Der Tabellenführer stolpert, Verfolger Owen legt nach und in Lenningen fallen 73 Tore - alles wieder offen im Rennen um Aufstieg und Meisterschaft in der Bezirksliga. Handball könnte so schön sein, gäbe es da nicht auch die hässliche Seite. Das Spiel des VfL am vergangenen Samstag in Denkendorf war eines von der Sorte, die dem Ansehen des Handballs zweifellos schaden.
Wer die Hauptschuld daran trägt, dass Spiel und Stimmung in der Denkendorfer Sporthalle aus dem Ruder liefen, ist eine Frage des jeweiligen Blickwinkels. Kirchheims Coach Engelbert Eisenbeil, der sich auch gestern noch kaum beruhigt hatte, spricht von einem Spiel, wie er es bis dahin noch nicht erlebt habe. Von brutaler Härte des Gegners, von gesundheitsgefährdenden Attacken und von gezielten Faustschlägen. „Das Einzige, was ich mir vorwerfen muss“, sagt er, „ist, dass ich das Spiel in der zweiten Hälfte nicht abgebrochen habe.“ Die Gegenseite sieht das anders, gibt den Gästen die Hauptschuld an der Eskalation (siehe Infoteil).Neun Zeitstrafen, neun Siebenmeter, eine Rote und eine Blaue Karte verhängte das Schiedsrichter-Gespann Murat Ertugrul und Rico Fink aus Leinfelden-Echterdingen.
Die andere Bilanz ist aus Kirchheimer Sicht weitaus erschreckender: Robin Habermeier erlitt im Zweikampf einen Bruch der Augenhöhle und wird vermutlich noch diese Woche operiert. Leonard Real fällt mit einer im Spiel erlittenen Schulterverletzung aus, Torhüter Oliver Latzel musste nach einem Zusammenprall mit dem Gegner mit dick geschwollenem Knöchel ins Krankenhaus und Abwehrchef Peter Sadowski wird dem VfL nach seiner Disqualifikation wegen Schiedsrichterbeleidigung zumindest für die kommenden beiden Spiele fehlen. Das ist hart, aber längst nicht alles: Bereits vergangenen Donnerstag verletzte sich Marcel Metzger im Training. Erster Verdacht: Kreuzbandriss. Es wäre sein dritter. Die Saison, soviel steht jetzt schon fest, ist auch für ihn gelaufen.
Der Frust sitzt tief
Der Spitzenreiter aus Kirchheim, von vielen schon als sicherer Meister und Direktaufsteiger in die Landesliga gesetzt, muss seinen so überzeugend herausgespielten Vorsprung mit dem letzten Aufgebot verteidigen. Sechs Begegnungen sind es noch. Die wohl schwerste wartet schon am Samstag mit dem Heimspiel gegen die SG Lenningen. „Egal, wer auflaufen wird, es wird eine Mannschaft sein, der ich vertraue“, sagt Eisenbeil. „Jeder von uns wird sich am Samstag den Arsch aufreißen.“ Der Frust sitzt tief im Kirchheimer Lager. Dass man nach dem völlig überraschenden Erreichen des Halbfinales im HVW-Pokal nun auch vom Bezirk als Gastgeber fürs Final Four ausgebootet wurde, hat dieses Gefühl noch verstärkt.
Die Konkurrenz wittert ihre Chance, auch wenn sich für Lenningens Trainer Peter Schmauk wenig verändert hat. „Kirchheim ist für mich nach wie vor der Topfavorit“, sagt er. „Mir wäre es lieber gewesen, Owen hätte am Wochenende verloren, dann hätten wir als Zweiter ein gutes Polster gehabt.“ Schmauk sieht die Situation im Aufstiegsrennen äußerst entspannt: „Wir wollen, wir können, aber wir müssen nicht.“ Furcht vor der Rolle des enttäuschten Dritten? „Auch dann wäre die Saison für uns erfolgreich verlaufen“, betont er. „Unsere Ziele vor Saisonbeginn waren andere.“
Mit einem Sieg in Kirchheim würde die SG auf Relegationsplatz zwei klettern und den spielfreien Konkurrenten aus Owen, der noch immer zwei Spiele mehr auf dem Konto hat, hinter sich lassen. Mit nur zwei Minuspunkten mehr als der VfL haben es die Lenninger folglich selbst in der Hand, sogar als ernsthafter Titelkandidat in die Schlusswochen zu gehen. Ob auf direktem Weg oder über die Relegation - Peter Schmauk weiß, die Entscheidung darüber wird vermutlich erst am 7. April fallen. Dann heißt der Gegner in der Lenninger Sporthalle TSV Owen. Und dann kommt bei der SG eine Rechnung vom Oktober auf den Tisch.