führen. „Der Zustand hängt in hohem Maße vom Pflegemanagement ab“, so Fachmann Wolfgang Henle. Sprich: Wer sein Grün regelmäßig besandet, sauer düngt und das gemähte Gras nicht liegen lässt, kann den Wurmbestand aktiv reduzieren. Das Problem: In den seltensten Fällen gehören Rasenplätze den Sport treibenden Vereinen, sondern den Kommunen, deren Kassen bekanntlich nicht gerade überquellen. „Der Grad der Pflege hängt natürlich von der Finanzlage der jeweiligen Gemeinde ab“, weiß Henle, der unabhängig von Eigentumsverhältnissen für eine gezielte Schulung der zuständigen Personen wirbt. „An der Deula Rheinland kann man einen einwöchigen Kurs zum Fußballplatzwart absolvieren. Das sollte eigentlich Standard sein.“
Golfklubs, die nicht minder unter Regenwürmern leiden, sind hier im Vorteil, da offiziell bestellte Greenkeeper über Mitgliedsbeiträge finanziert werden können und sich darüber hinaus in einem eigenen Verband organisieren. Anders im Fußball: Da überwiegend in kommunaler Hand, lässt sich nur schwer eine verlässliche Aussage über den Zustand der Rasenplätze treffen. Dass im Bezirk Neckar/Fils bei über 20 Vereinen der Wurm drin sein soll, hält der Vorsitzende für ein Gerücht. „Davon ist mir und meinen Kollegen im Bezirksvorstand nichts bekannt“, sagt Karl Stradinger.
Auch bei der Stadt Kirchheim, die für immerhin sieben Rasenplätze verantwortlich ist, stellen Regenwürmer offenbar kein Problem dar, im Gegenteil. „Wir arbeiten mit einer Firma zusammen, die sich auf Sportplatzbau spezialisiert hat und beugen Würmern durch Besanden vor“, sagt Jürgen Völker, Sachgebietsleiter beim Amt für Grünflächen, Sportanlagen und Spielplätze.
Mehr ist auch nicht erlaubt: Regenwürmern mit der chemischen Keule zu Leibe zu rücken, ist gesetzlich verboten. Und ganz ohne geht‘s schließlich auch nicht: „Wenn keine Regenwürmer im Boden sind, würde der Rasen regelrecht verfilzen“, weiß Wolfgang Henle.