Lokalsport
Mit dem Paralympics-Star um die Wette schwimmen

Breitensport Nach zweijähriger Coronapause war das Wendlinger Freibad wieder Schauplatz des 24 Stunden-Schwimmens. Sommerwetter und spannende Wettkämpfe sorgten für gute Stimmung. Von Thomas Krytzner

Einmal mit einer Paralympics-Siegerin und fünffachen Medaillengewinnerin um die Wette schwimmen – seit dem Wochenende können das über 700 Menschen von sich behaupten, die im Rahmen des 24-Stunden-Schwimmens in Wendlingen mit Linn Kazmaier ins Becken stiegen.

Nachdem das Rennen in den vergangenen beiden Jahren coronabedingt hatte ausfallen müssen, war die Freude bei der langjährigen Organisatorin Thessy Kiesler und ihrem Ehemann Bernd, Vorsitzender der DLRG Ortsgruppe Wendlingen, umso größer. „Was vor 25 Jahren im ganz kleinen Kreis begonnen hat, ist heute ein beliebter Anlass für Jung und Alt. Wir freuen uns, dass dieses Jahr wieder rund 700 Teilnehmer ins Freibad kamen“, beschreibt Thessy Kiesler erleichtert. Die weiteste Anreise hatte die Delegation mit rund 30 Gästen aus der Wendlinger Partnerstadt Saint-Leu-la-Forêt.

Mit dem Countdown hatte Veranstaltungssprecher Chris Fritz am Freitagabend um punkt 19 Uhr den Startschuss für die beiden Startspringer gegeben. Nebst Alois Hafner, dem stellvertretenden Wendlinger Bürgermeister, sprang als Stargast die erfolgreiche 15-jährige Paralympics-Athletin Linn Kazmaier aus Lenningen als Erste ins Wasser. Bereits nach den ersten Schwimmzügen war klar: Alois Hafner hatte gegen die fünffache Medaillengewinnerin keine Chance. „Schwimmen ist nicht mein priorisiertes Hobby, aber wie sagt man so schön? Dabei sein ist alles“, nahm er es mit Humor.

Und Linn Kazmaier? Die hat trotz ihrer Überlegenheit im Wasser keinerlei Ambitionen, künftig auch noch beim Schwimmen auf Medaillenkurs zu gehen. „Als Langläuferin sage ich, dass ich lieber auf dem Schnee als im Wasser unterwegs bin“, betonte sie fröhlichagabend. Der Ehrgeiz packte sie dann allerdings doch: „Ich möchte meinen persönlichen Rekord im 24-Stunden-Schwimmen knacken. Da ich beim letzten Event zehn Kilometer schaffte, müssen es dieses Jahr 100 Meter, also eine Bahn hin und zurück mehr werden.“

Ähnliche Pläne dürften auch die anderen Teilnehmer im Vorfeld geschmiedet haben. In Gruppen, Schulklassen oder als Einzelkämpfer zogen sie Bahn für Bahn, immer im Blick, die meisten Meter und Kilometer zu schaffen. Besonders ehrgeizig schienen die Schülerinnen und Schüler der neun Schulteams zu sein. Immer wieder spickten heimlich sie auf die aktuelle Rangliste. Es zeichnete sich allerdings bereits am späten Freitagabend, dass das Team des Robert-Bosch-Gymnasiums kaum noch einzuholen war.

Das Schwimmerbecken war in verschiedene Bahnen, je nach Anforderung, unterteilt. In der Mitte zogen Sportschwimmer unentwegt ihre Bahnen, links und rechts davon teilten sich Spaßschwimmer und vermeintlich Langsamere das kühle Nass. Damit bei diesem Gewusel im Wasser keine absolvierte Bahn buchstäblich unterging, saßen viele Helfer am Beckenrand und notierten fein säuberlich jeden geschwommenen Meter.

Rund 200 Helfer seien, wie Thessy Kiesler erklärte, beim 24-Stunden-Schwimmen im Einsatz. „Wir bekommen Unterstützung von anderen DLRG Ortsgruppen, den ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen vom DRK sowie von Freunden und Bekannten“, präzisierte sie. Der Anlass sei ohne fremde Hilfe gar nicht mehr durchführbar, so Thessy Kiesler. Immerhin wollen Teilnehmer und Fans während des Wettkampfs 24 Stunden lang verpflegt werden, und für auswärtige Mannschaften gibt es eine großzügige Zeltstadt auf dem Freibad-Gelände. „Da wird jede Hand gebraucht“, ergänzte Bernd Kiesler.

Trotz des Aufwands freuen sich die Mitglieder der DLRG über jeden Teilnehmer. Thessy Kiesler pointierte: „Wer schwimmen kann, den müssen wir nicht retten.“ Auch auf dem Punkt, nämlich auf dem Siedepunkt, war die Spannung kurz vor Rennende. Da gaben einige Schwimmer nochmal richtig Gas und kämpften um die letzten Meter, um vielleicht noch was am Endergebnis zu drehen. Punkt 19 Uhr am Samstagabend war Abpfiff im Freibad und die Sieger standen fest. Das Gruppengesamtergebnis lässt sich sehen: 549 Teilnehmer haben in neun Schulmannschaften, zwölf Schwimmteams und 18 Hobbymannschaften während 24 Stunden eine Strecke von insgesamt 2.096,2 Kilometer im Wasser zurückgelegt.

Weitere Ergebnisse und Ranglisten gibt es im Internet unter www.24h-schwimmen-wendlingen.de

„Ich freue mich schon riesig“

Die sehbehinderte Linn Kazmaier aus Oberlenningen wirbelte bei den Winter-Paralympics in China die Weltspitze durcheinander, als sie insgesamt fünf Medaillen holte. Fernab der Loipen und dem Wettkampftrubel ist die 15-jährige Teenagerin bodenständig geblieben, wie sie beim 24-Stunden-Schwimmen in Wendlingen bewies.
Kein Schnee mehr weit und breit. Wird Ihnen da nicht langweilig?
„Nein, seit Mai bin ich bereits wieder im Training. Und weil es keinen Schnee hat, halten wir uns mit Radfahren, Cross-Joggen oder Rollskiern fit. In meiner Freizeit bin ich wie beim Langlaufen gerne in der Natur unterwegs. Meistens habe ich dann sogar mein Einrad dabei. Wenn ich Zeit und Muse finde, singe ich oder spiele auf meiner Gitarre.“
Wie verkraftet man als junge Spitzensportlerin den Medienrummel?
„In Peking ging das noch sehr gut. Da fanden jeweils um 14 Uhr die Wettkämpfe statt und oft gab ich noch vor dem Auslaufen die ersten Interviews. Da sorgten Adrenalin und die Freude über meine erfolgreichen Rennen dafür, dass kein Stressgefühl aufkam. Erst als ich wieder zu Hause war und ich mich nach langen Schultagen noch den Fragen der Journalisten stellen musste, wurde es stressig.“
Wo und wann geht’s wieder zu Rennen auf den eiskalten Schnee?
„Vom 10. bis 18. Dezember finden in Vuokatti in Finnland Weltcup-Rennen statt. Danach geht es Ende Januar und Anfang Februar 2023 nach Östersund in Schweden und vielleicht auch noch nach Planica in Slowenien. Eventuell gibt es im kommenden Jahr sogar eine Europameisterschaft. Ich freue mich schon riesig auf die Wettkämpfe, um zu schauen, wo ich mich verbessern konnte.“ kry