Der 16-jährige Kirchheimer Julian Gebühr gilt als großes Nachwuchstalent im Segeln
Mit schwedischem Hardrock auf der Erfolgswelle

Genau 7 303 Menschen frönten laut Württembergischem Landessportbund im vergangenen Jahr dem Segelsport. Einer der Ambitioniertesten kommt aus Kirchheim und steht mit seinen 16 Jahren am Anfang einer womöglich großen Laufbahn: Julian Gebühr ist im Landeskader, träumt von Olympia und steuert außer seiner Jolle auch noch auf ein Einser-Abi zu.

Kirchheim. Eins mit dem Wind zu sein – für jeden Segelsportler der Schlüssel zum Erfolg. Wenn einem dieses Credo untermalt von donnerndem Bass, wuchtigen Gitarren und treibenden Drums ins Ohr dringt, bevor man ans Ruder geht, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Julian Gebühr hört sich vor jeder Regatta eine der bekanntesten Hardrockhymnen an, deren Refrain wie kein Zweiter auf ihn und seine Leidenschaft passt: „Riders of the storm, one with the wind“, schmettert die schwedische Band Hammerfall, wenn der 16-jährige Kirchheimer seine Jolle zu Wasser lässt. „Das Lied ziehe ich mir jedes Mal rein, bevor es losgeht“, lacht der Blondschopf, der als aufstrebendes Segeltalent im geförderten Landeskader steht.

Betreut werden die rund 20 hoffnungsvollsten Nachwuchssegler Baden-Württembergs in den verschiedenen Bootsklassen am Leistungszentrum in Friedrichshafen von Landestrainer Peter Ganzert, der großen Respekt vor dem jungen Kirchheimer hat. Da er gegenüber dem Großteil der Kaderathleten, die in der Bodenseeregion wohnen, ein Standorthandicap habe, sei es ein großer Erfolg, dass er schon so lange Zeit im Landeskader steht. „Julian ist sehr motiviert“, lobt der 53-jährige Funktionär den jungen Mann, der seit knapp zehn Jahren dem Segelsport verfallen ist.

Begonnen hat alles in einem Griechenlandurlaub 2004, als Elke Amend-Gebühr einen Segelschein machte und ihren Sohn für den anspruchsvollen Wassersport begeistern konnte. „Ich fand das unheimlich spannend“, erinnert sich Julian, der zwei Jahre später in den Kirchheimer Yachtclub unter Teck eintrat und 2007 schließlich seine erste Regatta bestritt.

Seitdem hat sich der Zehntklässler des Ludwig-Uhland-Gymnasiums einen Namen in der Szene gemacht, steht mittlerweile auf Platz 13 der deutschen Jugendrangliste und hat nach dem Gewinn der Landesvizemeisterschaft Anfang Mai auf dem Bodensee sogar schon das Mekka der Segler erblickt: Auf Einladung von Bundestrainer Tim Kirchhoff hat Julian Gebühr im Rahmen der Kieler Woche mit der Nationalmannschaft trainiert und am Bundesstützpunkt wertvolle Erfahrungen gesammelt. „Da ging es weniger um die Ergebnisse, als um den Lerneffekt“, blickt er stolz auf seine vierwöchige Zeit in Kiel zurück, für die er nach Ende der Pfingstferien eine Sonderfreistellung von der Schule bekam.

Als Musterschüler mit einem Einserschnitt sind zwischen vier und fünf Wochen Unterrichtsbefreiung pro Jahr nach Rücksprache mit den Lehrern kein Problem, auch wenn das Verständnis längst nicht überall so groß ist. „Er hat nicht immer an allen Stellen die Unterstützung, die man für den Leistungssport Segeln braucht“, weiß seine Mutter um den hohen Aufwand, den ihr Sohn betreibt. Schließlich ist Julian von den Faschings- bis zu den Herbstferien fast jedes Wochenende entweder beim Training oder auf Regatten zu finden, hält sich daheim unter der Woche mit Kraft-, Ausdauer-, und Koordinationstraining fit. Dass er nebenbei noch Tennis, Basketball und Geige spielt und sich auch noch in der Kirche engagiert, macht seine Segel­erfolge umso bemerkenswerter. „Bislang bekomme ich das alles gut unter einen Hut, und das wird auch so bleiben, denke ich.“

Gleichzeitig ist dem jungen Mann bewusst, dass ihn seine Passion, die er als Kombination aus Denksport und Athletik beschreibt, eines Tages kaum wird ernähren können. „Mit Segeln kannst du kein Geld verdienen“, weiß er, der darum nach dem Abi in zwei Jahren entweder Jura oder Medizin studieren will.

Träumen bleibt bis dahin jedoch erlaubt. „Olympia 2024“, grinst er, „das ist aber kein Ziel, sondern ein Traum.“ Voraussetzung dafür ist die Aufnahme in den Bundeskader, die er jedoch gelassen angeht. „Nächstes Jahr wird das noch nichts. Aber mein Vorteil ist sowieso, dass ich noch jung bin und viel Zeit zum Lernen habe“, analysiert er und bekommt Recht von einem, der es wissen muss: „Segeln ist ein Erfahrungssport“, weiß Peter Ganzert, der seit 22 Jahren als Landestrainer tätig.

Gelegenheit, das Konto um noch möglichst viele Wasserstunden aufzustocken, hat Julian Gebühr („als Baden-Württemberger ist das nicht so leicht“) heuer noch genug: Dieses Wochenende beginnt die Travemünder Woche, danach ist ein Europacup in Österreich geplant, ehe im Herbst die deutschen Meisterschaften anstehen – wenn dabei jedes Mal „Riders of the storm“ ertönt, dürfte er aber auf jeden Fall weiter auf der Erfolgswelle segeln.