Am Mittwoch hatte Franz Gere die Kraft der zwei Herzen. Denn beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn schlugen gleich zwei in seiner Brust. Natürlich soll die Nagelsmann-Elf so weit wie möglich im Turnier kommen, doch als gebürtiger Budapester muss er natürlich auch der ungarischen Nationalmannschaft die Daumen drücken. „Ein Unentschieden wäre mir am liebsten gewesen“, erklärt der rüstige Senior aus Owen, der am Dienstag seinen 89. Geburtstag gefeiert hat.
An seinem Stand auf dem Kirchheimer Wochenmarkt, den er seit 25 Jahren immer an der Ecke des Volksbank-Gebäudes aufbaut, verkauft der Fußball-Fan Honig und Nüsse. „Ich bin der Nussa-Franz“, erklärt er lachend und nimmt ein kleines Fotoalbum in die Hand, das er immer am Stand liegen hat. Dort bewahrt er verschiedene Fotos von Stationen aus seinem Leben auf. Unter anderem eines von 2004, auf dem er beim Spiel Deutschland gegen Ungarn zum 50. Jubiläum des WM-Endspiels von 1954 neben Jenö Buzánszky auf der Tribüne sitzt. Buzánszky spielte 1954 in der ungarischen Nationalelf. „Da war ich zwei Tage lang beim Jubiläum, das war ein tolles Wochenende“, erinnert er sich.
Franz Gere ist seit 1946 in Deutschland. Fußballverrückt war er eigentlich schon immer. „1955 habe ich in Unterlenningen eine ungarische Mannschaft mitgegründet. Das war das erste Fußballteam im Lenninger Tal, denn damals gab es da nur Handball, Turnen und Leichtathletik“, sagt der 89-Jährige, der das Spiel am Mittwoch in seiner zweiten Heimat, dem Unterlenninger Bühl, angeschaut hat. „Ich saß auf der Tribüne, da waren sicher 200 Leute“, erzählt der Senior, der „gute Spiele niemals daheim“ anschaut, sondern lieber auf einer großen Leinwand.
Am Sonntag wird er sogar in Stuttgart im Stadion sitzen, wenn die ungarische Nationalmannschaft gegen Schottland versucht, das drohende Turnier-Aus irgendwie noch abzuwenden. Das Spiel schaut er gemeinsam mit seinem Kumpel Ferry Slavik, dessen Sohn die Karten organisiert hat. „Ich wünsche den Ungarn einen klaren Sieg, damit sie als einer der besten Gruppendritten weiterkommen“, erklärt der Vater von drei Söhnen. Vielleicht dekoriert er dann auch seinen Marktstand mit der Ungarn-Flagge. „Momentan liegt sie bloß im Auto“, sagt er augenzwinkernd.