Basketball-Saisonstart
Knights feiern die Rückkehr der Samstagabend-Show

Kirchheims Zweitliga-Basketballer scheinen dort weiterzumachen, wo sie in der vergangenen Saison aufgehört haben. Nach der unerwarteten Gala gegen Gießen sind die Erwartungen groß. Sorge bereitet Dorns Verletzung.

Cameron Henry zieht ab, und der nächste Dreier sitzt. Ex-Nationalspieler Robin Benzing und sein Coach Frenki Ignjatovic (ganz rechts) bleibt da nur, staunend zuzuschauen. Foto: Nina Sander

Je kleiner der Kessel, desto schneller geht‘s Richtung Siedepunkt. 112 Dezibel haben findige Experten beim grandiosen 5:1-Heimsieg des VfB Stuttgart am Sonntag vor 60.000 Zuschauern in der MHP-Arena registriert. 112 Dezibel, dem entsprach auch der Lärmpegel beim öffentlichen Soundcheck von Knights-Hallensprecher Daniel Zirn in der Kirchheimer Sporthalle Stadtmitte. Kirchheim war pünktlich zum Saisonstart „on fire“. Das gilt fürs Publikum, vor allem aber für die neuformierte Mannschaft, eine der jüngsten der gesamten 2.Liga.

Was von der im Regelbetrieb zu erwarten sein würde, wusste niemand. Erst recht nicht Frenki Ignjatovic, der anders als sein Kirchheimer Trainerkollege durch Pflichten im BBL-Pokal kaum Gelegenheit fand, den Gegner ausführlich zu scouten. Kurz vor 21 Uhr am Samstagabend wußte Ignjatovic Bescheid – und war fürs Erste restlos bedient.

Minutenlang saß Gießens Coach wie versteinert neben der Bank und starrte auf den Statistikbogen in seiner Hand. Als könnte er nicht glauben, was da stand. Der selbsterklärte Aufstiegsaspirant um den Kapitän und 167-fachen Nationalspieler Robin Benzing war beim 73:92 gegen nur schwer ausrechenbare Kirchheimer chancenlos. Die Knights gnadenlos effektiv, mit einer Wurfquote von 60 Prozent aus dem Feld und 14 verwandelten Dreiern,

Wenn Kirchheim so spielt wie heute, werden sie nicht viele Spiele verlieren.

Gießens Coach Frenki Ignjatovic wagt eine Saison-Prognose

 

gleichzeitig mit einer giftigen Verteidigung von der ersten Minute an. Doch der vielleicht wichtigste Aspekt wurde es später sichtbar: Als bei Gießen zu Beginn des Schlussviertels plötzlich der Ball schneller zirkulierte und häufiger den Weg zum freien Mann fand, schmolz der komfortable Kirchheimer Vorsprung plötzlich bis auf sechs Punkte. Nicht wenige in der Halle erwarteten spätestens jetzt überhastete Aktionen und das große Nervenflattern. Doch nichts davon geschah. Cameron Henry – Topscorer mit 24 Punkten – James Graham und Braden Norris rissen das Ruder herum und stellten den alten Abstand wieder her.

Beeindruckt von der Entschlossenheit und Kaltschnäuzigkeit der Gastgeber waren viele an diesem Abend. Knights-Teammanager Chris Schmidt sprach von einer ersten Halbzeit „nah am Optimum“, Gästecoach Frenki Ignjatovic meinte: „Wenn Kirchheim spielt wie heute, werden sie nicht viele Spiele verlieren“. Selbst sein Kollege Igor Perovic musste einräumen: „Ich war erstaunt, mit welcher Energie wir diesen Fight heute angenommen haben“.

Perovic sorgte selbst für die eine oder andere Überraschung, indem er in der ersten Halbzeit seinem neuen Spielmacher Bradon Norris immer wieder längere Auszeiten verordnete und Aleksa Bulajic die Verantwortung im Spielaufbau übertrug. Der 22-Jährige, der eine durchwachsene Saison mit einigen Enttäuschungen hinter sich hat, bedankte sich mit drei erfolgreichen Dreiern und elf Punkten bereits zur Halbzeitpause. „Aleksa hat zuletzt unheimlich gut trainiert,“ begründete Perovic seine Entscheidung. „Er hat sich diese Chance an diesem Abend redlich verdient.“

Überhaupt: Alternativen auf der Spielmacherposition scheint es in dieser Saison einige zu geben. Norris lieferte eine starke Premiere ab und war mit 19 Punkten und fünf Assists einer der auffälligsten Kirchheimer. Mit drei von vier Dreiern setzte er die entscheidenden Nadelstiche in den wenigen kritischen Spielphasen. Allerdings unterstrich auch Cameron Henry, dass er als großgewachsener Combo-Guard nicht nur scoren, sondern durchaus ein Spiel organisieren kann. Bleibt schließlich noch Routinier Dimi Ward, der am Samstag zwar blass blieb, vergangene Saison seinen Wert als erfahrener Backup aber mehrfach unter Beweis gestellt hat.

Ein Sonderlob gab es auch für Toni Dorn. Der 21-Jährige legte am Brett einen furiosen Start hin und kam bereits nach fünf Minuten auf sieben Punkte und eine Korbvorlage. Danach war allerdings jäh Schluss. Dorn musste mit Adduktorenproblemen vom Feld. Eine ärztliche Diagnose steht noch aus. „Seine Schmerzen sind übers Wochenende nicht besser geworden,“ sagt sein Trainer. „Jetzt müssen wir die Untersuchungsergebnisse abwarten.“ Wie schwer ein längerer Ausfall des 2,13-Meter-Mannes wiegen könnte, wurde nach seiner Auswechslung deutlich. Die Knights hielten gegen körperlich überlegene Gießener zwar mit viel Tempo dagegen und trafen weiter hochprozentig, taten sich unterm Korb gegen Riesen wie Vujic oder Benzing allerdings enorm schwer. Vor allem Benzing war im Schlussviertel ständige Anspielstation, ohne daraus allerdings Kapital schlagen zu können. Das Missverhältnis von 4:17 Offensivrebounds war denn auch der einzige Kritikpunkt, den Perovic an diesem Abend fand. „An einem anderen Tag kann so etwas richtig weh tun,“ meinte der Coach.