Rad
Mythos, Monument, Mekka

Heute geht es bei der Tour de France auf den Mont Ventoux. Was haben Sportler aus der Region am „Berg des Windes“ schon erlebt? Und wie oft haben sie ihn bezwungen?

Der Mont Ventoux kann von drei Seiten befahren werden. Grafik: Melanie Krebs

Der Mont Ventoux - um den „Giganten“ der Provènce ranken sich zahlreiche Legenden, und bei ambitionierten Rennrad-Sportlern steht der 1909 Meter hohe Riese garantiert irgendwann mal auf der Bucket-List. Mit seiner kargen Spitze sticht der größte Berg der Region nicht nur optisch heraus. Meist pfeift der Mistral unerbittlich um den Gipfel, was im Laufe der Jahre sämtliche Vegetation vertrieben hat und das Radfahren mitunter zur schier unlösbaren Herausforderung werden lässt. Über die Region hinaus populär wurde der Mont Ventoux nach der Besteigung und Beschreibung durch Francesco Petrarca im Jahr 1336. Die Tour de France führte seit 1951 bislang 18 Mal über den Mont Ventoux. Noch heute erinnert ein Gedenkstein an den britischen Radprofi Tom Simpson, der bei der Tour 1967 auf dem Weg zum Gipfel verstarb. 2021 war der Berg letztmals Teil der Tour und musste dabei sogar zweimal überquert werden. Am heutigen Dienstag findet auf dem Gipfel erstmals seit zwölf Jahren wieder eine Bergankunft statt. Die 16. Etappe startet in Montpellier und führt die Fahrer über 171,5 Kilometer und 2950 Höhenmeter zum Gipfel des Mont Ventoux.
Was haben Sportler aus der Region am „Berg des Windes“ erlebt?

Fabian Slupek ist drei Mal an einem Tag hochgefahren. Foto: pr

Fabian Slupek: Viele Kilometer und viel Berg – das liegt dem 40-Jährigen aus Dettingen. Der dreifache Familienvater hat den Mont Ventoux vergangenes Jahr an Pfingsten gleich dreimal an einem Tag bezwungen. „Ich bin zwei Jahre zuvor schon mal von Bédoin aus hoch und hab‘ dann später im Fernsehen was über den Club der Verrückten gesehen“, erzählt Fabian Slupek. Im Morgengrauen ging es bei besten Bedingungen los. „Ich bin immer die gleichen Wattwerte gefahren und hatte auch keinen Einbruch.“ Vor allem in Malaucène hat es ihm gefallen. „Die Leute da waren total nett, haben sich erkundigt, wie oben das Wetter ist. Bei der letzten Auffahrt war ich dann total euphorisch.“ Dass auch in der Heimat jede Menge Höhenmeter zusammenkommen können, hat er mit seinem Kumpel Luis Victor Schäfer bewiesen. Die beiden haben auf der Oberlenninger Steige das Everesting absolviert. 41 Mal strampelten sie dafür nach oben. Die nächste Herausforderung wird das Alb-Packa-Rennen sein.

Karl-Heinz Schöllkopf ist regelmäßig mit dem Rad in Frankreich. Foto: pr

Karl-Heinz Schöllkopf: Dreimal an einem Tag hat Karl-Heinz Schöllkopf aus Kirchheim den Mont Ventoux zwar nicht bezwungen, ist dafür in den vergangenen 30 Jahren in Summe aber schon um die 70 Mal hochgefahren. Der Radguide macht regelmäßig in der Provence Urlaub und ist von der Gegend begeistert. „Am Mont Ventoux schätze ich die Landschaft. Jede Auffahrt hat etwas für sich. Außerdem machen die unterschiedlichen Temperaturen, das Wetter und die eigene Form das Hochfahren jedes Mal wieder spannend. Der Mythos ist ja auch schon uralt.“ Mindestens genauso gerne fährt der Architekt aber um den Berg herum. „Da gibt es wunderschöne Strecken. Im Norden kann man Richtung Baronnies fahren, und auch die Gorges de la Nesque lohnen sich“, schwärmt der 66-Jährige.

Fabian Kirsammer hat den Berg mit seinem Vater drei Mal an einem Tag bezwungen. Foto: pr

Fabian Kirsammer: Schon im Kindersitz hat Fabian Kirsammer aus Lenningen seinen Papa auf den Mont Ventoux begleitet. Mit 14 Jahren wollte der Zehntklässler den Riesen dann gleich dreimal an einem Tag bezwingen, natürlich gemeinsam mit dem Papa. Gesagt – getan. An einem Septembermorgen um 8 Uhr ging es los. „Die zweite Auffahrt von Maleucène aus war die härteste. Aber insgesamt war es gar nicht so schlimm“, erzählt der Gymnasiast. Ihn begeistert vor allem die „coole Stimmung“ mit all den anderen Rennradfahrern dort. Demnächst geht es mit dem Skiverein wie jedes Jahr eine Woche in die Provence. Dann ist der Berg wieder fällig. „Irgendwann will ich ihn sechsmal hoch, aber das wird diesen Sommer noch nichts.“ Auch weitere sportliche Ziele hat sich der 16-Jährige schon ausgemalt. Den Ötztaler Radmarathon möchte er bezwingen, und bei Alb Extrem den Traufkönig fahren.

Andreas Matthes und seine Kumpels auf dem Gipfel. Foto: pr

Andreas Matthes: In einer Radzeitschrift hat Andreas Matthes über jemanden gelesen, der den Mont Ventoux sechs Mal an einem Tag bezwungen hat. „Ich hab‘ dann ein bisschen recherchiert und gesehen, dass für den Club der Verrückten auch drei Auffahrten reichen“, erzählt der 51-Jährige. Nachdem die Idee ein paar Jahre gereift war, setzte der Kirchheimer das Vorhaben gemeinsam mit seinen Kumpels Torsten Proch und Hagen Kottke dieses Jahr in den Pfingstferien um. „Es ist schon eine Besonderheit, diesen legendären Berg hochzufahren. Es war einfach ein tolles Gefühl.“ Der Fan langer Anstiege kam zum Schluss aber auch etwas an seine Grenzen. „Die letzte Auffahrt von Sault war für mich die Schlimmste. Ich dachte das hört nie auf“, sagt der Kirchheimer lachend. Am Wochenende war er bereits wieder auf den Spuren der Tour bei „L‘Étape de Tour de France“ von Alberville nach La Plagne. Die Profis sind dort dann am Freitag unterwegs.

Sandra Langguth nach der dritten Auffahrt auf dem Gipfel des Mont Ventoux. Foto: pr

Sandra Langguth: Mit mehr oder weniger null Bergerfahrung ist Teckbote-Redakteurin Sandra Langguth das begehrte Triple recht blauäugig angegangen. Morgens in Bédoin in der Bäckerei schnell den Stempel geholt, ging es mit René Slavik und dem ehemaligen Lizenz-Radrennfahrer Jürgen Arnold die erste Auffahrt hoch. „Ihr denkt vielleicht das ist zu langsam, aber glaubt mir, das ist genau richtig“, gab Jürgen Arnold das Tempo vor. Während das Mundwerk genauso fleißig war wie die Beine, tauchte das Chalet Reynard nach 15 Kilometern überraschend schnell auf. Nun folgten die sechs Kilometer durch die Steinwüste, und irgendwann tauchte endlich auch der Gipfel auf. Oben angekommen, war die Freude natürlich groß. Auffahrt Nummer zwei von Malaucène war die härteste, ehe bei 37 Grad und ohne Schatten die 24 Kilometer von Sault folgten. Nach der dritten Auffahrt reichte es noch für ein kaltes Getränk und einen Miniatur-Grenzstein aus dem Gipfel-Shop, ehe es die lange Abfahrt durch den warmen Abendwind nach Bédoin zurück ging. Im September sollen es dann die sechs Auffahrten werden.

Sven Meyer ist den Mont Ventoux zweimal hochgejoggt. Foto: pr

Sven Meyer: Warum das Rad nehmen, wenn es auch zu Fuß geht? Sven Meyer aus Kirchheim ist den Mont Ventoux schon zweimal hochgejoggt. „Das war tatsächlich von der Tour de France motiviert. Wir waren in Frankreich unterwegs, und da lag es nahe, die Bergankünfte mal hochzulaufen“, erzählt der 53-Jährige. Zuerst war Alpe d‘Huez dran, ein paar Tage später dann der Mont Ventoux. Mit einer Zeit von 2.15 Stunden war er auch nicht wesentlich langsamer als die meisten Hobbyradfahrer. „Der Berg ist nicht sehr steil, aber eben sehr lange ohne Flachstücke. Unten hat man noch etwas Schatten, aber oben ist man komplett der Sonne ausgesetzt, und am Ende kommt die karge Mondlandschaft. Beim ersten Mal bin ich mittags hochgelaufen, beim zweiten Mal war ich schlauer“, sagt der Kirchheimer lachend. Auch das Stilfser Joch hat er schon zu Fuß bezwungen. „Das war aber vom Giro abgeschaut.“

 

Club des Cinglés du Mont Ventoux

Der Berg wird jährlich von mehr als 100.000 Radfahrern bezwungen. Drei asphaltierte Hauptstraßen führen nach oben: von Bédoin, Malaucène und Sault. Die Challenge der „Cinglés du Mont Ventoux“ besteht darin, den „Riesen der Provence“ am selben Tag von allen drei Seiten zu befahren. Eine vierte Auffahrt über einen unbefestigten Weg ist ebenfalls möglich.
Die ganz Verrückten nehmen die Dreifach-Auffahrt zweimal innerhalb von 24 Stunden in Angriff. Hier kommen in Summe 274 Kilometer und 8900 Höhenmeter zusammen, womit das Everesting auch geschafft wäre.
Wer Mitglied im Club werden möchte, beantragt ein Formular. Mit diesem holt man sich auf dem Gipfel und in jedem Ort in einem beliebigen Geschäft einen Stempel. Anschließend schickt man das Ganze an den Club zurück und bekommt eine Urkunde sowie eine Medaille. sl

Jede Auffahrt auf den Mont Ventoux ist anders. Grafik: Melanie Krebs