Lokalsport
Knights: Die bittere Wahrheit hinter nackten Zahlen

Basketball Keine Mannschaft trifft weniger Dreier, kein Gegner erzielt weniger Punkte – die Ritter suchen vor Weihnachten nach einem Ausweg aus der Offensiv-Krise. Von Bernd Köble

Um zu sehen, wie man Nackenschläge wegsteckt, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten nicht verliert und am Ende ein Spiel doch noch gewinnt, musste Igor Perovic am Wochenende fernsehschauen. Das vielleicht spektakulärste Finale der WM-Geschichte im Fußball, ließ auch Kirchheims Basketballtrainer am Sonntag nicht kalt. Einen Schuss Argentinien, das ist es, was seine Mannschaft im Moment gut gebrauchen könnte. Perovic ist einer, der den Sport liebt und diese seine Welt nicht nur durch die Basketballbrille betrachtet. Einer, der als Spieler und Trainer alle Höhen und Tiefen erlebt hat und der am Samstag am Spielfeldrand in Trier zum ersten Mal resigniert wirkte. „Es ist eine harte Zeit, aber ich hab‘ Freude an meinem Job,“ betont der 48-Jährige. So, als wolle er jeglichen Verdacht entkräften, da habe einer die Nase gestrichen voll.

Unstrittig ist: Der Job des Trainers bei den Knights ist emotional fordernd wie lange nicht mehr. Auch deshalb, weil die Fallhöhe nach Erfolgserlebnissen so gewaltig ist, weil der Coach nach Spielen wie am Samstag seiner Mannschaft nur begrenzt Vorwürfe machen kann. „25 Minuten lang haben wir das Spiel kontrolliert,“ meint er. Trotz eines Gegners in Bestbesetzung und obwohl wieder einmal drei entscheidende
 

„Es ist eine harte Zeit, aber ich hab‘ Freude an meinem Job.
Igor Perovic
 

Kräfte gefehlt haben. Eine Halbzeit lang lag eine Überraschung in der Luft. Dann stellte sich der Gegner besser auf die Gäste ein, und die machten plötzlich dort weiter, wo sie gegen Bremerhaven aufgehört hatten. Mit einem Fehlwurf-Festival, mit dem sich kein Spiel dieser Welt gewinnen lässt: ganze 19 Punkte flossen in der gesamten zweiten Spielhälfte aufs Konto der Kirchheimer. Als mit Ty Nash, der Schlüsselspieler nach dem fünften Foul auf die Bank musste, tat Perovic das einzig Sinnvolle: Er beendete dieses Kapitel und schenkte seinen U18-Nachwuchskräften Nil Failenschmid und Edolind Paqarada ein paar Spielminuten.

Wer Erklärungen sucht, muss feststellen, dass die Wahrheit wie so oft zwei Seiten hat: In bisher zwölf Saisonspielen stand Perovic kein einziges Mal der komplette Kader zur Verfügung. Spiele mit verkürzter Rotation zu bestreiten, ist das eine. Ohne geordnetes Training auskommen zu müssen, etwas ganz anderes. Das verletzungsbedingte Saison-Aus für Mitch Lightfoot riss vor einer Woche das nächste Loch in die eigentlich komfortable Personaldecke. Im Moment wird nach Wegen gesucht, bis Ende Januar doch noch Ersatz für den Amerikaner an Land zu ziehen. Für Perovic, der diese Woche immerhin mit der Rückkehr von Jonas Niedermanner und Besnik Bekteshi rechnen kann, ist völlig klar: „Wir brauchen Verstärkung.“ 

Teil zwei der Wahrheit: Die, die da sind, müssten es eigentlich besser können. Um mit fehlendem Rhythmus oder mangelndem Selbstvertrauen alles, was im Moment schiefläuft, zu erklären, dafür steckt zuviel Potenzial in dieser Mannschaft. Wenn seit Wochen selbst einfachste Layups verlegt werden, man wie am Samstag nur 68 Prozent seiner Freiwürfe trifft, dann muss mehr dahinter stecken. Trotz eigentlich versierter Werfer wie Michael Flowers, Paul Giese oder Richie Williams haben die Knights mit 31,3 Prozent die schlechteste Dreier-Quote aller Teams in der Pro A. Keine Mannschaft hat in dieser Saison bisher weniger Punkte erzielt, nämlich nur 74,4 Zähler im Schnitt. Zum Vergleich: Phoenix Hagen, zurzeit auf Platz drei in der Tabelle, liegt bei knapp 89. 

Darauf zu vertrauen, dass es am Ende genügend Mannschaften mit größeren Problemen gibt, ist riskant. Tabellenschlusslicht Leverkusen hatte Spitzenreiter Vechta am Samstag am Rand der zweiten Saisonniederlage. Einen Tag zuvor brachte der Vorletzte aus Schwenningen den Hagenern ihre erst vierte Niederlage im zwölften Spiel bei. Holen die Knights auch am Freitag daheim gegen Karlsruhe und am zweiten Weihnachtstag in Nürnberg keine Punkte, beginnt das neue Jahr mit Abstiegssorgen. Igor Perovic schiebt solche Gedanken im Moment noch weit von sich. „Wir werden unsere Punkte holen, und wir werden auch wieder in der Lage sein, für Überraschungen zu sorgen,“ ist Kirchheims Coach überzeugt. Für ihn heißt das auch: Darauf vertrauen, dass die Mannschaft den Glauben an sich selbst wiederfindet und dass Spieler wieder häufiger das tun können, was ihren Job ausmacht: spielen.