Lokalsport
Knights vor Saisonstart: Perovics Déjà-vu-Erlebnis

Basketball Eine schwierige Vorbereitung und drei Verletzte auf Schlüsselpositionen: Die Knights müssen sich am Samstag in der Göppinger EWS-Arena gegen einen Top-Gegner neu erfinden. Von Bernd Köble

Krämpfe statt Krampf oder dunken bis der Arzt kommt – in diesem Fall der Physio. Weil ­Kayne Henry auch in der Horizontalen zwei Meter misst, musste im Schlussviertel gegen Schwenningen hinter der Bank erst mal Platz geschaffen werden. Bevor der 23-jährige Brite unter Schmerzen niedersank, hatte er den Ball per Alley oop zum vierten Mal in diesem Spiel durch den Ring gedroschen und sich auch sonst das Herz aus dem Leib gespielt. Die Gruppe Fans, die an diesem Abend die letzte Chance nutzte, im Testspiel gegen einen Ligakonkurrenten einen Blick aufs neue Team zu werfen, war komplett aus dem Häuschen. Momente, in denen auch einem Stoiker wie Igor Perovic ein flüchtiges Lächeln übers Gesicht huscht.

 

Natürlich machen wir uns Sorgen.
Chris Schmidt Der Sportchef der Knights wäre gerne unter günstigeren Voraussetzungen in die Saison gestartet.

Alles bestens also? Nicht ganz. Dass die Knights sich den vollzählig erschienenen Gegner auch ohne echten Spielmacher in ihren Reihen zurechtlegten, könnte als Indiz für Kirchheimer Flexibilität oder Schwenninger Schwäche ausgelegt werden. Auf jeden Fall offenbart es ein Problem, dass in Kirchheim nicht neu ist. Wie schon im Vorjahr muss Headcoach Igor Perovic im Spielaufbau mit einem Experiment in die Pro A starten. Vor dem Saisonauftakt in der Göppinger EWS-Arena werden gegen Tübingen Erinnerungen wach. Im Vorjahr mussten die Knights beim Start gegen den Lokalrivalen eine deutliche Niederlage einstecken. Danach dauerte es drei Spieltage, ehe die Ritter nach Verletzungspech und personellen Fehlgriffen ihre Wunschformation gefunden hatten.

Jetzt spielt ihnen das Schicksal wieder einen Streich: Rückkehrer Richie Williams, routinierte Erstbesetzung in der Spielmacherrolle, fällt mit Entzündung im Sprunggelenk ebenso aus wie Besnik Bekteshi, der nach einer Corona-Infektion vor sechs Wochen noch immer unter den Folgen leidet. In beiden Fällen ist völlig ungewiss, wie es weitergeht. Als ob das nicht schon reichte, muss Tim Koch wegen anhaltender Knieprobleme passen. Am Montag stand mit dem 31-jährigen Dänen Thomas Laerke bereits Ersatz in der Halle. Die Last-Minute-Verpflichtung soll vorerst helfen, die Lücken im Backcourt zu schließen. „Die Situation ist natürlich nicht einfach“, sagt Headcoach Igor Perovic. Wieder einmal.

Sein Problem: Auch Laerke ist kein Point Guard, sondern eher auf den Positionen zwei und drei beheimatet. Weil mit einer Rückkehr von Richie Williams wohl am ehesten zu rechnen sein wird (ein weiterer Medizin-Check findet am Donnerstag statt), fiel die Entscheidung auf diese ­Variante. Was für den Dänen spricht, ist seine Erfahrung. Laerke ­wurde mit den Bakken Baers zuletzt immerhin fünfmal in Folge dänischer Meister und stand jahre­lang in der Champions League auf dem Parkett. „Wir brauchten einen smarten Spielertyp, dem man nicht lange die Systeme erklären muss“, sagt Knights-Sportchef Chris Schmidt. Weil zudem keine Zeit war, auf eine langwierige Arbeitserlaubnis zu warten, musste es ein Europäer sein.

Das bedeutet, dass Neuzugang ­Michael Flowers auf der Eins mehr Verantwortung übernehmen muss als anfangs ge­plant. Im Spiel gegen Schwenningen jedenfalls lieferte der Amerikaner, der eigentlich aufgrund seiner Scorer-Qualitäten verpflichtet wurde, in der Spielmacher-Rolle eine solide Partie ab.

Der Anfang könnte dennoch holperig werden, zumal mit Center Tyrone Nash der letzte Baustein erst am Dienstag zur Mannschaft stieß. Ohne vier zentrale Kräfte war über weite Strecken der Vorbereitung kein sinnvolles Training möglich. Dafür waren die Auftritte gegen die BBL-Vertreter aus Ulm und Heidelberg trotz zweier Niederlagen positiv. Das schwere Testprogramm gegen hochklassige Gegner bereut Perovic trotz der bezogenen Prügel in Ludwigsburg nicht. „Vor allem für die Jüngeren war das wichtig“, sagt er. „Damit weißt du, wo du stehst.“

Die Frage, wo die Knights beim Start am Samstag stehen werden, sorgt zumindest für Unbehagen. Vor ungewohnter Kulisse in der EWS-Arena wartet mit dem letztjährigen Hauptrundengewinner Tübingen ein Gegner, der auf sieben Positionen unverändert und im Rhythmus ist. „Natürlich hätten wir uns andere Voraussetzungen für dieses Spiel gewünscht. Und ja, natürlich machen wir uns Sorgen“, räumt Chris Schmidt ein.

Spannender Mix im Kader

Eine harte ­Bewährungsprobe also für eine Mannschaft, die wie so häufig in Kirchheim eine Menge Talent mitbringt und sich im laufenden Betrieb erst finden muss. Die Chemie scheint zu stimmen, die Mischung ist wie immer spannend: Junge Wilde wie Kayne Henry oder Michael Flowers werden flankiert von erstligaerfahrenen Kräften wie Richie Williams oder Tyrone Nash. Dazu kommen durchsetzungsstarke Deutsche wie Paul Giese oder Jonas Niedermanner, von dem Perovic behauptet, er bringe eine natürliche Aggressivität ins Spiel, die im Basketball selten sei. Mit dem erst 19-jährigen Kilian Fischer ist zudem ein Eigengewächs auf bes­tem Weg, sich mit viel Mut und Kaltschnäuzigkeit einen festen Platz zu erkämpfen.

„Wir haben einiges an Qualität – was uns fehlt, ist Zeit“, meint Perovic, dessen bestimmter, aber ruhiger Führungsstil auch in diesem Jahr zum wichtigen Faktor werden dürfte. Als Spieler und Trainer hat er jede Situation schon mal erlebt und weiß, wie wichtig ein langer Atem ist. „Eine Saison ist kein Sprint“, sagt der 48-jährige Serbe. „Eine Saison ist wie ein Marathon.“

Mehr als 3000 Tickets bereits verkauft

Mit bisher mehr als 3000 verkaufter Tickets ist das Interesse am Spiel der Knights gegen die Tigers Tübingen jetzt schon deutlich größer als beim letzten Ortswechsel vor vier Jahren in der Stuttgarter Scharrena. Auf dem Weg, neue Märkte in der Region zu erschließen, gelten die Spiele vor größerer Kulisse an Ausweichorten als notwendiger Schritt und wirtschaftlicher Erfolg.
Sportlich steht der Erfolg noch aus. Am 1. Dezember 2018 unterlagen die Knights in der Scharrena mit Trainer Mauricio Parra vor knapp 1900 Zuschauern Heidelberg mit 68:81. Topscorer beim Gegner war mit 26 Punkten Jaleen Smith, der mit Alba Berlin zuletzt Pokal und Meistertitel holte und bei den Hauptstädtern drittbester Werfer war. bk