Wenn es so scheint, als hätte sich die ganze Welt gegen dich verschworen, dann wächst du über dich hinaus – bestenfalls. Igor Perovic kennt solche Effekte, schließlich hat er als Aktiver fast 150 Spiele in Deutschlands höchster Basketball-Liga bestritten. Am Samstag in Gießen hat er solches Aufbäumen bei seiner erneut dezimierten Mannschaft vermisst. Leidenschaft äußerst sich im Basketball vor allem in der Defensive, weshalb Kirchheims Coach dort nach wie vor das Problem verortet. Ganz nach der alten Trainer-Weisheit: Punkte, die du hinten verhinderst, brauchst du vorne nicht zu machen.
Allerdings gilt umgekehrt auch: Wer im Schnitt nur 75 Punkte erzielt, darf sich in der Defensive nicht noch zusätzlich Fehler leisten. Bei der 74:86-Niederlage gegen den BBL-Absteiger verlor Kirchheims Neuzugang Mitch Lightfoot gegen Stefan Fundic, den mutmaßlich stärksten Center in der Pro A, fast jedes Rebound-Duell. Defensiv-Kritik musste nicht zum ersten Mal seit Saisonbeginn auch Michael Flowers einstecken. Auf seine Kappe ging der eine oder andere freie Dreier der Gastgeber im Schlussviertel.
Während Ligthfoot, der am College als durchaus bissiger Verteidiger galt, sich offenbar zu sehr von Foulproblemen beeindrucken lässt und als Rookie noch die richtige Balance sucht, steht Flowers Defensiv-Verhalten ganz offensichtlich in direktem Zusammenhang mit seinem offensiven Erfolg. Bestes Beispiel: Bei seiner 38-Punkte-Gala gegen Paderborn lief der US-Guard auch in der Verteidigung regelrecht heiß. Am Samstag wehte an beiden Enden des Courts ein vergleichsweise laues Lüftchen. Mit Richie Williams fiel in der Trainerkritik diesmal selbst einer durch, der ansonsten einen dicken Bonus genießt. Ganze zwei Assists bei gleichzeitig vier Turnover, „das ist von einem erfahrenen Mann wie ihm nicht das, was wir erwarten,“ sagt Perovic klipp und klar.
Bei allem Augenmerk auf der Defensivleistung der Knights, völlig ausblenden lässt sich das fehlende Wurfglück nicht. Dafür stechen manche Zahlen zu sehr ins Auge: Die Knights haben von allen Mannschaften in der Pro A mit 41,3 Prozent die schlechteste Wurfquote aus dem Feld, die drittschlechteste Dreier-Quote und die drittschlechteste Freiwurfbilanz. Weniger Gesamtpunkte haben bisher nur Bremerhaven und Schwenningen erzielt, die beide am Tabellenende stehen.
Woran also liegt es, dass die Würfe nicht fallen, obwohl es an Spezialisten, die solche Qualitäten in ihrer Bewerbung stehen haben, nicht mangelt. „Wie soll eine Mannschaft ihren Rhythmus finden, wenn sich ihr Gesicht ständig verändert,“ fragt sich Knights-Sportchef Chris Schmidt. Was er meint: In keinem einzigen der bisher acht Spiele war der Kader komplett. Perovic stehen seit Wochen keine zehn Mann im Training zur Verfügung, die es bräuchte, um Systeme durchzuexerzieren. Sieht man von Lightfoot, der erst später zur Mannschaft stieß, einmal ab, haben nur vier von elf Stammkräften bisher alle acht Spiele absolviert. Wiederkehrende Kerben, die ein eingespieltes Team möglicherweise zu glätten vermag. Eine Neuformation, wie die Knights es sind, tut sich schwer damit. Schmidt, ansonsten ein Freund klarer Worte, stellt sich deshalb vor die Mannschaft und wirbt weiter um Geduld. „Entscheidend ist, dass wir eine Entwicklung sehen,“ meint er. „Und die sehe ich.“ Schließlich zeigten sich die Ritter bei den jüngsten beiden Niederlagen in Hagen und in Gießen trotz prominenter Ausfälle wie die von Kayne Henry oder Paul Giese nicht chancenlos. Gegen Gegner, die immerhin als Play-Off-Kandidaten gelten. „In Gießen haben wir die letzten zwölf Minuten versemmelt,“ meint Schmidt. „An der Frage, warum, arbeiten wir.“
Tim Koch in der Dauerschleife
Ein Spiel, zwanzig Minuten auf dem Parkett, null Punkte – so liest sich bisher die Saisonbilanz von Tim Koch. Der Dienstälteste unter Kirchheims Rittern kommt seit fünf Wochen nicht in Tritt. Erst bremste eine normale Erkältung den 33-Jährigen aus, dann kam Corona mit heftigen, zwei Wochen andauernden Symptomen. Was bis heute geblieben ist: Müdigkeit, Kurzatmigkeit, ein erhöhter Puls. Zu Wochenbeginn unterzog sich Koch einem weiteren Check beim Kardiologen.
Wann der erfahrene Flügelmann unter Normalbedingungen wird ins Training zurückkehren können, ist nach wie vor offen. Nach Besnik Bekteshi, der nach einer Erkrankung im Sommer die ersten vier Saisonspiele verpasst hat und der seit drei Wochen wieder in der Mannschaft steht, ist Koch der zweite längerfristige Ausfall bei den Knights wegen Covid. bk