DFB-Stützpunkttrainer Uwe Fechter muss beim Scouten junger Talente auf viele Dinge achten
Kein Fußball-Talent soll verloren gehen

Ein 55-Jähriger führt dem Fußball-Verband junge Talente zu: Der Weilheimer Uwe Fechter ist DFB-Stützpunkttrainer an der Sportschule Nellingen/Ruit.

Ostfildern/Weilheim. Die Nervosität ist groß in der Sportschule Nellingen/Ruit. Die jungen Fußballschüler haben ein Zwischenzeugnis abzulegen: Dribbeln, sprinten, Ball hochhalten. Patzen will keiner – schließlich kommen die Ergebnisse in eine Datenbank, die mitbestimmt, ob der Junge oder das Mädchen vom Württembergischen Fußball-Verband (WFV) weiterhin Einladungen zum Stützpunkttraining erhält. Ein echter Kickerstar motiviert die Zwölf- und 13-Jährigen durch pure Anwesenheit. Cacau, der elf VfB-Jahre, 263 Bundesligaspiele und 23 Länderspieleinsätze für die deutsche Nationalmannschaft auf dem Buckel hat, fungiert schweigend als Zeitnehmer. Nach seinem Einstieg in der Stuttgarter Drittliga-Mannschaft treibt der 34-Jährige derzeit seine Trainerausbildung vo­ran – Cacau ist Hospitant und muss an der Sportschule zunächst 30  Arbeitsstunden im Nachwuchsbereich ableisten. Ziel ist der Erwerb

der DFB-Jugend-Elite-Lizenz, die überhaupt die Voraussetzung dafür ist, dass er DFB-Fußball-Lehrer mit der Aussicht auf einen Trainerjob im Profifußball werden kann.

Der Mann steht – Uwe Fechter (55) sitzt auf einer Bank: Als einer der fünf DFB-Stützpunkttrainer an der Sportschule ist das Beobachten und Beurteilen von Jungspieler(inne)n ein großer Teil seiner Arbeit, die an Wochenenden auch auf verschiedensten Sportplätzen in der Teckregion stattfindet. Dort hält er bei Jugendspielen Ausschau nach förderungswürdigen Talenten und lädt die über den Verein dann für das montägliche Ruiter Stützpunkttraining ein. Es ist die klassische Scouting-Tätigkeit – mit dem feinen Unterschied, dass der Daumen nicht mehr automatisch nach oben zeigen muss, wenn Technik, Tempo und Durchsetzungswillen des Spielers stimmen.

Tatsächlich gibt es für die Talentescouts seit geraumer Zeit noch ein weiteres Bewertungs-Kriterium: der Geburtstag des Spielers. In einer Analyse hat der DFB festgestellt, dass die deutschen Jugend-Nationalmannschaften querbeet durch alle Altersklassen einen exorbitant großen Anteil von Kickern mit einem Geburtsdatum im ersten Halbjahr haben. Die Jüngeren im Jahrgang sind in sämtlichen Nachwuchsteams hingegen deutlich bis extrem unterrepräsentiert – beispielsweise sind im aktuellen U15-Nationalteam von Trainer Michael Feichtenbeiner von 23 Kadermitgliedern nur zwei zwischen dem 1. August und 31. Dezember geboren. Das Ungleichgewicht, das von den „körperlichen Entwicklungsvorteilen“ der Jahrgangs-Älteren herrührt und sich „Relativer Alterseffekt“ RAE) nennt, wird vom Verband ziemlich ernst genommen und soll von den bundesweit 366 DFB-Stützpunkten bekämpft werden. „Die Stützpunkttrainer sind angehalten, beim Scouten auch auf die altersmäßige Ausgewogenheit zu achten. Jeweils 50  Prozent der berufenen Spieler sollen im ersten und zweiten Halbjahr geboren sein“, sagt Uwe Fechter.

Fragt sich nur: Warum das Ganze? „Fechter, ehemaliger Juniorentrainer beim SSV Ulm und VfL Kirchheim, sieht den Gleichstellungs-Auftrag an ihn und Kollegen vom Verband nicht sozial, sondern rein sportlich motiviert. Er selbst glaubt auch, dass im (vernachlässigten) jüngeren Altersklassen-Segment mehr Leistungspotenzial schlummere als der Blick auf die Alters-Statistik suggeriere. Das gelte es herauszukitzeln – auch im Nellinger Stützpunkttraining.

Doch es ist beileibe nicht sein wichtigster Auftrag. „Im Großen und Ganzen geht es darum, dass es den 22 DFB-Stützpunkten und 16 Mädchen-Fördergruppen in Württemberg gelingt, dass dem WFV kein einziges Fußball-Talent mehr durch die Lappen geht“, sagt Fechter. Ziel sei es, dem Amateur- und Profifußball gut ausgebildete Spieler zuzuführen.