„Ohne Dich würde ich heute nicht hier stehen.“ Klaus Geißler drückt seinem Lebensretter fest die Hand, hat Tränen in den Augen. Zum ersten Mal begegnen sich die beiden am Freitag im Rübholz nach dem schweren Zwischenfall, der dem ehemaligen Ötlinger Jugendtrainer beinahe das Leben gekostet hat. „Gottseidank war ich wie jeden Sonntag auf dem Sportplatz“, sagt Klaus Geißler. Es war der 1. Dezember, gerade spielte die SGOH II gegen den TSV Ötlingen II auf dem Sportplatz in Holzmaden. Für den 64-Jährigen war es eigentlich ein Tag wie jeder andere. „Mir ging es so weit gut, ich hatte keine besonderen Beschwerden.“ Doch plötzlich fingen seine Augen an zu flimmern. „Das war alles, was ich gemerkt habe. Dann muss ich wohl umgekippt sein. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass jemand meinen Namen gerufen hat.“
Es erfordert Mut und Ausdauer, einen Menschen nicht aufzugeben. Das sollte Vorbild sein.
Knut Kircher, Geschäftsführer der deutschen Elite-Schiedsrichter
Johannes Focht, Co-Trainer der zweiten Ötlinger Mannschaft, hatte im Augenwinkel gesehen, dass jemand hinter ihm umgefallen ist. „Unsere zweite Halbzeit lief gerade erst seit zehn Minuten. Ich hab‘ sofort reagiert, bin zu ihm und habe gemerkt, dass er nur noch hechelt“, erinnert sich der 36-Jährige, der gleich mit der Herzdruckmassage anfing. Kurze Zeit später eilte Majd Soud herbei, löste ihn ab. Der 30-jährige Syrer aus Stuttgart-Riedenberg war als Schiedsrichter für das nachfolgend angesetzte Spiel der ersten Mannschaften eingeteilt und gerade erst am Sportgelände angekommen. „Ich habe gesehen, dass jemand auf dem Boden liegt, hab meine Tasche hingeworfen, die Jacke ausgezogen und gleich geholfen“, erzählt der Banker. Bei seinem Arbeitgeber lässt er sich regelmäßig als Ersthelfer schulen, weiß daher, was zu tun ist. Im Ernstfall einsetzen musste er seine Fähigkeiten bislang aber noch nie. „Man kann nichts falsch machen. Nur wenn man nichts macht, ist es falsch.“ Rund 20 Minuten lang reanimierten die beiden Ersthelfer den bewusstlosen Klaus Geißler. Ein Zuschauer gab Mund-zu-Mund-Beatmung. „Wir hatten noch überlegt den Defibrillator einzusetzen, aber dann kam endlich der Krankenwagen“, berichtet Majd Soud. Der 64-Ötlinger kam mit Verdacht auf Herzinfarkt auf die Intensivstation des Kirchheimer Krankenhauses. „Es hat sich dann herausgestellt, dass ich eine Lungenembolie auf beiden Seiten hatte“, erzählt Klaus Geißler, der insgesamt zehn Tage lang in der Klinik bleiben musste. „Jetzt geht es mir jeden Tag ein bisschen besser.“
Dass er bei der Ehrung der unerschrockenen Lebensretter dabei sein konnte, bedeutet ihm viel. Und nicht nur ihm, auch einige Spieler der zweiten Mannschaft des TSV Ötlingen waren am Freitag dabei, als Heiner Baumeister, Kommunikationsleiter beim WFV, gemeinsam mit dem Bezirksvorsitzenden Harald Kuhn und den beiden Stellvertretern Christian Keim und Armin Sigler den ehemaligen Fifa-Schiedsrichter Knut Kircher begrüßte. Kircher war extra aus Wiesloch ins Rübholz gekommen, um das couragierte Handeln der beiden Lebensretter als Überraschungsgast zu würdigen. „Beim Fußballschauen habe ich öfter das Gefühl, als ginge es dort um Leben oder Tod. Aber es relativiert alles, wenn es wirklich um Leben und Tod geht. Am Ende des Tages sind wir doch alle eine große Community“, sagte der knapp zwei Meter große Hüne.
Im Namen des WFV überreichte Knut Kircher den beiden je einen Rucksack mit Sachpreisen und Gutscheinen für ein frei wählbares Fußballspiel in Württemberg.
Geschenke und Gutscheine
Mit im Gepäck hatte er außerdem eine Einladung in den DFB-Campus in Frankfurt. Beide Lebensretter werden mit dabei sein, wenn Amateur-Referees aus ganz Deutschland bei der Veranstaltung „Der beste Tag“ einen Blick hinter die Kulissen erhalten und eine Trainingseinheit mit DFB-Spitzen-Schiris absolvieren. Für den TSV Ötlingen gab’s zudem einen Top-Spielball von adidas und für Majd Soud Schiedsrichter-Equipment. Soud, der erst seit 2016 in Deutschland lebt und annähernd perfekt Deutsch spricht, hat seine Schiri-Prüfung vor eineinhalb Jahren absolviert und seitdem rund 80 Spiele für die Schiedsrichtergruppe Leonberg gepfiffen. „Bei uns kam das als ganz normale Fairplay-Meldung herein. Schnell war klar, dass es sich hier um einen ganz besonderen Einsatz handelt“, sagte Heiner Baumeister.
Das Spiel der SGOH II gegen den TSV Ötlingen II in der Kreisliga B, Staffel 5, wurde neu angesetzt auf Dienstag, 18. März 2025, um 19.30 Uhr. Dank seiner Lebensretter kann Klaus Geißler seinem TSV auch weiterhin die Daumen drücken.