Das Vier-Stunden-Endurorennen in Frickenhausen ist in der Szene einer der Höhepunkte des Jahres
Mit Vollgas durch die alte Ziegelei

Es ist eines der größten Motorsportevents der Region. Beim 20. Vier-Stunden-Enduro des MSC Frickenhausen gingen am Wochenende 480 Sportler an den Start. Mit dabei war auch der mehrfache deutsche Meister Marcus Kehr.

Frickenhausen. Nach knapp zwei Stunden fallen sie wie die Fliegen. Das Abflussrohr aus Beton, das die Helfer des MSC Frickenhausen quer über die Strecke gelegt haben, ist noch nicht so das Problem, obschon kniehoch. Die aufgetürmten Felsbrocken, Typ Motorblock, bringen die Fahrer schon mehr ins Straucheln. Aber an den knorrigen Baumstämmen, tückisch schräg zur Fahrtrichtung, trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer hier umkippt, muss die 120-Kilo-Maschine mit reiner Muskelkraft wieder hochwuchten. Von oben sticht die Sonne. Die Kraft lässt nach, das sehen auch die Zuschauer, die vom Streckenrand aus das Vier-Stunden-Endurorennen verfolgen. Ab jetzt hilft nur noch Wille. Halbzeit auf dem alten Ziegeleigelände am Ortsrand.

Markus Erb, der Vorsitzende des MSC, sitzt im Wohnwagen und schaut durch das Fenster auf die Baumstämme. Hinter ihm summen die Computer, die gesamte Streckenbeschallung wird im Anhänger gesteuert. „Wir benutzen den auch für die Fahrradsicherheitstrainings an den Schulen“, sagt er. Außerdem bei der Veteranenrallye und dem Jugendtrial. Der Club ist tief verwurzelt in Frickenhausen. Aber einmal im Jahr wird der Ort zum Mekka für Enduristen. Aus dem gesamten süddeutschen Raum und dem nahen Ausland kommen die Sport­ler, denn längst hat sich herumgesprochen, dass es eine vergleichbare Strecke im weiten Umkreis kein zweites Mal gibt.

Enduro, das heißt Zuverlässigkeitsfahrt mit der Geländemaschine. Im schweren Gelände werden die grobstolligen Motorräder genauso gefordert wie die Sportler. Während die Motocross-Fahrer mit Vollgas über Schanzen springen und die Rallyefahrer teils tagelang in der Wüste unterwegs sind, treffen sich die En­duristen irgendwo in der Mitte, und das meist im Wald. 480 sind es, die es bei der 20. Auflage des Rennens in Frickenhausen wissen wollen und sich auf mehrere Klassen verteilen. Die Anfänger haben am Samstag am Gasgriff gedreht, am Sonntag sind die Schnelleren dran.

Hinter dem blauen Transporter verstecken sich die gelben Schilder, die die Richtung zum Rundweg weisen. Die Strecke ist von allen Seiten einsehbar, der Eintritt ist frei. Ein Vater schiebt sich mit Tochter und Sohn über den Trampelpfad neben der Strecke. Hangaufwärts lehnen schon einige Jugendliche mit Schildmütze und Flipflops an Baumstämmen und machen auf cool, während die Fahrer mit durchdrehenden Hinterrädern über die Wurzeln brettern.

Ganz oben bei „Karls Vesper“ steht Sandra Stautz mit ihrem Mann und der zehnjährigen Sina. „Das ist einfach schön, hier zuzugucken“, sagt sie. „Ich würde mir das nie zutrauen.“ „Karls Vesper“ ist ein Streckenabschnitt, der quer zum Hang verläuft und sich in der Schräge durch die Bäume schlängelt. Benannt ist der Abschnitt nach „Carls Dinner“, einem Geröllfeld mit mannshohen Felsbrocken, der Teil des wohl extremsten Endurowettbewerbs der Welt ist, dem Erzberg-Rodeo in Österreich. Ganz so wild geht es heute nicht zu. Bislang wurde noch kein Fahrer vom Unterholz verschluckt, anders als in den Vorjahren ist der Boden auch griffig. Stautz läuft weiter in Richtung Obstwiese, aber nur ein paar Meter. Unter einem Birnbaum setzt sich die Familie in den Schatten.

Clemens Pfeiffer stapft mit seinen dicken Stiefeln durchs Fahrerlager, der dicke Brustpanzer lässt ihn breiter erscheinen, als er ist. Sein Kopf ist knallrot. Pfeiffer ist Mitglied beim MSC, hat die Streckenführung entworfen und will es heute selbst wissen. „Ich hab den Parcours zwar gebaut“, sagt er, „aber ich bin froh, dass wir Senioren den nicht voll fahren müssen.“ Die kniffligsten Stellen sind für ihn und seine Altersgenossen entschärft. Aus dem Augenwinkel sieht er Armin Körting vorbeisausen, seinen Teamkollegen. Er muss jetzt schnell weg. „Wir sind gerade Dritte“, sagt Pfeiffer, „und ich muss noch mal ran.“ Das Rennen ist in einer halben Stunde vorbei.

Die Profis, oder die, die meinen, es zu sein, erkennt man im Quadrat. Das ist die Wechselzone. Das vierstündige Enduro wird im Team gefahren. Man kann übergeben, wann immer man will. Da sind die einen, die ihr Motorrad selbst halten, bis der Partner um die Ecke biegt. Und da sind die anderen: Da steht dann schon mal ein Mechaniker mit einer pinkfarbenen Rennmaschine, während eine Dame, selbstverständlich mit pinkfarbenem Oberteil, ihm mit einem Schirm in selber Farbe Schatten spendet. Der Wechselfahrer sitzt derweil noch im Zelt.

Marcus Kehr gehört zu den Profis, auch wenn Pink nicht seine Farbe ist, sondern Blau. Sein Name ist ein Begriff, zumindest in der Szene. Kehr fährt in der WM, und in der deutschen Meisterschaft kann ihm seit Jahren niemand das Wasser reichen. Zum ersten Mal tritt er in diesem Jahr in Frickenhausen an, zusammen mit seinem DM-Kollegen Bert Meyer – und wird am Ende nur als Zweiter abgewunken. „Bei dem Staub ist das Risiko zu groß, letzte Rille zu fahren“, sagt Kehr. Er sitzt im Schatten eines Kleinlasters, der Schweiß tropft von seiner Stirn, um die Handgelenke hat er kühle Handtücher gewickelt. Enttäuscht sei der nicht, meint er. Schließlich hatte er am Anfang des Rennens erst mal einen Platten, und „bei der Weltmeisterschaft fahr ich auf Tempo und über kurze Distanzen, nicht über Stunden“.

„Wir sind bekannt, man will bei uns fahren“, sagt Erb, der Vereinsvorsitzende. Sicher, einen WM-Fahrer bei einem Lauf des ADAC-Pirelli-Enduro-Cups am Start zu haben, das ist schon was. Aber auch andere Größen haben immer wieder den Weg nach Frickenhausen gefunden, um sich zusammen mit den Hobbyfahrern durchs Unterholz zu kämpfen. Und im Ort ist die Veranstaltung ohnehin eines der Highlights des Jahres.