Bissingen. Alles ging Schlag auf Schlag: Als von der Betreibergesellschaft München 2018 am 16. September die überraschende E-Mail mit der kurzen Anfrage einging, ob der Adressat für olympische und paralympische Winterspiele 2018 in München werben wolle, da brauchte Niko Moll „nur eine Sekunde lang zu überlegen. Die Idee begeisterte mich.“ Anderntags schrieb er zurück, gab der Betreibergesellschaft seine Zusage und übt seitdem ein Ehrenamt aus, das seinem Namen alle Ehre macht: Moll ist offizieller Olympia-Botschafter München 2018. Zusammen mit rund einhundert aktuellen und ehemaligen Sportler(inne)n geht der Bissinger Architekt seit gut zwei Monaten engagiert auf olympische Werbetour – und kämpft letztlich darum, dass bei der Vergabe der Winterspiele 2018 am 6. Juli nächsten Jahres nicht Annecy (Frankreich) oder Pyeongchang (Südkorea) den Zuschlag vom IOC erhält, sondern die bayerische Metropole. Für sein Engagement, das Vorträge, Diskussionen und Smalltalk bei größeren und kleineren Events umfasst, erhält er kein Honorar – lediglich Unkostenersatz.
Moll, der in den 80er- und 90er-Jahren viermaliger Paralympic-Goldmedaillengewinner, zweifacher Weltmeister und 12-facher deutscher Meister in seiner Schadensklasse war, feierte neben den Erfolgen in der alpinen Behinderten-Nationalmannschaft auch einen am Schreibtisch: 1986 überraschte der Contergan-geschädigte Mann die Fachwelt mit der Erfindung des revolutionären Rechensystems „krek“, das die bis dahin unzähligen Schadensklassen mit einer Umrechnungsformel in die drei Kategorien stehend, sitzend, blind einfließen ließ und den Organisatoren von Behinderten-Skirennen damit ab sofort ein sportlich wertvolleres Sieger-Klassement erlaubte. „Vier Jahre habe ich an diesem System getüftelt“, sagt Moll, „aber verdient habe ich daran nichts.“ Anstatt Geld gibt‘s, mit 24-jähriger Verspätung, demnächst allerdings eine Danksagung von höchster Stelle: Im Januar wird Moll vom International Paralympic Committee (IPC) für seine Errungenschaft in Sestriere ausgezeichnet.
Vorher und danach hat er andere Termine – solche, an denen er olympisches Gedankengut im Allgemeinen und das München-Konzept im Besonderen vor Menschen aller Altersklassen verbreiten kann. „Voll dahinterstehen“ würde er hinter München 2018, sagt Moll, „weil der größte Teil der Sportstätten ja vorhanden ist. So brauchen die Planer nicht großflächig in die Natur einzugreifen. München 2018 wird ressourcensparend.“ Kritiker sehen das anders – wie realistisch Münchens Chancen sind, die 2,9 Milliarden Euro teure Großveranstaltung an Land zu ziehen? Moll ist beim Spekulieren naturgemäß vorsichtig: „Zwischen Annecy, Pyeongchang und München könnte es am Ende ganz knapp werden.“ So wie am 5. Juli 2007 in Guatemala. Bei der damaligen Vergabe der Winterspiele 2014 setzte sich die russische Stadt Sotschi mit 51:47 Stimmen gegen Pyeongchang durch.
Jetzt kämpft Moll für München 2018, und für den Skifahrer mit Fußball-Vergangenheit („als B-Jugendlicher kickte ich ein Jahr lang in Gruibingen“) ist dies „eine Herzensangelegenheit. München wäre die erste Stadt, die in der neueren Olympia-Geschichte sowohl Sommerspiele als auch Winterspiele ausrichten könnte.“ Für diese Premiere legt er sich engagiert ins Zeug – mit Worten, die im Idealfall Befürworter bestätigen und Skeptiker bekehren werden. Denn einen Olympia-Zuschlag erhält erfahrungsgemäß nur, wer auch den erforderlichen Rückhalt in der Bevölkerung hat.
Die, die das nächste halbe Jahr Stimmung für München 2018 machen sollen, sind Sportler-Größen von einst und jetzt. Zum Großteil entstammen die Olympia-Botschafter zwar klassischen Wintersport-Ressorts wie Alpinski (Maria Riesch), Biathlon (Magdalena Neuner), Rodeln (Georg Hackl) oder Langlauf (Jochen Behle), doch auch Turner (Fabian Hambüchen), Leichtathleten (Heike Drechsler), Tischtennisspieler (Timo Boll) und Handballtrainer (Heiner Brand) stehen auf der Liste der Stars. Die prominente Begleitmannschaft weiß Moll zu goutieren. „Ich fühle mich geehrt“, sagt er. Einige der Größen wie Handball-Nationaltrainer Heiner Brand oder Ex-Olympiasiegerin Heide Ecker-Rosendahl hat Moll schon getroffen: Beim Sportbotschaftertreffen in Köln.
In der nächsten Zeit wird Moll, so schätzt er, für seine Mission „fünf bis sechs Termine pro Monat haben“, wobei es keine Pflichttermine gibt: Jeder Olympia-Botschafter kann seinen Terminkalender nach eigenem Gusto füllen. „Am liebsten wären mir Auftritte in Schulen, Sportvereinen, Betrieben oder Instituten, die hier in der Region angesiedelt sind“, sagt er. Bisher waren entsprechende Anfragen noch ziemlich rar – klar: Es muss sich erst rumsprechen, dass Bissingen einen Olympia-Botschafter hat.