Wahrscheinlich gibt es in Kirchheim kaum eine Frau, die rund um ihre Schwangerschaft nicht mit ihnen in Berührung kam: Ayleen Rehr machte in ihrem Studio „Asports“ in der Turmstraße werdende oder frisch gebackene Mütter fit, Janine Wilhelm in ihren „Lauf-Mama-Lauf“-Kursen an der frischen Luft. Kaum zu glauben, dass sich die beiden Frauen selbst nie über den Weg gelaufen waren. „Ich bin mit meinem Studio nicht auf Facebook oder Instagram“, erklärt die Notzingerin Rehr. „Und so hat halt jeder einfach sein Ding gemacht“, ergänzt Janine Wilhelm, die es nach ihrer beruflichen Zeit in Mexiko und Stuttgart 2017 wieder nach Kirchheim trieb. Vier Wochen nach dem Umzug kam ihr Sohn Max zur Welt. „Da habe ich den Schreib- gegen den Wickeltisch getauscht.“ Nach ihrem Spanisch-, Englisch- und BWL-Studium heuerte die 38-Jährige zunächst bei VW in Pueblo an, wechselte dann ins Weinmarketing bei Mack und Schühle in Owen und arbeitete zuletzt bei WMF in Geislingen. Nebenher ist sie aber schon seit 2002 in der Sportbranche aktiv. „Ich habe immer wieder Lizenzen gemacht und in Fitnessstudios Kurse gegeben. So habe ich mein Studium finanziert“, erzählt die Mutter von zwei Jungs, die 2018 den Kirchheimer Standort von „Lauf-Mama-Lauf“ gründete.
Für Ayleen Rehr ging der Weg dagegen direkt nach dem Abi am Schlossgymnasium in die Branche. Im Anschluss an ihre Ausbildung zur Sporttherapeutin arbeitete sie in einem Rehazentrum in Stuttgart, hatte einen Lehrauftrag an der Glucker-Schule und war für die 114 Standorte der Fitness Company in Sachen Personaltraining zuständig. 2008 kam sie durch ihre Schwangerschaft in die Hebammenpraxis Fiolino und blieb dort quasi hängen. „Ich habe da recht schnell selbst Stunden gegeben, die auch von der Krankenkasse anerkannt und bezahlt werden“, erzählt die 42-Jährige, die die Praxis 2011 übernahm und zwischenzeitlich 49 Kurse pro Woche anbietet.
Voll auf einer Wellenlänge
Da beide das gleiche Klientel haben, gab es einige Frauen, die sowohl bei Asports als auch bei Lauf-Mama-Lauf aktiv waren. „Mich haben irgendwann meine Mädels angesprochen und gemeint ,Da gibt es eine, die ist genau wie du. Ruf die doch mal an‘ “, erinnert sich Janine Wilhelm lachend. Gesagt, getan. Wie sich schnell herausstellte, hatten die Kursteilnehmerinnen den richtigen Riecher, denn die beiden liegen voll auf einer Wellenlänge. „Wir verstehen uns einfach“, bringt es Ayleen Rehr auf den Punkt.
Die erste Corona-Welle hat im Frühjahr aber so einiges auf den Kopf gestellt. Präsenz-Kurse waren erst mal tabu. Also produzierten sie Online-Stunden. „Doch nach dem ersten Lockdown sind bei uns jeweils die Computer-Systeme für die Kursabwicklung zusammengebrochen, weil sie auf diesen Umfang einfach nicht ausgelegt sind“, erklärt Ayleen Rehr. „Das war der Punkt, an dem wir beschlossen haben, alles zusammenzuschmeißen“, sagt Janine Wilhelm. Sie gründeten die Firma AJsports, kauften das Software-Programm Mindbody und ermöglichten den Frauen somit, an allen Kursen teilzunehmen. Im Oktober führten sie einen Monatsbeitrag ein. „Eigentlich wollte ich das nie, aber anders bekommen wir es nicht hin. Im Moment arbeiten wir ja höchstens kostendeckend“, erklärt Ayleen Rehr. Sie muss nach wie vor die volle Miete für die Räumlichkeiten in der Turmstraße bezahlen, Janine Wilhelm hat die Franchise-Gebühren von Lauf-Mama-Lauf zu berappen.
Dass sich die beiden nun mit aller Kraft in ihre Online-Kurse hängen, kommt richtig gut an. Sage und schreibe 74 Frauen nahmen in der Spitze an einer Einzel-Stunde teil, die neben Schweiß und Muskelkater vor allem auch gute Laune beschert. „Die Mamas machen jeden Tag so einen tollen Job. Sie sind systemrelevant. Wir feiern die jedes Mal richtig“, kommen die beiden ins Schwärmen. Minutiös bereiten sie jede Einheit vor, schreiben alles auf ein Flipchart, turnen das Ganze durch und überlegen, wann eine Korrektur am jeweils anderen angesagt ist, denn durch die fehlende Begegnung fällt dieses wichtige Element weg. „Wir arbeiten sehr individuell und können so zumindest ein bisschen gewährleisten, dass das, was wir sagen, auch ankommt. Am liebsten würden wir ja durch den Bildschirm springen“, erklärt Janine Wilhelm.
Mit ihren Kursen helfen sie vor allem auch denjenigen Frauen, die wegen des Lockdowns derzeit ohne Rückbildungskurs dastehen. „Viele denken überhaupt nicht an ihren Beckenboden. Das kann sich auch noch nach Jahren rächen.“ Genau das wollen sie verhindern. „Wir bieten keine bloßen Fitnesskurse, sondern Prävention“, betont Ayleen Rehr. Wobei im Hintergrund auch etliche Männer mitmachen. „Im Anschluss an die Stunden machen wir immer den Glitzercheck. Wir wollen alle Frauen sehen und ihnen was Positives mit auf den Weg geben“, erklärt Janine Wilhelm. So kommen sie den Teilnehmerinnen trotz der Distanz wenigstens ein bisschen nahe.