Speerwerfer Ricko Meckes aus Weilheim will in dieser Saison die magische 70-Meter-Marke knacken und zur DM fahren
Mit Lockerheit zum großen Wurf und nach Australien

Seine Leistungskurve ging in den letzten Jahren ebenso steil nach oben wie sein Arbeitsgerät: Speerwerfer Ricko Meckes will nun auch im ersten Jahr bei den Aktiven an die Erfolge anknüpfen, die ihn im Jugendbereich in die deutsche Spitze katapultierten. Größte Stärke des 19-jährigen Weilheimers ist dabei seine Lockerheit, zu der er jedoch erst nach langer Leidenszeit fand.

Weilheim. Den Anlauf, den Stemmschritt, den Abwurf x-mal im Kopf abspulen, die gleichen Abläufe wieder und wieder visualisieren – knapp drei Jahre lang war dies die einzige Möglichkeit für Ricko Meckes, sich mit Speerwerfen zu beschäftigen. Nachdem ihm Ärzte infolge zweier Knie-Operationen ein absolutes Sportverbot auferlegt hatten, konnte der damals 15-Jährige nichts anderes tun, als seinen Lieblingssport imaginär auszuführen. „Ich bin Würfe mental Stück für Stück durchgegangen“, erinnert er sich.

Speer und Spikes damals an den Nagel zu hängen, wäre für den Weilheimer nie infrage gekommen, dafür war der 1,90-Meter-Bursche viel zu gern Leichtathlet. Vermutlich sogar zu gern, wie er heute, mit rund fünf Jahren Abstand, feststellt. Denn erst während der verletzungsbedingten Zwangspause fand Ricko Meckes zu der Lockerheit, der er nach eigener Einschätzung seinen kometenhaften Aufstieg verdankt. „Früher war ich schon ziemlich verbissen“, sagt er, „heute steht mehr der Spaß im Vordergrund. Außerdem kann ich meinen Körper viel besser wertschätzen.“

Für Meckes scheint‘s die Erfolgsformel schlechthin zu sein, hat er sich im Dress der LG Teck doch vergangenes Jahr mit der bundesweit achtbesten Weite (66,25 Meter) in die deutsche Spitze im Jugendbereich geworfen und holte als vorläufigen Höhepunkt seiner Laufbahn Bronze bei der Jugend-DM. Auch der erste Auftritt in der Männerklasse, in der er ab dieser Saison starten darf, war von Erfolg gekrönt. Bei den baden-württembergischen Winterwurfmeisterschaften im März holte Meckes beim Aktivendebüt mal eben den Titel in neuer persönlicher Bestweite. „Da war die Konkurrenz aber auch nicht ganz so stark“, sagt er bescheiden. Zu genau weiß er, dass man in Männerkonkurrenzen mit 67,36 Metern nicht immer auf dem Podium landen dürfte. „Der Sprung vom Jugendbereich zu den Aktiven ist schon ziemlich groß“, gibt er, der allerdings auch noch drei Jahre bei den Junioren startberechtigt ist, zu.

Um sich für die deutschen Meisterschaften der Aktiven im Juni in Wattenscheid zu qualifizieren, müsste Meckes, der die DM-Teilnahme als großes Ziel 2012 formuliert, die magische 70-Meter-Marke knacken – ob‘s klappt? „Wenn ich verletzungsfrei bleibe und einen optimalen Wettkampf erwische, ist das drin“, glaubt nicht nur er selbst. „Ricko hat das Zeug für 71 Meter, vielleicht sogar mehr“, sagt Trainer René Struensee. Die erste Gelegenheit für den großen Wurf bietet sich bereits heute ab 16 Uhr beim Werfertag in Köngen. Je nach Verlauf spekulieren Meckes und seine Trainer (neben Struensee wird er noch von Ralf Mutschler betreut) auf einen Start am Sonntag beim Werfertag in Metzingen.

So oder so bildet dieses Wettkampfwochenende den Auftakt zu einer Abschiedstournee: Ricko Meckes zieht es im Herbst für mindestens ein halbes Jahr nach Australien. Down Under will er jedoch nicht wie viele andere in seinem Alter einen auf Rucksacktourist machen, sondern vormittags in einer Familie Kids im Teenie-Alter betreuen und sich für die restliche Zeit einen Job suchen. „Das ist nicht direkt die klassische Au-pair-Geschichte“, erzählt er, „mir ist halt wichtig, dass ich möglichst selbstständig bin und viel vom australischen Alltagsleben mitbekomme.“

Weil der Trip auf den fünften Kontinent schon länger sein Traum ist, hat er in der Schule bereits zu Oberstufenbeginn Englisch abgewählt. „Was ich da unten in einem halben Jahr lerne, bringt mir sicher mehr“, meint er. Einer, der ihn dann ganz besonders vermissen wird, dürfte Opa Louis sein. Der 81-Jährige verfolgt die leichtathletischen Ambitionen seines Enkels ganz genau, fährt, wann immer es ihm möglich ist, zu Rickos Wettkämpfen und feuert ihn an. „Er ist mein größter Fan“, so Meckes.

Grund, stolz auf ihn zu sein, hat der Großvater dabei nicht nur wegen der Speerwurf-Meriten. Ricko Meckes hat gerade erfolgreich sein Abi am Schlossgymnasium gemacht und genießt nach den schriftlichen Prüfungen in Wirtschaft, Spanisch, Mathe und Deutsch seine Freizeit. Die Zeit bis zu den mündlichen Prüfungen im Juni verbringt er, wenn nicht gerade beim Training im Weilheimer Lindachstadion oder im Kraftraum unter der TSVW-Vereinsgaststätte „Dolce Vita“, am liebsten mit seinen Freunden beim Pokerspielen. „Schon auch um Geld“, lacht er, „dann wird‘s interessanter.“

Zugute dürfte ihm beim Zocken auch jene Einstellung kommen, die er stets in Speerwurfwettkämpfen an den Tag legt. „Man muss es immer so nehmen, wie es kommt.“ Gerade in seiner Disziplin, die wie kaum eine andere in der Leichtathletik von Wind und Wetter abhängt, verspricht Gleichmut die besten Chancen. Ricko Meckes erklärt sein Motto so: „Wenn ich an einem Wettkampftag aufstehe und aus dem Fenster schaue, sage ich mir immer: Das ist mein Wetter – egal, ob‘s regnet oder die Sonne scheint.“

Das sonnige Gemüt des sympathischen Youngsters kommt auch im Verein gut an. Kein Wunder also, dass man Meckes bei der LG Teck die Zehn- und Elfjährigen anvertraut, denen er im Training sein Wissen als C-Lizenz-Inhaber vermittelt. „Mir ist wichtig, etwas von dem zurückzugeben, was ich selbst in dem Alter bekommen habe.“ Erfrischend bodenständige Töne von einem, der einer Generation angehört, die man gemeinhin dem Stamme Nimm zurechnet. Doch Ricko Meckes wirkt mit seinen 19 Jahren reifer als so manch Erwachsener mit mehr Lenzen auf dem Buckel – ein Typ, der weiß, wo er herkommt und wo er hinwill. Nach dem Australientrip soll‘s ein Studium sein, das irgendwas mit Sport zu tun hat. „Ich lege mich aber nicht fest“, betont er, „man muss immer offen für spontane Möglichkeiten bleiben.“

Dabei soll seine sportliche Laufbahn auch nach dem halbjährigen Australientrip (erfolgreich) weitergehen. „Wichtig ist, dass er da unten einen Kraftraum in der Nähe hat“, sagt Trainer René Struensee. Sein „bestes Pferd im Stall“ sieht‘s ähnlich: „Klar will ich am Ball bleiben“, betont Ricko Meckes, der aber auch dieses Thema überraschend locker angeht: „Den Zenit als Speerwerfer hat man ja eh erst mit über 30.“