Ein besonderes Flair liegt über den Europameisterschaften der Mountainbiker, die am Sonntag im kleinen Kur- und Wintersportort Krynica-Zdrój ganz im Südosten Polens ausgefahren werden. Anders als 2015, als Europameisterschaften und die European Games, der kleine europäische Bruder der Olympischen Spiele, zwei unterschiedliche Veranstaltungen waren, sind sie nach der Pause 2019, als Mountainbike nicht im Reigen der Sportarten der European Games war, heuer vereint in einem einzigen Rennen.
Zumindest für die Elite. Der Nachwuchs der Junioren und U 23 wird seine Europameisterschaften wie schon im vergangenen Jahr in zwei Wochen im portugiesischen Anadia austragen. Und wie immer, wenn die nationalen olympischen Verbände involviert sind, wird alles ein bisschen größer, wuchtiger, überdimensionierter. Mit neuen Stadien, vielen Helfern, einer riesigen Dachorganisation – und einer komplett neuen Mountainbikestrecke.
Und „neu“ heißt hier wirklich neu. Eine künstliche, rund vier Kilometer lange Strecke mit 170 Höhenmetern wurde hier in den Berg gezimmert, mit vielen künstlichen Hindernissen und Elementen aus Pumptracks, BMX- und Four-Cross-Kursen: „So eine Strecke hatten wir noch nie“, sagt denn auch Mountainbike-Bundestrainer Peter Schaupp. Und Mountainbiker Luca Schwarzbauer aus Reudern ergänzt: „Sie ist speziell, wie die meisten Kurse bei Europameisterschaften. Aber auch hier wird der Beste gewinnen.“
Vor allem die steilen Anstiege und die am Freitag beim ersten Training schwül-heiße Luft machten dem 26-Jährigen zu schaffen. „Aber die physische Form ist da“, ist sich der derzeit beste Deutsche in der Weltrangliste und im Weltcup sicher.
Doch wer Schwarzbauer kennt, weiß, dass ihm vor allem sein gewohntes Umfeld Sicherheit gibt. Bei den European Games ist das Team im Hintergrund aber nicht seine gewohnte Profi-Mannschaft Canyon-CLLCTV, sondern ausschließlich der Bund Deutscher Radfahrer, der unter der Leitung von Bundestrainer Schaupp Mechaniker und Physiotherapeuten stellt. „Das ist dann vom Gefühl her schon war anderes, auch wenn sich alle bemühen, ihr Bestes zu geben.“
Und so wird Schwarzbauers Psyche am Sonntag eine nicht unerhebliche Rolle spielen: „Ich werde versuchen, Vollgas zu geben. Aber ich weiß nicht, ob ich wirklich auf den Punkt genau fit bin“, meint der Reuderner, der noch vor einer Woche beim Weltcup in Leogang im Kampf gegen die komplette Weltspitze sowohl im Shorttrack als auch über die olympische Distanz Zweiter geworden war.
Am Sonntag werden einige seiner Gegner von vergangener Woche fehlen: Natürlich erst einmal alle Nicht-Europäer, aber auch einige namhafte Schweizer und Franzosen haben auf ihre Teilnahme in Galizien verzichtet, allen voran Titelverteidiger Tom Pidcock (Großbritannien), Weltmeister Nino Schurter und sein Landsmann, der Schweizer Meister Mathias Flückiger und der Shorttrack-Sieger von Leogang Jordan Sarrou (Frankreich). „Aber es sind mit Lars Forster und einigen anderen schon ein paar da, die richtig schnell fahren können“, gibt Schwarzbauer zu bedenken. „Eine Medaille wäre toll und das Trikot noch viel besser“, sagt Schwarzbauer: „Nach den Ergebnissen der vergangenen Woche könnte ich dazu in der Lage sein.“
Zuletzt konnte Manuel Fumic 2017 eine Medaille in der Elite-Klasse der Männer gewinnen. Moritz Milatz war 2012 in Moskau der bislang einzige Deutsche, der sich jemals das Trikot des Europameisters überziehen durfte. Damals regnete es in Strömen, es war eine wahre Schlammschlacht in einem Park mitten in der russischen Hauptstadt – mit einem heftigen Gewitterschauer endete auch das erste Training von Luca Schwarzbauer auf der EM-Strecke: „Den meisten Abschnitten dürfte der Regen nichts machen, die Strecke ist bestens präpariert. Aber ein kleiner Teil wird sicher aufgeweicht sein – das könnte dann am Sonntag ganz schön wild werden.“