Basketball
Knights als Topteam ohne Brief und Siegel

Kirchheim sorgt in der Pro A weiter für Furore. Wie kratzfest der glänzende Lack tatsächlich ist, wird das kommende Wochenende zeigen.

Eines der neuen Gesichter, die für Durchsetzungskraft und Erfolg bei den Knights stehen: Miryne Thomas offenbarte in Kirchheim bisher wenig Startprobleme. Foto: Roger Buerke

Wann ist ein Mann ein Mann? Diese Frage ist spätestens seit Herbert Grönemeyers Erfolgssong aus den Achtzigern für den deutschsprachigen Teil der Männerwelt geklärt. Wann eine Mannschaft als Topteam zu gelten hat, lässt auch im November 2024 Raum für Interpretationen. Glaubt man Kommentatoren, Trainern und Spielern in der 2. Basketball-Bundesliga, zählt Kirchheim dazu. Spätestens seit dem sechsten Erfolg im siebten Spiel am Sonntag in Quakenbrück, sagt das auch die Tabelle aus. Die Knights Zweite hinter der punktgleichen Übermannschaft aus Jena, die die Kirchheimer am Sonntag zum Spitzenspiel empfängt – wer hätte das gedacht? 

Ich mag diese Jungs.

Knights-Coach Igor Perovic zeigt sich ungewohnt offen, wenn es um seine Mannschaft geht.

 

Zum Beispiel Igor Perovic. Der trainiert das Überraschungsteam der Stunde und hat es kommen sehen. Er weiß: Eine starke Mannschaft ist entgegen anderslautender Urteile eben doch in erster Linie die Summe mehrerer guter Spieler. Dafür haben sich Perovic und der Sportliche Leiter Chris Schmidt im Sommer reingehängt – und wieder mal ein glückliches Händchen bewiesen. Jung, unerfahren, schwer auszurechnen, während der Pre-Season war dies Teil der öffentlichen Meinung. Solide, abgezockt und vor allem: unverschämt treffsicher – das sind plötzlich Qualitäten, die das neuformierte Ensemble vom ersten Spieltag an Woche für Woche untermauert. Kirchheim als das Team mit der besten Dreier-Quote und gleichzeitig einer der besten Defensiven der gesamten Liga. Perovic weiß: Wer hungrig ist auf Erfolg und die entsprechenden Fähigkeiten mitbringt, der bekommt am Ende, was er will. Und hungrig sind sie augenscheinlich alle.

Einer, der das wie kaum ein anderer verkörpert, ist Miryne Thomas, der Mann mit der wilden Mähne und der ausgeprägten Schmerztoleranz. Sein Trainer nennt es Temperament. Etwas salopper gesagt: Thomas ist das Kampfschwein in der Tafelrunde. Als am Sonntag in Quakenbrück noch fünf Sekunden auf der Uhr standen und der 25-Jährige aus Cleveland nach Kontakt mit seinem Gegenspieler Tajh Green rücklings aufs Parkett knallte, war er in Windeseile von den eigenen Mitspielern umstellt. Sollte heißen: Junge, lass gut sein, das Ding ist längst im Sack. Green und Thomas, zwei Hitzköpfe, die sich aus der englischen Liga bestens kennen und Aktionen wie diese selten lange ungestraft lassen. Der eine ist Topscorer bei den Artland Dragons, der andere steht bei den Knights für Resilienz, wenn’s ungemütlich wird und ist nebenbei bester Rebounder im Team.

Typen wie Thomas machen in diesem Jahr den Unterschied aus, weil sie nicht nur mit dem sprichwörtlichen Hunger auf Erfolg, sondern auch mit einem veritablen Basketball-IQ ausgestattet sind. Trotz Intensität und Temperament, die einer wie Thomas aufs Spielfeld bringt, fliegt er mit durchschnittlich 2,7 Fouls pro Spiel unter dem Radar. Damit kommt eine dritte Eigenschaft hinzu: Cleverness.

„Ich mag diese Jungs“, findet Igor Perovic ungewohnt offene Worte in einer Zeit, in der ihm die Arbeit sichtlich Freude bereitet. Der Mix passt, die Amerikaner im Team sind im besten Alter. James Graham oder Cameron Henry haben in Münster und Frankfurt Durchsetzungskraft bewiesen. Selbst ein Rookie wie Spielmacher Bradon Norris war am College jahrelang zentrale Führungsfigur. Das zahlt sich aus in Situationen, in denen es eng wird. Selbst bei der knappen Niederlage am zweiten Spieltag in Hagen, der bisher einzigen in dieser Saison, konnte von einem Einbruch keine Rede sein.

Dass Rückschläge irgendwann kommen werden, steht für Knights-Manager Chris Schmid außer Frage. „Erst dann wird sich zeigen, ob wir wirklich ein Topteam sind,“ sagt er und ergänzt: „Darauf kann ich jedoch gerne noch warten“. Mehr Aufschluss gibt es wohl schon nach diesem Wochenende mit den beiden Spielen am Freitag zuhause gegen Bremerhaven und am Sonntag beim Tabellenführer in Jena: Schmidt: „Dann werden wir wissen, wo wir stehen“.

 

Kayne Henry als Trainingsgast

Mit Kayne hätten wir im vergangenen Jahr den Titel geholt, wird Knights-Head Coach Igor Perovic nicht müde zu betonen. Bitteschön: Der Engländer, der vor zehn Tagen zum ersten Mal Papa wurde, trainiert nach seinem Achillessehnenriss mit den Knights und ist auf der Suche nach einem Job. Anfragen aus der Pro A gab es offenbar bereits. Eine Rückkehr des Publikumslieblings ins Kirchheimer Team scheint derzeit aber kein Thema zu sein. „Das wäre im Moment weder finanziell machbar, noch schlau“, sagt Sportchef Chris Schmidt über das aktuelle Mannschaftsgefüge. bk