Lokalsport
Knallharter Kampf um den Stammplatz in der Uni-Elf

Im Urlaubsparadies Florida fast Tag für Tag anderthalb Stunden lang Fußball trainieren, manchmal bei 35 Grad, stickiger Luft und keiner Wolke am Himmel. Wer tut so was? Philipp Uttikal tut‘s. An der Lynn University in Boca Raton studiert der 22-jährige Stipendiat aus Kirchheim/Teck noch bis zum Jahresende 2012 International Business – nebenbei kickt der frühere VfL-Fußballer in der Uniauswahl um Meisterschaftspunkte und Titel.

Kirchheim. Der erste Eindruck: enttäuschend. Nachdem Philipp Uttikal im Sommer 2009 nach North Carolina gekommen war, um am Wesleyan College in Rocky Mount internationale Wirtschaft zu studieren, da brach er seine Zelte nach nur einem Jahr wieder ab. „In der Stadt war überhaupt nichts los, weil sie viel zu abgelegen ist. Außerdem spielte das Uni-Team in der Studenten-Liga nur in der Division drei, wo die vergleichsweise kleineren und budgetärmeren Unis vertreten sind“, blickt der frühere VfL-Fußballer zurück. Nach einer erfolgreichen Bewerbung entschied er sich schließlich für die Lynn University in der 83 000-Einwohner-Stadt Boca Raton (Florida) als neuen Studien-Standort. Dort fühlt sich der Stipendiat aus Deutschland inzwischen pudelwohl. Erstens winken Teams aus der prestigeträchtigeren Division zwei als Gegner, zweitens liegt der Strand gerade mal zehn Autominuten von seiner Wohnung weg, drittens sieht er mit Michael Kutscher und Heiko Eber­hardt am Campus täglich zwei 25-jährige Kommilitonen, die wie er Deutsche und frühere VfL-Fußballer sind. Uttikal war es, der seinen Kumpels die Universität zum Studieren indirekt ans Herz gelegt hatte. Beide flogen im Sommer 2011 über den großen Teich. Seither lebt das Trio acht, neun Flugstunden getrennt von der deutschen Heimat im selben Studentenwohnheim, studiert ambitioniert die amerikanische Version deutscher Betriebswirtschaftslehre (BWL) und zählt im Übrigen fest zum 24-köpfigen Soccer-Kader von Uni-Trainer John Rootes, der alljährlich um die nationale Studenten-Meisterschaft kämpft. Doch bisher haben nur Kutscher und Eberhardt sich Stammplätze gesichert.

Torhüter Uttikal hingegen war in der Saison 2011 verletzt: am Ellbogen. Die Blessur sowie der US-amerikanische Kader-Rivale Matt DiCerbo waren es, die ihm den Weg zur Nummer eins der „Fighting Knights“ verbaut und kaum Einsatzzeiten erlaubt hatten. Trotz des Pechs hatte er am Ende aber doch noch etwas zu feiern: den Finaleinzug seiner Mannschaft nach vorausgegangenen 12 Siegen in 16 Spielen. Schließlich reichte es den kämpfenden Rittern zur nationalen Vizemeisterschaft in der Division zwei nach einer 2:3-Niederlage gegen das Fort Lewis College Colorado. „Es war eine überraschend erfolgreiche Saison“, blickt Uttikal zurück.

In der Saison 2012 (zwischen September und Dezember) will Uttikal wieder richtig angreifen – den Torsteher-Job erobern. Spielpraxis ist ihm schließlich am liebsten in der Lynn-University-Studentenelf, die im Übrigen eine echte Multi-Kulti-Truppe mit zahlenmäßiger Dominanz von Engländern ist. „In unserem Kader stehen neun Studenten aus Großbritannien, dann folgen vier Spieler aus Deutschland sowie mehrere Nationen, die mit zwei oder einem Spieler vertreten sind.“ US-Amerikaner sind kurioserweise kaum vertreten. „Die Lynn University ist eine Privatschule und kostet sehr viel Geld im Jahr. Nicht jeder kann sich dort ein Studium leisten“, wie Uttikal weiß. Er selbst verdient hinzu: Bis zu 9 000 Euro umgerechnet bringt ihm ein Aushilfsjob als Studenten-Sprachrohr und Wachdienstler, der nachts auf dem Campus aufpasst, dass keine Ruhestörungen passieren. Für den heiß begehrten Job hatte er sich im Vorjahr bewerben müssen – und als Deutscher, der für Ordnung und Zuverlässigkeit steht, bei der Vergabe den Zuschlag erhalten.

„Die Deutschen sind wegen ihrer vermuteten Tugenden allgemein sehr beliebt hier“, berichtet Uttikal. Bevorzugungen durch seinen Soccer-Trainer hat der German Guy trotzdem keine zu erwarten – im von der National Collegiate Athletic Association (NCAA) straff organisierten Studentensport zählt nicht die Spielernationalität, sondern allein das Leistungsprinzip. „Welcher hauptamtlich angestellte Uni-Trainer nicht den erhofften Erfolg hat, der kann rasch seinen Job los sein“, sagt Uttikal. Auch unter den Spielern wird kräftig ausgesiebt. Nur die Besten schaffen schließlich den Sprung in die Basketball-, Baseball-, American Football- oder Soccer-Auswahlmannschaften der Universitäten, die ihren Sportlern Disziplin, Leistungswillen und Idealismus abverlangen. Doch selbst für große nationale Erfolge kassieren die Studenten keinen müden Dollar: Offiziell kämpfen sie allein für Ruhm und Ehre ihrer Uni.

Dafür trainieren sie wie die Teufel, „jeden Tag für eineinhalb Stunden“, wie Uttikal weiß. Rootes‘ internationale Soccer-Truppe trifft sich ab Saisonstart immer nachmittags, und manchmal ist es in Florida an Augusttagen 35 Grad heiß oder mehr. „Knüppelhart“, nennt Uttikal, der Ex-Blaue mit Oberliga-Erfahrung, solche Übungseinheiten – zuweilen ist er hinterher arg geschlaucht. Doch ihm gefällt der Thrill. Denn sportlich muss sein Studentenleben sein, so hat er sich‘s vorgenommen.

Im Dezember würde Uttikal liebend gerne mit dem Uni-Team nochmals im Finale stehen – dann allerdings als Nummer eins. Es wäre ein würdiger Abgang aus den Staaten, denn sein Studium ist zum Jahresende abgeschlossen. „Weihnachten 2012 bin ich wieder in Deutschland“, sagt er, „und dann wahrscheinlich für immer.“