Aus berechtigter Hoffnung wird Gewissheit: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat den Wahl-Weilheimer Mountainbiker Luca Schwarzbauer für einen der beiden Startplätze am Colline d’Elancourt vor den Toren von Paris am 29. Juli nominiert. Der 27-Jährige setzt damit die Tradition der Fumic-Brüder fort, die von 2000 in Sydney bis 2021 in Tokio die schwäbische Fahne bei den Mountainbike-Wettbewerben hochgehalten haben.
„Sich bald Olympionike nennen zu können, ist schon etwas Besonderes“, sagt Schwarzbauer in seiner bescheidenen Art. Die Nominierung kam für den Studenten der Hochschule Esslingen wenig überraschend. Schließlich ist er seit Monaten der mit Abstand beste deutsche Mountainbiker in der Weltrangliste und im Weltcup, dessen Disziplin „Shorttrack“ er im Vorjahr gewann.
Mehr zittern mussten Julian Schelb (Freiburg, Stop & Go Marderabwehr) und Nina Benz (ebenfalls Freiburg, Lexware), die sich gegen David List (Freiburg, Lexware) und Lia Schrievers (Bayreuth) mit ihren überzeugenderen Leistungen in den vergangenen Wochen durchsetzten. Kira Böhm (Weilheim) wurde als eine der beiden Ersatzfahrerinnen nominiert, sollte Benz noch kurzfristig ausfallen.
Doch für beide steht an diesem Wochenende der letzte europäische Weltcup der Saison an: Auf der traditionsreichen Strecke von Les Gets in den französischen Alpen, wo 2022 die Weltmeisterschaften ausgetragen wurden, kommt es zum letzten großen Kräftemessen der Athleten vor den Olympischen Spielen.
Während Kira Böhm auf der Strecke in dem Ski- und Mountainbike-Ort auf knapp 1200 Metern Seehöhe in Hochsavoyen vor allem ihre beiden Führungstrikots verteidigen will, will Schwarzbauer nicht zu viel riskieren: Zu wichtig ist das olympische Rennen vier Wochen später.
Manche Sportler werden deswegen den Weltcup daher auch komplett auslassen: Sei es, um sich auf das wichtigste Rennen der vergangenen drei Jahre oder vielleicht sogar ihres Lebens konzentriert und optimal vorzubereiten, zum Beispiel in Höhentrainingslagern, sei es, um jedwedem Verletzungsrisiko bestmöglich aus dem Weg zu gehen. So fehlen unter anderem der Französische Meister Jordan Sarrou oder Olympiasieger und Weltmeister Tom Pidock (Großbritannien).
Für Schwarzbauer sei es zwar kein Trainingsrennen, betont er, aber auch er werde sicher kein großes Risiko eingehen. Es könnte also in Les Gets zu einer eher untypischen Ergebnisliste kommen: Die Top-Favoriten gehen kein Risiko mehr ein oder sind gar nicht erst da. Die, die bei den Nominierungen übergangen worden sind – so sind allein fünf Schweizer in der Weltrangliste vor dem aktuell zwölften Luca Schwarzbauer, aber auch die Eidgenossen dürfen mit Nino Schurter und Mathias Flückiger nur zwei Sportler mitnehmen –, wollen zeigen, dass sie vielleicht die bessere Wahl gewesen wären. Oder bei ihnen ist nach den quälend langen Qualifikationsprozessen die Luft raus, und sie müssen sich durch die Höhenluft von Les Gets quälen.
Für Schwarzbauer war dieses Rennen 2019 die Initialzündung in der Eliteklasse. Nachdem er bis dahin auf Plätzen zwischen 70 und 80 herumgefahren war, erreichte er in Les Gets mit dem 25. Platz sein erstes Top-Resultat, das er in den Wochen danach bei der Europameisterschaft und beim Weltcup in Val di Sole bestätigte. „Es sind noch vier Wochen, in denen ich nun die Pobacken zusammenkneifen muss“, so Schwarzbauer, der mit dem bisherigen Saisonverlauf nur teilweise zufrieden ist, auch wenn er sich auf einem guten Weg sieht. Aber der Fokus liegt dabei klar auf den Olympischen Spielen: So hat er am Dienstag noch zu Hause eine ungewöhnlich harte Trainingseinheit eingeschoben, bevor er sich auf den Weg nach Frankreich machte: „Solche Intervalle würde ich sonst vor einem Weltcup nie fahren.“
Wie der genaue Trainingsplan bis Ende Juli aussehen wird, wird ihm sein südafrikanischer Trainer Barry Austin verraten. Aber vorher muss Schwarzbauer in Les Gets abliefern. Genauso wie Kira Böhm, deren Vorsprung in den beiden Weltcup-Gesamtwertungen in den Disziplinen Shorttrack (XCC) und die olympische Distanz (XCO) kontinuierlich geschmolzen ist. Die Strecke im Bikepark dürfte der 21-Jährigen entgegenkommen. „An sich mag ich die Strecke mit ihren beiden längeren Anstiegen. Wenn sie nass ist, kann man trotzdem alles fahren“, erinnert sie sich mit Schaudern an das Weltcup-Rennen in Crans Montana vor zwei Wochen.