Erst infiziert, dann lahmgelegt – immer mehr Spitzenathleten klagen über Herzprobleme als Folge einer Coronainfektion. Warum das Thema auch für Freizeitsportler von Bedeutung ist, und was es für sie zu beachten gilt, wollten wir vom Kirchheimer Kardiologen Dr. Norbert Smetak wissen.
Herr Smetak, Freizeitsportler stehen in der Regel weniger unter ärztlicher Aufsicht als Profis. Welche Risiken ergeben sich in Pandemiezeiten daraus?
Grundsätzlich gilt bei jedem Infekt, der fieberhaft ist, man sollte mindestens zwei Wochen lang keinen Sport machen. Wenn jemand eine Infektion ohne Beschwerden hatte, dann liegt in der Regel auch keine kardiale Beteiligung vor, die ein erhöhtes Risiko beim Sport bedeutet. Jede Infektion kann im Prinzip aufs Herz gehen. Entscheidend ist immer, habe ich Symptome wie Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen. Trotzdem empfiehlt man jemand, der einen positiven PCR-Test erhalten hat, generell für zehn Tage auf Sport zu verzichten. Das ist auf jeden Fall der sicherste Weg.
Was bedeutet in diesem Fall kein Sport?
Bewegung auf Spaziergang-Niveau. Wer symptomfrei ist und unbedingt Sport treiben möchte, der sollte sich zumindest einem Belastungs-EKG und einer Laboruntersuchung, einem sogenannten Troponin-Test, unterziehen. Das ist ein Marker im Blut, über den sich auch schon leichte Herzschädigungen feststellen lassen.
Haben solche Fälle seit Beginn der Pandemie in ihrem Praxisalltag zugenommen?
Ganz klar ja. Ich habe zurzeit drei Patienten mit Herzmuskelentzündung im Rahmen von Covid in Behandlung und sehr viele mit sogenannten Long-Covid-Symptomen, die unter Leistungseinbrüchen und Luftnot leiden. Menschen achten jetzt natürlich auch mehr auf solche Symptome und suchen ärztlichen Rat.
Wer sich hoch belastet, schwächt zumindest vorübergehend sein Immunsystem. Sportmediziner sprechen vom „Open-Windows-Effekt“. Sind Sportler in solchen Phasen besonders gefährdet, an Covid zu erkranken?
Das Problem haben nur Hochleistungssportler, also Athleten, die körperlich extrem an ihre Grenzen gehen, wie beispielsweise Marathonläufer. Normalsportler mit drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche sind sicher nicht gefährdeter.
Sporttreibende nehmen oft für sich in Anspruch, ein gutes Körpergefühl zu haben. Wie ratsam ist es, bei der Herzbelastung allein der inneren Uhr zu vertrauen?
Gefühle können trügen. Das ist immer problematisch und hängt auch vom Gesamtstatus ab. Wie alt ist jemand, wie gut trainiert ist er, was hat er für Zusatzerkrankungen? Man sollte sich nicht pauschal auf sein Gefühl verlassen. Manche Dinge passieren nur zweimal im Leben – das erste und letzte Mal. Wer intensiven Sport treibt, sollte ab 60 Jahren generell regelmäßig zum Belastungs-EKG gehen.
Selbst im Spitzensport gibt es immer wieder Fälle plötzlichen Herztods. Viele Freizeitsportler sehen darin eine ständige Bedrohung. Seltene Ausnahmen oder berechtigte Sorge?
Das hängt wieder von der Gruppe ab. Bei älteren Sportlern ist das durchaus häufig. Die Sportart, wo das am meisten passiert, ist Laufen.
Wie würden Sie „älter“ definieren?
Beim Mann steigt das Risiko für einen solchen plötzlichen Herztod ohne Vorboten ab einem Alter von 50 deutlich an. Bei Frauen etwa zehn Jahre später. Mit zunehmendem Alter gibt es mehr Ablagerungen in Herzkranzgefäßen. Bei körperlicher Anstrengung steigt der Blutdruck stark an. Es entsteht eine hohe Scherkraft auf diese Plaques, die dadurch aufplatzen können. Besonders gefährdet sind solche Menschen, die Risikofaktoren haben wie hohe Cholesterinwerte, Diabetes oder Nikotinabhängigkeit. Bei ihnen sind diese Plaques häufig instabil.
Immer wieder gibt es selbst live im Fernsehen Schockbilder, wie beim kurzzeitigen Herzstillstand des dänischen Fußball-Nationalspielers Christian Eriksen bei der EM im Vorsommer. Nehmen solche Fälle zu oder wird nur häufiger und ausführlicher darüber berichtet?
Meines Wissens haben solche Fälle nicht zugenommen. Das Gefühl mag tatsächlich an der Aufmerksamkeit liegen, die sie erzeugen. Dass Todesfälle im Zusammenhang mit Herzerkrankungen absolut gesehen häufiger werden, liegt schlicht daran, dass die Gesellschaft älter wird. Bei den Jüngeren ändert sich nichts.
Ein Hobbysportler hat sich mit Corona infiziert, Symptome ignoriert und sich eine Herzmuskelentzündung zugezogen. Was erwartet den?
Das hängt davon ab, wie verantwortungsvoll er sich verhält. Herzmuskelentzündungen, wenn sie nicht ausheilen, können schwerste Folgen wie etwa eine Herzschwäche hinterlassen. Das kommt vor, wenn der Herzmuskel vernarbt. Das kann dazu führen, dass jemand dauerhaft nicht mehr leistungsfähig und auch herztodgefährdet ist. Bei entsprechendem Verhalten sind die Prognosen gut. Entzündungen am Herzen heilen in der Regel folgenlos aus.
Ist das Risiko für solche Entzündungen wiederum abhängig vom Alter?
Das kann auch einem ganz jungen Menschen passieren. Entzündungen können jede Altersgruppe gleichermaßen betreffen.
Sie attestieren jemandem ein gesundes Herz. Drei Tage später liegt er beim Joggen tot im Wald. Welche Verantwortung tragen Sie als Arzt?
Das ist mir zum Glück noch nie passiert. Wenn mich jemand fragt, können Sie mir meine Gesundheit garantieren, dann antworte ich immer: Nur der Tod lässt sich zu hundert Prozent garantieren. Man kann nur mit hinreichender Sicherheit Dinge ausschließen oder bestätigen. In der Untersuchung gibt es bei Zweifeln Ergänzungsmethoden wie beispielsweise ein Coronar-CT. Wenn man als Arzt bei der Risikoabschätzung alle Faktoren wie Alter, Vorgeschichte und Zusatzuntersuchungen berücksichtigt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass trotzdem etwas passiert, sehr gering. Völlige Sicherheit gibt es nie. Ich ziehe da immer gern das Beispiel des Marathonläufers in der Wüste heran. Wer sich massiv überfordert, kann sich auch mit gesundem Herz umbringen.
Zur Person
Dr. Norbert Smetak ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit eigener Praxis in Kirchheim. Als Vizepräsident steht er zudem an der Spitze des Bundesverbands Deutscher Internisten (BDI).